Bundesweit gingen am Wochenende zahlreiche Menschen "gegen rechts" auf die Straße – der Großteil davon stammt aus dem rotgrünen, urbanen Milieu. Der Philosoph und Staatsminister a. D., Julian Nida-Rümelin, war laut einem Bericht der Schwäbischen Zeitung auf der Münchner Kundgebung zugegen. Neben Lob für die Menschen, sich gegen Rechtsextremismus zu positionieren, sparte der Sozialdemokrat aber auch nicht an Kritik an der Eindimensionalität der Proteste.
So warnte er vor dem "Versuch der Instrumentalisierung dieses Engagements vonseiten kleiner radikaler Gruppen, die als Veranstalter fungierten" und vor "spalterischen Tendenzen". Bei Facebook schrieb er zunächst wohlwollend. "Ich komme gerade von der Demo gegen rechts am Siegestor in München zurück. Sie wurde wegen Überfüllung vorzeitig abgebrochen. Tatsächlich waren nicht nur in der Ludwigstraße, sondern auch im Umfeld, große Menschenmengen auf den Beinen, entschlossen, friedlich für die Demokratie zu demonstrieren. Es ist beeindruckend, wie viele Bürgerinnen und Bürger sich nun für die Demokratie engagieren wollen."
Dann hielt er zumindest einem Teil der Demonstranten den Spiegel vors Gesicht und kritisierte Dinge, wie "Hasspredigten", welche diese sonst stets beim politischen Gegner adressieren:
"Weniger schön ist der Versuch der Instrumentalisierung dieses Engagements vonseiten kleiner radikaler Gruppen, die als Veranstalter fungierten. Gleich zu Beginn wurden alle zweifelsfrei demokratischen Parteien, SPD, Grüne und FDP als Ampel-Regierung und CDU und CSU als Demokratische Opposition vom Podium herab scharf kritisiert, weil sie an der Reform des europäischen Asylrechts mitwirken. Es wurde die Abschaffung aller Staatsgrenzen gefordert, und die Teilnehmer wurden aufgefordert, sich für die Abschaffung des Kapitalismus einzusetzen. Viele Plakate richteten sich gegen Hass, vom Podium wurde Hass gepredigt. Das vor 25 Jahren gegründete Münchner Bündnis für Toleranz, dass ein breites politische Spektrum der Politik und der Zivilgesellschaft abbildet, war an dieser Veranstaltung gar nicht erst beteiligt worden. Ich hoffe, dass die Bürgerproteste gegen rechts weiter anschwellen. Wenn diese spalterischen Tendenzen, wenn diese Instrumentalisierungsversuche von links außen allerdings anhalten, werden sie das Gegenteil bewirken."
Bereits am Samstag hatte sich Nida-Rümelin zu Wort gemeldet und geschrieben: "Fridays for Future hat gezeigt, welchen Einfluss öffentliche Demonstrationen auf die politische Meinungsbildung haben können. Warum sollte das bei den aktuellen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus nicht ebenfalls gelingen? Ich hoffe auf eine veränderte Stimmungslage, gegen Hetze, gegen Ressentiments, für Humanität und politische Vernunft. Das geht primär, aber nicht nur gegen rechtsextreme Hetze, auch gegen woke Intoleranz und Ideologisierung, auch gegen Cancel Culture und populistisch-ordinäre Sprücheklopferei."
Bereits in seinem 2023 erschienen Buch "Cancel Culture – Ende der Aufklärung? Ein Plädoyer für eigenständiges Denken" übte er massiv Kritik am rotgrünen Zeitgeist in der Bundesrepublik. In der Berliner Zeitung äußerte er sich Ende letzten Jahres darüber hinaus besorgt über die Entwicklung des Wertewestens und den Zustand der Demokratie in diesen Ländern.
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