Absurditäten des deutschen "Ökostrom"-Rekords – steigende Importe

Stolz vermeldete Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), dass erstmals mehr als die Hälfte des deutschen Strombedarfs durch sogenannten Ökostrom gedeckt worden sei. Der Minister habe sich davon überzeugt gezeigt, den Zielen der "Energiewende" näherkommen zu können.

Der Optimismus des Grünen-Politikers könnte sich allerdings als verfrüht erweisen. Denn auch wenn die neuesten Zahlen der Bundesnetzagentur, auf die sich Habeck bezog, den Anteil von "grünem" Strom in Deutschland im Jahre 2023 auf 55 Prozent beziffern, blendete der Bundeswirtschaftsminister gegenläufige Tendenzen aus, wie die Welt feststellte. Habeck war voll des Lobes über die Entwicklung:

"Wir haben erstmals die 50-Prozent-Marke bei den Erneuerbaren geknackt", und er fuhr fort: "Zum ersten Mal kommt sichtbar mehr als die Hälfte unseres Stroms aus erneuerbaren Energien."

Der Anteil von Kohlestrom sei im vergangenen Jahr beträchtlich zurückgegangen: bei der Steinkohle um fast 37 Prozent, bei Braunkohle um beinahe 25 Prozent. Dies hängt mit den ansteigenden Kosten für Emissionszertifikate zusammen. Neben dem gestiegenen Anteil von Wind- und Solarkraftwerken spielten Gaskraftwerke eine größere Rolle: Ihr Anteil an der Stromversorgung stieg von zuvor 7,7 auf etwa elf Prozent.

"Klimaschädlichster Strommix in Europa"

Wie die Welt weiter festhält, war der deutsche Strommix nach Angaben des deutsch-französischen Portals Electricity Maps mit spezifischen CO₂-Emissionen in Höhe von 431 Gramm je Kilowattstunde der "klimaschädlichste in Europa", will heißen: Er wies den höchsten Ausstoß von Kohlenstoffdioxid pro Kilowattstunde auf, abgesehen von der Stromerzeugung in Polen und Tschechien, die noch über diesem Wert lag.

Nichtsdestotrotz verkündete Habeck: "Wir kommen also auf dem Weg zu einer klimaneutralen Stromversorgung sichtbar voran." Und Habeck behauptete weiter: "Wir haben einen Aufwärtstrend erreicht und setzen diesen fort. Das ist gut für die Wirtschaft und gut fürs Klima."

Ob die "Energiewende" tatsächlich so gut für "die Wirtschaft" ist, muss bezweifelt werden. Denn dafür liefern die Zahlen keinen Anhaltspunkt. Allein die Tatsache, dass der Gesamtstromverbrauch zum zweiten Mal in Folge zurückgegangen ist (minus 5,4 Prozent), spricht als Indiz eher für die allgemeine Wirtschaftskrise. Eben wegen hoher Energiekosten hätten viele Betriebe im vergangenen Jahr ihre Produktion stark zurückgefahren. Hinzu kämen "Bürokratielasten" und der verbreitete Mangel an Fachkräften, unterstreicht der Zeitungsbericht.

Auch wenn der durchschnittliche Großhandelspreis nach dem steilen Anstieg infolge der russischen Militäroperation in der Ukraine wieder auf die Marke von gut 95 Euro pro Megawattstunde zurückgegangen sei, liege dieser Wert immer noch deutlich über dem langjährigen Durchschnitt und über den Preisen anderer Länder.

Außerdem schlagen die Kosten für den Ausbau der Stromnetze und das Netzmanagement heftig zu Buche. Die Zeitung beruft sich auf Angaben des Vergleichsportals Verivox, das davon ausgeht, dass die Netzentgelte für private Verbraucher um etwa 25 Prozent steigen werden. Alle diese Faktoren scheinen Habecks Eigenlob nicht gerade zu stützen.

Stark angestiegene Strom-Importe

Völlig quer zur optimistischen Energiewendebilanz steht die Tatsache, dass Deutschland im vergangenen Jahr seine Strom-Importe aus dem Ausland um 63 Prozent gesteigert hat, während die Stromexporte um beinahe ein Viertel gefallen sind. Hinter diesen Zahlen verbirgt sich auch der Wandel Deutschlands vom Netto-Exporteur von Strom zum Netto-Importeur von Elektroenergie: Importen in einer Höhe von 54,1 Terawattstunden hätten nur 42,4 Terawattstunden an Stromexporten gegenüber gestanden. Der Wandel zum Strom-Importland fallen ziemlich genau mit der Abschaltung der drei letzten deutschen Kernkraftwerke zusammen.

Die Bundesnetzagentur sprang dem Wirtschaftsminister sogleich zur Seite und betonte, so die Welt, "dass sich aus den Netto-Importen kein Mangel an Erzeugungskapazitäten ablesen lasse". Ob sich allerdings aus der positiv gemeinten Feststellung, Strom werde "im europäischen Verbund dort erzeugt, wo dies am günstigsten möglich ist", tatsächlich ein Beleg für den Erfolg der deutschen Energiewende ableiten lässt, mag dahingestellt bleiben. Auch die zitierte Aussage, "nicht nur aus Versorgungsgründen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen" könne es sinnvoll sein, "Strom aus dem Ausland zu importieren oder umgekehrt zu exportieren", lässt verschiedene Interpretationen zu.

Kosten

Die stark angestiegenen deutschen Strom-Importe aus dem Ausland sprechen nicht unbedingt für die Konkurrenzfähigkeit der "Erneuerbaren". Der höchste Strompreis musste laut Bundesnetzagentur am 11. September 2023 zwischen 19 und 20 Uhr gezahlt werden: Wegen des Fehlens von Wind und Sonne habe sich der Preis für eine Megawattstunde in dieser Zeit auf 524 Euro im Vergleich zum Durchschnittspreis mehr als verfünffacht.

Da zu jedem Zeitpunkt ein ausgeglichenes Verhältnis von Stromerzeugung und Stromverbrauch im Gesamtnetz herrschen muss, kann selbst bei günstigen Wetterbedingungen für Wind und Sonne ein Überschuss an Ökostrom an der Börse nur mit Verlust, also gegen Zuzahlung, "verkauft" werden. So sei der Börsenpreis am 2. Juli zwischen 14 und 15 Uhr auf minus 500 Euro an der Strombörse gefallen, weil zu diesem Zeitpunkt Wind- und Solarenergie den deutschen Strombedarf zu mehr als 100 Prozent decken konnten.

Diese Kosten werden den Verbrauchern über die Netzentgelte in Rechnung gestellt. Nach Angaben der Bundesnetzagentur habe im Jahr 2023 "die Zahl der Stunden mit negativen Strompreisen um mehr als das Vierfache von 69 auf 301" zugenommen.

Anteile der Erneuerbaren

Im Strommix lag bei der Erzeugung die Windkraft an Land vorn: Ihr Anteil betrug 26,4 Prozent und lieferte damit den meisten Strom. Günstige Wetterbedingungen und der Ausbau der installierten Leistung um 2,3 GW hätten dazu geführt, dass es mit 119,2 Terawattstunden aus Windkraftanlagen "zur bisher höchsten Einspeisung innerhalb eines Jahres" gekommen sei, wie die Bundesnetzagentur mitgeteilt habe.

Die Wasserkraft konnten ihren Anteil an der Stromerzeugung ebenfalls deutlich steigern – im Vergleich zum Vorjahr auf 16,5 Prozent. Die Bundesnetzagentur habe dies auf die vergleichsweise höheren Niederschläge nach dem eher trockenen Jahr 2022 zurückgeführt.

Rückgänge bei der Erzeugung verzeichneten die Windkraftanlagen auf See und Solaranlagen. Offshore-Anlagen hätten wegen fehlender Verbindungsleitungen und Wartungsarbeiten weniger Strom als im Vorjahr einspeisen können. Und trotz eines enormen "Zubaus von mehr als einer Million Solaranlagen" sei der Anteil der Photovoltaik um 0,1 Prozent hinter dem des Vorjahres zurückgeblieben. Zwar sei die installierte Leistung (inzwischen rund 14 GW, einschließlich sogenannter "Balkon-Kraftwerke") um 85 Prozent erweitertet worden, doch deckte der Solarstrom nur zwölf Prozent des Strombedarfs ab.

Mehr zum ThemaErneuerbare Energien – auf dem Weg zum Anlageflop?