Der aktuelle ARD-DeutschlandTrend aus dem Dezember 2023 sorgt für anhaltende schlechte Stimmung in SPD-Büros und Hinterzimmern. Die neuesten Umfragewerte schlagen dabei anscheinend auf diverse SPD-Mägen und sorgen für gereizte Reaktionen. Die SPD (14 Prozent) lag Anfang des Monats bei der "Sonntagsfrage zur Bundestagswahl" rund sieben Prozent hinter der AFD (21 Prozent). Wenig überraschend zeigten sich 99 Prozent der AfD-Sympathisanten und Anhänger mit der Arbeit der Bundesregierung unter einem SPD-Kanzler als "weniger zufrieden" oder "gar nicht zufrieden". Mittlerweile schließen sich 55 Prozent der SPD-Anhänger dieser Sichtweise an.
Als Reaktionen auf diese Realitäten gaben nun drei leitende SPD-Politiker kurz vor Jahresende ihre Einschätzungen zum persönlichen Reizdauerthema AfD ab. Am 27. Dezember teilte Thüringens SPD-Innenminister Georg Maier der Süddeutschen Zeitung angesäuert mit: "Die Demokratie ist unter Druck. Und zwar auf eine Art, die wir bisher nicht kannten". Verantwortlich dafür sei jedoch nicht die desaströse Ampelpolitik, sondern die oppositionelle AfD. Bezogen auf das von ihm ministerial beobachtete Bundesland Thüringen, stellt Maier fest, dass "die Rechtsextremisten der AfD um Björn Höcke versuchen, die Demokratie mit allen Mitteln von innen heraus auszuhöhlen". Bezogen auf die Landtagswahlen 2024 erkennt der Innenminister folgende AfD-Strategie:
"Man muss alles ernst nehmen. Was er – Höcke – sagt, ist wohlüberlegt. Das Schmiermittel im Motor der AfD ist das Chaos, die Ungewissheit, die Verwirrung. Sie trachtet danach, unsere demokratischen Institutionen lächerlich zu machen und das Scheitern demokratischer Prozesse aufzuführen."
Um einen möglichen AfD-Ministerpräsidenten vorab zu verhindern (laut Umfragen kommt die AfD in Thüringen auf 34, die SPD auf neun Prozent), möchte der SPD-Politiker in der Thüringer Verfassung "Unschärfen und Unklarheiten, die sie nutzen könnte, um Chaos und Unsicherheit zu verbreiten", nach seinen Vorstellungen modifizieren. Dazu stellt er fest: "Wir müssen die Verfassung wetterfest machen". Die subjektive Wahrnehmung lautet zum Thema potenzieller AfD-Wahlerfolge:
"Man muss sich vor Augen führen, dass die AfD mit einem Drittel der Stimmen verhindern könnte, dass die Verfassung geändert wird oder Richter gewählt werden. Und sie hätten als stärkste Fraktion den Anspruch, den Parlamentspräsidenten zu stellen, damit könnte sie beispielsweise den wissenschaftlichen Dienst kontrollieren und hätte das Verfahren zur Wahl des Ministerpräsidenten in der Hand. Das müssen wir regeln, genau wie die Zusammensetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums für den Verfassungsschutz. Da hätte die AfD ja dann auch mindestens das Anrecht auf zwei Sitze."
Für Maier gelte daher, die AfD ausgeschlossen, "alle Befindlichkeiten beiseitezuschieben. Wir sollten schauen, was die Demokraten jetzt noch gemeinsam erreichen können", um im Interview unmissverständlich zu formulieren:
"Mir kommt es darauf an, dass wir uns diesen Fragen jetzt stellen und dass wir sie abschließend klären, aus meiner Sicht am besten mit einer Verfassungsänderung."
Maier stellt zudem fest: "Im Grunde sind sich alle einig, dass das präzisiert werden muss". Bezüglich der zeitlichen Umsetzung legt er dar:
"Sehr schnell. Ich habe manchmal das Gefühl, wir schlafwandeln in ein ziemliches Desaster hinein und wachen am 2. September – Termin der Landtagswahlen – in einem autoritären System auf. Thüringen darf kein failed state werden."
Am 28. Dezember stellte sich der SPD Co-Parteivorsitzende Lars Klingbeil dem Thüringer SPD-Genossen argumentativ an die Seite. Klingbeil gab seine AfD-Gereiztheit der niedersächsischen Böhme-Zeitung zu Protokoll, um pauschalisierend festzustellen:
"Wer in der AfD Verantwortung übernimmt und sich um ein Landtags- oder Bundestagsmandat bewirbt, ist in meinen Augen ein überzeugter Rechtsextremist."
Diese Wahrnehmung gelte aber nicht für die Wähler der Partei, da "wenn mir Bürger am Infostand aber sagen, sie würden jetzt AfD wählen, weil sie sauer auf die demokratischen Parteien seien, sind sie nicht gleich rechts". Diese "enttäuschten Bürger" möchte Klingbeil "politisch zurückgewinnen", um diesbezüglich festzustellen:
"Dafür müssen wir hart arbeiten. Die AfD ist eine brandgefährliche Partei, weil sie hetzt, polarisiert und dieses Land spalten will."
Der Parteivorsitzende wurde im Interview leider nicht gefragt, welche Gründe er für die aktuelle "Enttäuschung" der Bürger erkennen würde. Auf ein mögliches AfD-Verbotsverfahren angesprochen, teilte Klingbeil mit, dass die Debatte "darüber nach seinem Eindruck zunehme". Er habe "tiefes Vertrauen in unsere Sicherheitsbehörden, die die Entwicklung beobachten, bewerten und – wenn sie die Grenze für überschritten halten – ein Verbotsverfahren vorschlagen". Zudem erklärt er:
"Wir müssen hart dafür arbeiten, dass die AfD kleiner und die demokratischen Parteien größer werden. Das geht am besten, wenn wir die uns gestellten Aufgaben lösen und die Alltagssorgen der Menschen ernst nehmen."
Klingbeils unmittelbare Parteikollegin, die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken, nutzt ebenfalls die Bezeichnung "brandgefährlich" für die politische Konkurrenz, dies jedoch bezogen auf die CDU unter ihrem Vorsitzenden Friedrich Merz. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (DPA) stellt Esken fest, dass die CDU aktuell "die Sprache der AfD verwenden" würde, so bei "Debatten etwa zur Migration oder zum Bürgergeld auf eine Art und Weise, die Menschen gegeneinander ausspiele". Esken weiter laut DPA-Protokoll:
"Für die politische Kultur und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist das brandgefährlich. Ebenso gefährlich ist es, wenn CDU und CSU Begriffe in die Debatte bringt, die davor ausschließlich von der AfD verwendet wurden."
Dieser Vorwurf "betreffe die Abwertung der Regierung". Die SPD-Chefin hatte Anfang Dezember CDU und CSU vorgeworfen, sie würden "im Chor mit der AfD gegen die Ampel hetzen". Merz hatte diesen Vorwurf als "ehrabschneidend" und "niederträchtig" kommentiert. Zum Thema massiver außenpolitischer Fehler unter einem SPD-Kanzler reagierte Esken laut DPA:
"Die SPD-Chefin verwies darauf, dass gleichzeitig Staatenlenker aus aller Welt wie der US-Präsident oder der ukrainische Präsident selbst dem Bundeskanzler attestieren, dass er an ihrer Seite steht und dass er internationale Bündnisse zu schmieden vermag, die sonst keiner zustande gebracht hätte."
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte der CDU-CSU-Fraktion Anfang September einen Deutschlandpakt zur Modernisierung des Landes vorgeschlagen und sich dabei auch zu Gesprächen mit Merz in Berlin zum Thema Migration getroffen. Nach der Bund-Länder-Einigung auf Maßnahmen gegen irreguläre Migration erklärte Merz Anfang November die Zusammenarbeit bei dem Thema unmittelbar für beendet. Der frühere SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat am 27. Dezember gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung einen neuen Kurs in der deutschen Migrationspolitik angemahnt. Für Gabriel würden sich jedoch die "demokratischen Parteien davor scheuen, dieses Thema wirklich anzupacken – auch, weil sie Angst davor hätten, dass sie damit zu nahe an die AfD kommen". Gabriel stellt fest:
"Je weniger die demokratischen Parteien aufgeklärt und ohne Wahlkampfgetöse über dieses schwierige Thema reden, desto einfacher wird es für die AfD. Denn für sehr viele Menschen in Deutschland ist das Thema Migration ein Symbol für wachsende Unsicherheit."
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