Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz erklärte, er sei sich mit seinem CSU-Kollegen Markus Söder "einig, dass wir so schnell wie möglich diese Regierung ablösen wollen". Als Datum für eine vorgezogene Neuwahl schwebe ihm der 9. Juni 2024 vor, also der Termin der ohnehin stattfindenden Europawahlen.
Dieser Terminvorschlag mag gewählt worden sein, um durch eine höhere Wahlbeteiligung als zu Europawahlen üblich zusätzlich das Ergebnis der AfD zu verringern. Auch wenn Merz betont, ein Bundestagswahlkampf bis Juni sei zwar anspruchsvoll, er bereite aber die CDU-Parteizentrale bereits darauf vor, so ist nicht nur die Zeit für den Wahlkampf knapp bemessen.
Denn nach dem Bundeswahlgesetz muss die Einreichung der Listen für eine Bundestagswahl 69 Tage vor dem angesetzten Termin erfolgen. Das wäre in diesem Falle der 1. April. Und vor einer Listeneinreichung steht bekanntlich noch die Aufstellung der Listen. Die Landeslisten werden üblicherweise auf Landesparteitagen festgelegt und beschlossen, was weitere Ladungsfristen von im Schnitt vier Wochen auslöst. Das wäre also Anfang März. Sollten zuvor noch Delegiertenwahlen stattfinden müssen, so kämen noch einmal vier Wochen Ladungsfrist auf Kreisebene hinzu.
Neuwahlen könnten während einer Legislaturperiode nur durch ein erfolgreiches Misstrauensvotum im Parlament ausgelöst werden. Wenn der Deutsche Bundestag seine Sitzungen erst am 15. Januar wieder aufnehmen wird, blieben jetzt für ein derartiges Votum – selbst ohne einen zusätzlichen Vorlauf – gerade einmal sechs Wochen.
Merz erklärte außerdem, dass die CDU ohne eine Koalitionsaussage in den Wahlkampf gehen wolle, zweifelt aber an der Möglichkeit einer großen Koalition – es stelle sich ohnehin die Frage: "Reicht das überhaupt rechnerisch noch mit einer weiterhin sich selbst marginalisierenden SPD für eine Koalition?" Die FDP, die derzeit in allen Umfragen an der oder unter der Fünf-Prozent-Hürde liegt, scheint Merz nicht mehr ernstlich in Betracht zu ziehen. Eine Koalition mit den "Grünen" wird allerdings von Söder abgelehnt. Merz erklärte zwar, Die Grünen dürften nicht "bei dieser Wirklichkeitsverleugnung bleiben", setzt jedoch offen auf den Opportunismus dieser beiden möglichen Partner:
"In dem Augenblick, wo es ums Mitregieren geht, werden Grüne und Sozialdemokraten sehr flexibel, sehr beweglich, sehr anpassungsfähig."
Auch wenn aus Sicht der CDU ihre Verweigerung der Festlegung auf eine bestimmte Koalition nachvollziehbar ist, so stellt sich dennoch die Frage, woher Merz eine Mehrheit für die Vertrauensfrage nehmen im Deutschen Bundestag beschaffen will, wenn sowohl die SPD als auch Bündnis 90/Die Grünen und die FDP sowieso bei Neuwahlen herbe Verluste fürchten müssen.
Für eine Mehrheit im Bundestag fehlen der CDU derzeit 110 Stimmen; die einzige Fraktion, die groß genug ist, um diese Stimmenzahl zu liefern, wäre ausgerechnet die SPD, die kaum gegen ihren eigenen Kanzler stimmen dürfte. Die einzige Partei, die bei Neuwahlen Stimmenzuwächse für sich erwarten kann, wäre die AfD, mit der aber auch Merz nicht kooperieren will. Und die AfD mit 87 Stimmen allein ist immer noch nicht groß genug, um ein Misstrauensvotum zum Erfolg zu führen. Die einzig vorstellbare Kombination wäre also eine Unterstützung des Misstrauensvotums sowohl durch Die Grünen als auch die FDP. Das wäre also gewissermaßen ein Zerbrechen der "Ampel"-Koalition von innen heraus.
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hatte den Termin der Europawahl bereits Ende November ins Spiel gebracht, als das Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Haushaltsplanung dieser regierenden Koalition zusammenbrechen ließ. Merz kündigte bereits an, auch gegen den neuen Haushalt zu klagen, sollte die Schuldenbremse ausgesetzt werden. Das würde die bereits andauernde Regierungskrise weiter verschärfen. Allerdings bliebe es gerade in dieser Lage auch für den Vorsitzenden der größten Oppositionspartei nicht ohne Folgen, Neuwahlen anzukündigen, wenn er dies aber am Ende nicht einlösen kann.
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