Von Gert Ewen Ungar
Je aussichtsloser die Lage der Ukraine wird, desto hysterischer wird der Ton in Deutschland. Das Springer-Blatt Bild-Zeitung legt inzwischen täglich noch einen drauf. War Russlands Präsident Wladimir Putin gestern nur ein schlichter "Diktator", so hat ihn das Boulevard-Blatt heute zum "schlimmsten Aggressor des Jahrhunderts" und zum "Kriegstyrannen" gekürt. Alle drei Attribute sind deplatziert und dienen vor allem einem Ziel: der Desinformation der Deutschen.
Putin ist der rechtmäßig gewählte und nach allen Umfragen sogar ausgesprochen beliebte Präsident Russlands. Die Wahrscheinlichkeit, dass er im kommenden Jahr wiedergewählt wird, ist sehr hoch. Die Wahrscheinlichkeit, dass der deutsche Mainstream im Fall seiner Wiederwahl seine bekannte "Platte mit dem Sprung" auflegen und von Wahlbetrug sprechen wird, ist allerdings noch höher. Sie liegt bei glatt 100 Prozent. Immer wenn irgendwo in der Welt eine Regierung gewählt wird, die sich dem westlichen Anspruch auf Dominanz widersetzt, greifen die deutschen Medien zu diesem inzwischen doch recht fadenscheinigen Mittel der Propaganda.
Der Westen verliert den Stellvertreterkrieg in der Ukraine. Die USA ziehen sich von der bisherigen Unterstützung zurück. Die EU ist in der Frage einer weiteren Unterstützung keineswegs so geeint, wie in Brüssel gern vorgegeben wird. Die Zahl der Staatschefs, die Verhandlungen fordern und aus der Logik von Waffenlieferungen und der Verlängerung des Krieges aussteigen möchten, wächst. Es ist keineswegs nur Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán.
Als weiterhin bekennender Unterstützer des Kiewer Regimes bleibt vor allem Deutschland übrig. Allerdings sind dessen Mittel äußerst begrenzt. Die Bundeswehr wird obendrein nicht ernst genommen.
Trotz all dieser Fakten behauptet die Bild gar, der Westen würde nun enger zusammenrücken und die USA seien bereit, die EU weiter tatkräftig zu unterstützen:
"Europa und die USA schmieden: einen neuen Anti-Putin-Pakt! Und der sieht u.a. mehr Soldaten und mehr Stützpunkte für das US-Militär vor. (...) Ziel: noch mehr Unterstützung durch die Militärmacht Nummer 1 – und damit Schutz vor Aggressor Putin."
Das ist angesichts von sowohl Haushaltsstreit in den USA und den US-Plänen für die weitere Unterstützung Taiwans in Verbindung mit dem Willen, die Konfrontation mit China zu eskalieren, bestenfalls Wunschdenken.
Bei den Abkommen, von denen die Bild-Zeitung spricht, handelt es sich um kaum mehr, als dass Schweden und Dänemark dem Pentagon Zweitschlüssel für ihre Militärbasen aushändigen. Eine konkrete Stärkung ist nicht zu erkennen.
Angesichts der russischen Bedrohung müsse Deutschland innerhalb von fünf bis acht Jahren kriegstüchtig werden, zitiert die Bild-Zeitung erneut den Bundesminister der Verteidigung Pistorius.
Nun kann in fünf bis acht Jahren viel passieren. Nicht auszuschließen ist sogar, dass auch in Deutschland wieder die politische Vernunft Einzug halten könnte. Es ist nicht daher auszuschließen, dass man sich darauf besinnen wird, mit Russland anständige Beziehungen zu pflegen und die Sicherheit in Europa wieder als ein gemeinsames Projekt zu verstehen.
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