Ende November veranstaltete die Psychotherapeutenkammer Berlin eine qualifizierende Fortbildung für Psychotherapeuten und Psychologen. Die Online-Konferenz fand zum Thema "Verschwörungserzählungen und Familiendynamiken – multiprofessionelle Herausforderungen und Möglichkeiten der Psychotherapie" statt. In der Fortbildung wurden Diagnostik und Therapiemethoden in der therapeutischen Behandlung von sogenannten "Verschwörungsgläubigen" behandelt. Dabei wurden auch Methoden für die Beratung Angehöriger in Bezug auf ihren Umgang mit "Verschwörungsgläubigen" vermittelt.
Mehrere kritische Psychotherapeuten informierten RT über die Inhalte der Fortbildung. Mit den in der Fortbildung vermittelten Diagnosen von Menschen, deren Meinungen von den vorherrschenden politischen und medialen Narrativen abweichen, gehe eine Pathologisierung Andersdenkender einher – so ihre in den Gesprächen formulierte Sorge. Aus Angst vor Verlust der Approbation – die Psychotherapeutenkammer kenne bei Kritik keinen Spaß – waren die Konferenzteilnehmer nur bereit, in anonymer Form zu berichten.
Psychologische Diagnosen bei Anhängern von Verschwörungserzählungen
Im Hauptvortrag referierte der Politikwissenschaftler Tobias Meilike über psychische Charakteristika bei Anhängern von Verschwörungserzählungen und entsprechende Therapiemethoden. Zunächst riet er den Konferenzteilnehmern, ausschließlich den Begriff "Verschwörungserzählungen" zu verwenden. Denn der Begriff "Verschwörungstheorien" suggeriere, es handele sich um ernst zu nehmende wissenschaftliche Theorien. Der psychologische Fachterminus für die Symptomatik der Anhänger von Verschwörungserzählungen sei die Bezeichnung "Verschwörungsmentalität".
Ganz allgemein spielten Verschwörungserzählungen beim Ausbruch von Pandemien und insbesondere rund um das Thema Impfung immer eine große Rolle, habe der Politikwissenschaftler erklärt. So habe beispielsweise die ehemalige DDR Verschwörungserzählungen genutzt, um die Krankheit AIDS zu leugnen.
Symptomatik: Wissenschaftsskepsis und antisemitistische Stereotype
Die zugrunde liegende Mentalität für Verschwörungserzählungen sei eine grundsätzliche Wissenschaftsskepsis. Aktuell nähmen in Deutschland Verschwörungserzählungen rund um die Frage des Klimawandels zu. Verschwörungserzählungen rund um den Klimawandel würden die Psychologen daher zukünftig am meisten beschäftigen. Insgesamt seien Verschwörungserzählungen stark politisch ausgerichtet. Eine weitere große Verschwörungserzählung drehe sich um eine mit dem Great Reset in Zusammenhang stehende finanzielle Elite. Eine sogenannte Reichsbürgerszene hänge an einer Verschwörungserzählung, wonach "die Alliierten bis heute Deutschland verwalten". In der QAnon-Szene "sticht eine Person aus dem Trump-Umfeld Informationen durch", dass es Rituale mit Kinderblut gebe.
Diese Verschwörungserzählungen beinhalteten "antisemitische Stereotype". Seit der vormalige US-Präsident nicht mehr an der Macht sei, habe die Anhängerschaft dieser "hochgefährlichen" VE nachgelassen. Durch die erneute Kandidatur Donald Trumps drohe diese Gefahr nun wieder.
Narzisstische Persönlichkeit, Gewaltbereitschaft und Suchtsymptome bei Andersdenkenden
Je nach Studie seien zwischen neun Prozent und 38,1 Prozent der deutschen erwachsenen Bevölkerung von einer Verschwörungsmentalität betroffen. Insofern bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die teilnehmenden Psychotherapeuten auf einen Anhänger von Verschwörungserzählungen treffen. Wobei politische Verschwörungserzählungen eher von Männern und Verschwörungserzählungen über Gesundheit eher von Frauen geglaubt würden.
Zur Diagnostik der Betroffenen müsse man wissen, dass Verschwörungserzählungen "immer" ein Kompensationsmechanismus für persönliche Krisen seien. Bei den Anhängern von Verschwörungserzählungen in Bezug auf die COVID-19-Pandemie sei aufgrund der Ohnmacht gegenüber der Pandemie ihr Selbstwirkungsmechanismus gestört.
Charakteristisch sei auch ein "missionarischer Drang", über die von ihnen angenommene Verschwörung aufzuklären. Ein gutes Beispiel dafür sei die Gründung der Partei DieBasis. Diese sei von Verschwörungsgläubigen speziell zum Ausleben ihres "missionarischen Eifers" gegründet worden. Ein weiteres Merkmal bestehe im Hang zur Gewalt bzw. dem Hang dazu, gewaltsam aktiv zu werden. Dies belegten Drohungen gegen Wissenschaftler und Ärzte sowie Brandanschläge.
Besonders betroffen seien Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstruktur und damit einhergehenden Aufwertungsmotiven. Zu den klassischen Gruppenteilhabemotiven zählten Zugehörigkeits- und Geborgenheitsbedürfnisse. Schließlich liege auch oft eine Abhängigkeitssymptomatik vor: Viele Anhänger von Verschwörungserzählungen seien von der Telegram-Sucht betroffen. Meilike habe an dieser Stelle das Fallbeispiel einer nach Telegram süchtigen Mutter ausgeführt. Aufgrund der daraus resultierenden Kindesvernachlässigung sei schließlich das Jugendamt eingeschaltet worden.
Psychotherapeutische Behandlungsmethoden für Andersdenkende
Vor der Wahl der geeigneten Behandlungsmethode müsse man als Psychotherapeut den Schweregrad der Betroffenheit von Verschwörungserzählungen diagnostizieren. Laut Meilike könne man dabei drei Kategorien identifizieren, die jeweils einen unterschiedlichen Therapieansatz erforderten: 1. Verschwörungsinteressierte, 2.Verschwörungsgläubige und 3.Verschwörungsideologen.
Die erste Gruppe der Interessierten sei kognitiv ansprechbar. Mit diesen Menschen könne man also noch auf der kognitiven Ebene arbeiten. Dagegen hätten Verschwörungsgläubige die Verschwörungserzählungen bereits in ihr Weltbild integriert. Diese Gruppe nutze Verschwörungserzählungen zur Erfüllung persönlicher Bedürfnisse. Aus diesem Grund solle man sich mit ihnen auf keinen Fall kognitiv auseinandersetzen. Mit ihnen müsse man "auf der emotionalen Ebene" mit ihren Gefühlen von Angst und Ohnmacht arbeiten.
Verschwörungsideologen seien die Profiteure von Verschwörungserzählungen. Es handele sich um rechtsextreme Akteure, die finanziell von den Verschwörungserzählungen profitierten und daher "business-motiviert" seien. Die psychologische Arbeit mit dieser Gruppe lohne sich grundsätzlich nicht bzw. erst dann, wenn kein Geschäftsmotiv mehr vorliege.
Beratungsthemen und -methoden bei Angehörigen von Andersdenkenden
In der psychologischen Beratung habe man es häufig mit Angehörigen von Verschwörungsgläubigen zu tun. Dabei gehe es vor allem um ein psychologisches Training, wie diese Angehörigen mit ihren eigenen Ohnmachtsgefühlen gegenüber dem betroffenen Familienmitglied zurechtkämen. Als weiteren methodischen Baustein müsse man mit den Angehörigen das Setzen von Grenzen trainieren. Grundsätzlich sollten sich Angehörige von Verschwörungsanhängern auf kein Gespräch auf Sachebene einlassen. Deshalb müsse man mit ihnen die Kommunikation auf der Gefühls- und Beziehungsebene trainieren und einüben, wie man in der Kommunikation die Sachebene vermeidet.
In der Beratung müsse man auch vermitteln, wie man Anhänger von Verschwörungserzählungen aus dem familiären und sozialen Umfeld ausgrenzt. Dazu habe der Referent die Verschwörungsanhänger mit Todesfällen in der Familie verglichen und in etwa formuliert:
"Verschwörungsgläubige sind wie Todesfälle in der Familie. Alle wissen, sie sind da. Aber keiner will mit ihnen zu tun haben."
Zur psychologischen Beratung von Verschwörungsfällen gehöre standardmäßig auch die Prüfung von Kindeswohlgefährdung in Familien mit Elternteilen, die Verschwörungserzählungen anhängen. In Frage kommende Kindeswohlgefährdungen müssten von den Psychotherapeuten beim Jugendamt gemeldet werden.
Verschwörungserzählungen zur COVID-19-Pandemie führten zu besonders schweren Konfliktlagen in Familien und Freundeskreisen, weil jeder Mensch ganz konkret gezwungen war, sich zu positionieren. Bei anderen Verschwörungserzählungen der Familienmitglieder, wie zum Beispiel zum 11. September oder zum russischen Einmarsch in die Ukraine, könne man "gelangweilt weghören". Bei der COVID-19-Pandemie musste man sich aber ganz konkret zu "Impfung, Maske und Teilnahmebedingungen zu Familienfeiern und zu Weihnachten" verhalten.
Dabei hätten Angehörige von Verschwörungsgläubigen "schockiert" feststellen müssen, dass ihre Familienmitglieder auf einmal "rechte Weltbilder" sowie "Antisemitismus und Rassismus" vertreten. Da diese Verschwörungsanhänger zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und zu Gewalt neigten, sei die Konfliktlage besonders bedrohlich.
Kognitive Verhaltenstherapie oder Psychoanalyse für Andersdenkende
Die Psychoanalytikerin Kerstin Sischka von der Berliner Charité trug im im zweiten Vortrag ihre Bewertung der Behandlung von Verschwörungsgläubigen mit kognitiver Verhaltenstherapie und psychoanalytisch-tiefenpsychologischen Methoden vor.
Vorab erklärte sie die fachliche Einordnung von Verschwörungsgläubigen in Korrelation zu an Psychose Erkrankten, die von Wahnideen besessen sind. Bestimmte Symptome und Merkmale überschnitten sich bei beiden Betroffenengruppen. Dazu gehörten soziales Misstrauen, Ohnmachtsgefühle, Neigung zu Wahngedanken, Zynismus und Feindseligkeit gegenüber anderen Menschen. Allerdings bleibe im Unterschied zu den an Schizophrenie Erkrankten bei Anhängern von Verschwörungserzählungen der Realitätssinn noch etwas besser erhalten. Therapiemethoden der kognitiven Verhaltenstherapie, die bei an paranoiden Wahnideen Erkrankten angewendet werden, ließen sich ohne Weiteres auf Verschwörungsgläubige übertragen.
Im Hinblick auf die psychische Anamnese und Entstehungsursachen könne man einen Zusammenhang zwischen frühkindlicher Traumatisierung und Neigung zu Verschwörungserzählungen belegen. Häufig seien Anhänger von Verschwörungserzählungen selbst Missbrauchsopfer und litten unter Posttraumatischen Stresssymptomen. Infolge dieser und anderer Symptomatiken sei die Belastung für Familienangehörige besonders hoch. Facheinrichtungen sollten sich insbesondere auf den negativen Einfluss von Verschwörungserzählungen auf die psychische Gesundheit ihrer Angehörigen fokussieren.
Die Psychoanalytikerin von der Berliner Charité habe am Ende ihre Vortrags vor der zunehmenden Verbreitung von Verschwörungserzählungen in Psychologenkreisen gewarnt und in etwa vorgetragen:
"Die Eskalation des Aberglaubens verbreitet sich in allen Kreisen – auch in unserer eigenen Berufsgruppe."
Psychotherapeutische Expertise in viele gesellschaftlich bedeutende Bereiche einbringen
Das letzte Fortbildungsmodul übernahm die Psychologin Dr. Christina Jochim. Sie ist Mitglied im Vorstand der Psychotherapeutenkammer Berlin und referierte über berufspolitische Perspektiven. Nach dem 1. Psychotherapeutengesetz von 1999 zitierte sie die Aufgaben von Psychotherapeuten: "Psychotherapeuten sollen ihre therapeutische Expertise überall in der Gesellschaft einbringen, wo es notwendig ist."
Der gesellschaftliche Bedarf für psychotherapeutische Expertise steige. So sollten Psychologen ihre Fachkompetenz in derKinder- und Jugendhilfe, in Schulen, Bildungseinrichtungen, Kliniken, Ambulanzen sowie auch in der Justiz und im Strafvollzug einbringen. Zu ihren Aufgabenbereichen gehörten auch die Kinder- und Jugendhilfeberatung, die Bewertung von Straftaten und die Erstellung von Sozial- und Kriminalprognosen.
Untersuchung in England: Menschen, die sich streng an die Corona-Regeln hielten, sind in der schlechtesten psychischen Verfassung
Im Gegensatz zur Psychotherapeutenkammer vertritt der Guardian eine völlig andere Bewertung der psychischen Verfasstheit von coronagläubigen und coronakritischen Menschen. Laut dem Guardian-Artikel vom 21. November 2023 sind ausgerechnet die Menschen, die sich am meisten an die COVID-19-Regeln gehalten hätten, also die Anhänger des offiziellen Narrativs, in der schlechtesten psychischen Verfassung. Dazu titelte die britische Tageszeitung:
"Menschen, die sich an die britischen COVID-19-Regeln hielten, waren laut einer Umfrage in der schlechtesten psychischen Verfassung."
Schließlich muss man sich nach den Diagnosekriterien der Psychotherapeutenkammer noch fragen, ob Mitarbeiter der europäischen Arzneimittelbehörde EMA eventuell von Wahnideen besessen sind. Sie hatten schließlich schon im offiziellen EMA-Zulassungsdokument für den Impfstoff von Pfizer/BioNTech vom 19. Februar 2021 geschrieben, dass die Wirksamkeit des Impfstoffes nicht belegt sei. Dazu heißt es im Zulassungsdokument auf Seite 97 unter Punkt 2.5.4. "Schlussfolgerungen zur klinischen Wirksamkeit":
"Es ist wahrscheinlich, dass der Impfstoff auch gegen schwere Verläufe von COVID-19 schützt. Allerdings waren diese Ereignisse in der Studie selten, sodass keine statistisch sichere Aussage getroffen werden kann. Es ist derzeit nicht bekannt, ob der Impfstoff vor asymptomatischen Infektionen schützt oder welche Auswirkungen er auf die Virusübertragung hat. Die Dauer des Schutzes ist nicht bekannt."
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