Ende Februar 2022 genehmigte der amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seinem Verteidigungsressort unter dessen damaliger Chefin Christine Lambrecht (SPD) das üppige Budget von 100 Milliarden Euro. Der sogenannte Sonderfonds als neuer Schuldenberg galt vielen als dringliche Maßnahme zur materiellen Aufstockung einer Truppe mit ziemlich maroder Bewaffnung. Im März 2023 fragte dann die Deutsche Welle: "Was wurde aus den 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr?". Dieser Artikel legte dar, "dass 30 Milliarden Euro bereits für größere Anschaffungen vorgesehen sind". Nun meldete Anfang Dezember die Nachrichtenwebsite Business Insider (BI), dass die Einkäufer der Bundeswehr üppig, anscheinend sogar zu üppig bestellt haben. So heißt es einleitend (Bezahlschranke):
"Trotz Extra-Milliarden im Budget: Bundeswehr bestellte neue Waffen – und verursachte bisher ungedeckte Rechnungen von 27 Milliarden Euro."
Das Bundesministerium der Verteidigung habe demnach laut vorliegenden Unterlagen "zahlreiche Verträge mit der Rüstungsindustrie abgeschlossen, sich dabei aber ab 2028 zur Zahlung von Rechnungen verpflichtet". Das damit absehbare Problem stelle die vollkommen ungeklärte Finanzierung dar, also das Begleichen der Rechnungen, da durch die jüngsten Turbulenzen um den Staatshaushalt eine pünktliche und klar terminierte Bezahlung der Bestellungen nicht mehr gewährleistet werden kann. Der simple Grund lautet, dass das immense Sondervermögen bereits vollends ausgereizt ist.
Der BI-Artikel legt weiter dar, dass nach vermeintlich "anfänglichen Schwierigkeiten das Verteidigungsministerium um Boris Pistorius (SPD) inzwischen auch tatsächlich viele milliardenschwere Verträge mit der Rüstungsindustrie geschlossen" hätte, etwa für "neue Kampfjets, Hubschrauber oder Panzer". Bestandteil wäre bei solch kostenintensiven Verträgen die Selbstverständlichkeit einer Bezahlung erst nach Erhalt der bestellten Ware. Aufgrund von Lieferengpässen und andauernden Unterbrechungen der Warenketten kann es jedoch zu jahrelangen Verzögerungen kommen. Der BI-Artikel erläutert dazu:
"Genau das hat offenbar dazu geführt, dass das Verteidigungsministerium kräftig auf Shopping-Tour gegangen ist, aber einiges schlicht auf Pump gekauft hat. Bei zahlreichen Milliarden-Projekten ist demnach ab 2028 die Finanzierung unklar, weil das Sondervermögen dann leer ist und offen ist, wie hoch der reguläre Haushalt dann ist. Laut interner Schätzungen im Ministerium sind Schecks in Höhe von mindestens 27 Milliarden Euro bislang nicht gedeckt."
Wenig überraschend reagierte das Verteidigungsministerium mit der Erklärung, dass das Vorgehen "haushaltsrechtlich zulässig" sei. Die Sprecherin teilte demnach mit: "Dass der Staat diese Rechnungen am Ende nicht bezahlt, weil kein Geld da ist, ist eigentlich auch kaum vorstellbar". Sogenannte Verpflichtungsermächtigungen, "in denen der Staat vertraglich zusichert, über das laufende Haushaltsjahr hinaus für bestimmte Dinge Geld auszugeben", wären zudem im Bundeshaushalt "übliche Praxis". Laut BI-Einschätzung wären beim Blick aus den Fenstern des Bendlerblocks in Berlin am fernen Horizont allerdings Probleme absehbar:
"Die Rechnungen können nur dann bezahlt werden, wenn die Bundeswehr entweder zusätzlich zu dem normalen Etat ein neues milliardenschweres Sondervermögen ab 2028 bekommt. Oder aber der reguläre Verteidigungsetat muss sich entsprechend kräftig erhöhen, da selbst der bisherige Rekord-Haushalt aus diesem Jahr mit mehr als 50 Milliarden Euro nicht reichen würde, so Experten. Nach deren Angaben müsste der Haushalt ab 2028 um jährlich fünf bis zehn Milliarden wachsen."
Ein exemplarisches Beispiel für diese Milchmädchenrechnung bei der Finanzabteilung der "Truppe" erläutert der BI-Artikel am Beispiel der Bestellungen vom "Leichten Kampfhubschrauber": Die Bundeswehr beabsichtigt, 82 Stück von den Modellen der Chinook-Helikopter von Boeing zu kaufen, mit Gesamtkosten von etwa 2,6 Milliarden Euro. Die Ausgaben verteilen sich laut "vertraulicher Unterlagen auf die Zeit zwischen 2023 und 2031", weiß der Business Insider nach ihm vorliegenden Informationen zu berichten. Die Planung sei nun, dass in der Zeitspanne von 2028 bis 2031 ministerielle Ausgaben von rund 740 Millionen Euro zunächst rein theoretisch vorgesehen sind. Dazu heißt es in einem aktuellen vertraulichen Papier, das Verteidigungsministerium werde das Geld "ab 2028 im Rahmen der verfügbaren Ausgabemittel des Einzelplans 14 berücksichtigen". Das absehbare und damit bekannte Problem ergibt sich aus der Tatsache:
"Das heißt: Die Kosten sollen ab 2028 über den üblichen Haushalt finanziert werden. Doch ob dieser um die Beträge aufgestockt wird, wo doch schon der Rekordhaushalt jetzt nicht gereicht hat, oder ob deswegen woanders gespart werden muss, bleibt unklar. Letztlich bedeutet das: Waffenkauf auf Pump."
Ein reines Spekulieren auf die erhoffte Erhöhung des Verteidigungshaushalt um weitere mehrere Milliarden Euro sei daher mehr als gewagt, "dürfte in jedem Fall politisch heikel werden, nicht zuletzt in einer womöglich volkswirtschaftlich schwierigen Situation", resümiert der BI-Artikel.
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