Nach der jüngsten Bekanntgabe der beabsichtigten Neugründung einer Partei – der voraussichtliche Termin ist nun Ende Januar 2024 – verkündete Sahra Wagenknecht vorerst bei den kommenden Europawahlen antreten zu wollen. In einem Interview mit der Welt-Zeitung aus dem Springer-Verlag äußerte sie sich auch zu dem von ihr wahrgenommenen, mehr als desolaten Zustand des Landes. Für sie sei unmissverständlich klar, dass nur noch Neuwahlen Deutschland retten könnten. Zudem wiederholte sie ihre Forderungen nach einer strikteren Migrationspolitik nach dem Vorbild Dänemarks. Asylverfahren müssten laut Wagenknecht "massiv beschleunigt werden".
Die diesbezügliche Frage lautete in dem Interview (Bezahlschranke):
"Wie wollen Sie abgelehnte Asylbewerber wieder loswerden?"
Wagenknecht erläuterte kritisierend, dass in Deutschland laufende Asylverfahren "oft über zwei Jahre dauern, nach 18 Monaten kommen alle ins Bürgergeld, und auch Abgelehnte bleiben in der Regel da", so die Ex-Linkenpolitikerin.
Demgegenüber würden Verfahren in Dänemark nur wenige Wochen Zeit in Anspruch nehmen. Und, so Wagenknecht darlegend: "Wer abgelehnt wird, hat auch keinen Anspruch auf Versorgung, sondern bekommt das Geld für die Rückreise." Die meisten Zuwanderer würden laut Einschätzung der Politikerin nicht "vor politischer Verfolgung fliehen, sondern weil sie ein besseres Leben suchen." Dies sei zwar "menschlich verständlich, aber es überfordert unser Land."
Zur politischen Situation in Deutschland fand sie klare Worte und Formulierungen. Zum Zustand der aktuellen Politikergeneration im Bundestag, bezugnehmend der kontroversen Wahrnehmung ihrer eigenen Person, stellte sie fest:
"Ich lege Wert darauf, meinen Überzeugungen zu folgen, statt mich daran zu orientieren, was andere sagen. Unser Land hat genug Politiker ohne Profil, Leute, die ihr Fähnchen nach dem Wind hängen und nie anecken, weil sie schlicht keine Ecken haben. Ich ecke an. Einige mögen das, andere nicht."
Viele Bürger würden aber auch nicht verstehen, was der amtierende Kanzler inhaltlich verkörpere. Viele Menschen fragten sich, "wofür Olaf Scholz steht." Wenn Scholz im Parlament eine Rede halten würde, "dann hören die Leute viele Sprechblasen und sind danach so schlau wie vorher." Wagenknechts Resümee lautet daher klar formuliert:
"Wir brauchen einen politischen Neuanfang."
Die bestehenden Parteien hätten sich in ihren Ideologien "eingegraben". Konzepte wären nicht zu erkennen und sie hätten auch "keinen wirklichen Plan für die Zukunft". Die Gefahr sei daher groß, dass das Land "wichtige Teile unserer Industrie und vor allem unseres industriellen Mittelstands verliert." Wagenknecht stellt weiter fest:
"Diese planlose, inkompetente Politik muss gestoppt werden. Gleichzeitig brauchen wir mehr Leistungsgerechtigkeit und mehr sozialen Zusammenhalt. Außerdem müssen wir weg von der autoritären Anmaßung vieler Politiker, das Volk zu erziehen und ihm vorzuschreiben, wie es zu denken, zu sprechen und zu leben hat."
Viele Bürger könnten mit dem medial-politischen Links-Rechts-Schema, "mit diesen Schubladen nichts mehr anfangen." Wagenknecht kritisiert mit Blick auf den Zustand ihrer politischen Wurzeln:
"Aber heutzutage werden unter links in der Regel Diskurse unter Privilegierten verstanden. Wer Angst vor dem sozialen Abstieg hat oder gerade den nächsten Familienurlaub streichen musste, der kann in Debatten über das richtige Pronomen oder woke Sprachverbote meist wenig Esprit entdecken."
Wagenknecht erhofft sich bei möglichen anvisierten Erfolgen bei der Europawahl eine Signalwirkung an die hiesige Regierungspolitik:
"Dann setzt das die Ampel unter Druck; dann verändern wir Politik in Deutschland."
Und sie stellt weiter fest:
"Besser wäre natürlich, wenn die desolate Ampel sich nicht länger an die Macht klammert und wir möglichst bald den Bundestag neu wählen könnten."
Ihr, beziehungsweise der Anspruch ihrer neuen Partei, sei es, "eine Rückkehr der Vernunft in die Politik" zu erreichen. Zur Not ließen sich jedoch "Veränderungen auch aus der Opposition heraus erreichen, wenn man stark ist." Zum Thema möglicher Koalitionen mit der AfD, stellte Wagenknecht erneut klar, dass diese für sie eine Partei "mit einem vor allem im Osten starken rechtsextremen Flügel" darstelle. Mit "Rechtsextremisten werden wir nicht zusammenarbeiten", so die Politikerin.
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