Seit vielen Jahren wird erklärt, gleiche Chancen für alle Kinder im Bildungssystem wären nur über die Kindergärten zu erreichen. Das war auch der Grund, warum ein Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz eingeführt wurde. Eine neue Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung dürfte nun auch der Mutterpartei SPD Bauchschmerzen verursachen. Sie befasst sich nämlich mit der Frage, welche Folgen die Tatsache hat, dass trotz Rechtsanspruch fast ein Viertel der Kinder, die für einen Platz angemeldet wurden, leer ausgeht.
Bisher wurde oft erklärt, arme oder migrantische Eltern würden ihre Kinder leider, leider viel seltener in den Kindergarten oder die Krippe schicken, was Bildungs- und Sprachdefizite verstärken würde. Nun das überraschende Ergebnis: der Anteil der Eltern, die Kinder anmelden, ist in allen sozialen Schichten, in allen Familienformen gleich hoch. Aber bei der Vergabe der Plätze bleiben sie unterschiedlich oft auf der Strecke.
Bei armen Familien erhält jede dritte keinen Platz, Familien ohne akademischen Hintergrund zu einem Viertel, 27 Prozent der Alleinerziehenden und sogar 39 Prozent der Familien, in denen Deutsch nicht die Muttersprache ist.
Am größten ist diese Differenz im Krippenalter, bis zum Alter von vier Jahren ist sie weitgehend verschwunden. Aber genau die Phase des ersten Spracherwerbs ist damit am Schlechtesten abgedeckt.
Auch im Zusammenhang mit dem Haushaltseinkommen bestätigt sich dieser Befund gerade für Kinder im Alter zwischen ein und drei Jahren. Eltern, deren Einkommen im obersten Viertel der Einkommensskala liegt, haben zu 71 Prozent einen Platz, und nur zu 14 Prozent einen ungedeckten Bedarf. Eltern, deren Einkommen im untersten Viertel liegt, haben nur für 31 Prozent einen Platz. Genauso viele hätten gerne einen, bekommen ihn aber nicht.
Nach wie vor zeigt die Landkarte deutliche Unterschiede zwischen Ost und West. Im Saarland, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen fehlen zwischen 26 und 30 Prozent Kita-Plätze, in den östlichen Bundesländern sind es nur 0-5 Prozent. Dabei ist es in Bremen und NRW besonders nachteilig, alleinerziehend zu sein, während in allen anderen Bundesländern die andere Muttersprache der größte Nachteil bei der Platzvergabe ist.
Aber nicht nur die Zahl der Plätze liegt nach wie vor unter dem Bedarf, auch die Zahl der abgedeckten Stunden. Die Eltern wünschen sich im Schnitt 36 Wochenstunden, bekommen aber nur 30. Auch hier sinkt die Differenz zwischen Erwartung und Erreichtem mit zunehmendem Alter der Kinder.
Nur 17 Prozent der Mütter, die Kinder im Alter von ein bis drei Jahren in einer Kita unterbringen wollen, sind nicht erwerbstätig; die meisten arbeiten in erweiterter Teilzeit (55 Prozent) oder Vollzeit (18 Prozent), nur 10 Prozent in einfacher Teilzeit. Aber 90 Prozent der Mütter, die nicht arbeiten, wollen es; ein Ziel, das ohne den Betreuungsplatz schlicht nicht verwirklicht werden kann. Unter denjenigen, die keinen Platz bekommen, ist der Anteil der Nicht- Erwerbstätigen höher, wobei unklar ist, ob nicht gerade das Fehlen des Platzes der Grund dafür ist; aber auch sie wollen zu 90 Prozent eine Arbeit aufnehmen. Dabei sind es gerade Mütter, die arm sind oder die nicht Deutsch sprechen, die besonders häufig dann eine Arbeit beginnen würden, wenn sie einen Platz hätten.
Dabei sind die Eltern bei ihren Bewerbungen alle recht fleißig; Eltern, bei denen mindestens ein Teil ein abgeschlossenes Studium hat, verschicken ebenso durchschnittlich sechs Bewerbungen wie Alleinerziehende, aber alle anderen bringen es auch auf fünf, auch die Familien, deren Sprache nicht Deutsch ist. An zu wenigen Bewerbungen kann der Unterschied jedenfalls nicht liegen.
Was mit dieser Umfrage natürlich nicht geklärt ist, ist der Einfluss kleinräumiger Unterschiede, ob also beispielsweise in einem ärmeren Viertel schlicht weniger Plätze zur Verfügung stehen als in einem wohlhabenderen. Aber eines ist auf jeden Fall geklärt: dass gerade aus jenen Familien, die nach sozial- und bildungspolitischen Kriterien einen Kita-Platz besonders dringend brauchen, weniger Kinder in eine Kita gehen, liegt nicht an den Eltern. Verantwortlich sind Angebot und Auswahlkriterien. Ein Armutszeugnis, gerade wenn man das Ziel der Integration betrachtet.
Mehr zum Thema - Bildungsbarometer 2023: Unzufriedenheit und schlechte Noten für den Zustand deutscher Schulen