André Wüstner, der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbands, hat einen "politischen Ruck" beim Thema "Wehrhaftigkeit" gefordert. In einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung (SZ) vermittelte er den Eindruck, dass viel über dieses Thema geredet werde, aber wenig passiere.
Der Oberst des Heeres malte die angebliche Gefahrenlage für das Land in schrillen Tönen:
"Um es deutlich zu sagen: Wir befinden uns in der gefährlichsten Phase seit dem Ende des Kalten Krieges. […] Die Schwäche Europas, die Überdehnung der Bundeswehr sowie die Unwuchten in den USA können Gegner dazu motivieren, schon morgen anzugreifen."
Der Gegner bekommt auch schnell einen Namen, wenig überraschend den des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Schaut eigentlich jemand genau hin, was dieser gerade macht, fragt der Offizier. Im SZ-Artikel heißt es weiter:
"Putin könne etwa mit Söldnergruppen ohne Hoheitsabzeichen, damit unterhalb des Artikels 5 des NATO-Vertrags, der den allgemeinen Bündnisfall bedeutet, Länder an der Bündnisgrenze attackieren und testen, "so wie damals die Krim".
Man dürfe Bedrohungspotenziale nicht ignorieren. Wüstner wörtlich:
"Alle müssen verstehen, dass Präsident Putin einen langen Atem hat, dass er mit Unterstützung anderer Autokratien seine Kriegswirtschaft weiter hochfährt und vor nichts zurückschreckt."
Alles hänge mit allem zusammen. Bund und Länder müssten sich viel stärker um Szenarien wie Angriffe auf kritische Infrastruktur, Wasser- und Stromversorgung und Terroranschläge kümmern. Angegriffen werde "unsere Art zu leben:
"Unsere Art zu leben, wird gerade angegriffen, selbst wenn es viele noch nicht wahrnehmen oder wahrnehmen wollen."
Die Anschläge auf die Ostseepipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 erwähnte der Chef des Bundeswehrverbands in diesem Zusammenhang nicht.
Im angeblichen Kampf gegen die Autokratien forderte Wüstner die Stärkung der "gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge" – "Bundeswehr, Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz, Polizei". Auch einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren brachte der Verbandsvertreter wieder einmal ins Spiel. "Teilweise überzogene rechtliche Auflagen" für die Sicherheitsorgane müssten gelockert werden. Es müsse in Hinblick auf den Nahostkonflikt auch gefragt werden, "wie wir auf Gefahren im Innern – Stichwort innerer Notstand, für den Fall, dass die Polizei nicht mehr ausreichend agieren kann – vorbereitet sind".
Als konkretes Problem für die neue deutsche Wehrhaftigkeit machte der Oberst dabei die Personallage bei der Truppe aus. Die Bundeswehr soll wieder auf über 203.300 Mann ("Soldatinnen und Soldaten") wachsen, tatsächlich aber kommt statt mehr weniger Nachwuchs:
"Aktuell haben wir im Bereich Nachwuchsgewinnung aber eine negative Entwicklung."
Die Antwort des Verbandschefs: Information zur Personalgewinnung und Werbung an Schulen – für Bundeswehr, Polizei oder Katastrophenschutz. Denn:
"Was ist schlecht daran, unserem Land zu dienen und unseren Frieden, unsere Freiheit zu verteidigen?"
Wenn die Bundesregierung den Dienst in der Bundeswehr nicht attraktiver mache, werde man um eine erneute Auseinandersetzung "mit Konzepten des Dienstjahres oder der Wehrpflicht" nicht umhinkommen: "Besser, wir fangen damit heute schon an."
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