Der Politikwissenschaftler und Wahlforscher Jürgen Falter hat dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorgeworfen, nicht politisch neutral zu sein und mehrheitlich eine Agenda zu verfolgen. Im Interview mit Ippen.Media erklärte der frühere Professor der Universität Mainz, dass sich die "Tendenz zum Haltungs- oder Überzeugungs-Journalismus" in den vergangenen zwanzig Jahren verstärkt habe, vor allem bei jüngeren Journalisten:
"Man möchte Haltung zeigen und Zuschauer und Hörer zur eigenen Überzeugung bekehren. Viele betrachten heute ihr Medium als Instrument, mit dem man den Leuten die richtige Richtung – und das ist fast nie die rechte – zeigt."
Die Mehrheit der ARD- und ZDF-Journalisten seien Anhänger der Grünen oder definierten sich als links. Das merke man den Programmen auch an:
"Teile von ARD und ZDF arbeiten offen gegen die Mehrheitsmeinung und versuchen diese zu ändern. Das hat etwas Bevormundendes. So fällt die Häufung von Sendungen über vegane Ernährung auf. Man merkt das auch bei Kleinigkeiten wie dem Gender-Stottern, wie Sahra Wagenknecht es einmal nannte."
Auch die Berichterstattung zu den sexuellen Übergriffen auf der Kölner Domplatte in der Silvesternacht 2015 erwähnte der 79-jährige Falter in diesem Zusammenhang:
"Dass das ZDF zwei Tage später als RTL über den Hintergrund der Täter auf der Kölner Domplatte informierte, hat das Vertrauen in die Öffentlich-Rechtlichen erschüttert. Wichtige Informationen zu verschweigen oder Probleme wie die unkontrollierte Migration kleinzureden, ist Wasser auf die Mühlen von Pegida und AfD."
Einseitigkeit warf Falter auch dem ZDF-Clown Jan Böhmermann vor. Bei der Bewertung von dessen Arbeit konstatierte der Professor indirekt doppelte Maßstäbe:
"Wenn er anderen vorwirft, 'Nazis mit Substanz zu sein', das hat er zwar nicht in der Sendung gemacht, sondern in einem Tweet gegenüber der CDU, oder den Kabarettisten Dieter Nuhr als latenten Rassisten darstellt, ist das inakzeptabel. Falls Nuhr, der eindeutig ein liberal-konservativer ist, posten würde, die SPD sei eine linksfaschistische Partei oder die Grünen seien die Untergangster des Abendlandes, wäre das vermutlich seine letzte Sendung in der ARD gewesen."
Bei aller Kritik spricht sich Falter, der durch zahlreiche Auftritte in Wahlsendungen und Talkshows als einer der bekanntesten Politikwissenschaftler des Landes gilt, unter Verweis auf die US-amerikanische Medienlandschaft deutlich gegen eine Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus:
"Die Öffentlich-Rechtlichen abzuschaffen, würde meines Erachtens zu einer totalen Zerlegung der Meinungssphäre in der Öffentlichkeit führen."
Durch die sozialen Medien und den Rückgang der Presse sei "die frühere bundesweite Kommunikationsgemeinschaft" bereits heute in zahlreiche kleine Meinungssphären aufgespalten, in denen sich jeder bestätigt fühlen könne.
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