Nachdem seitens der Regierung und auch seitens der Bundesnetzagentur immer wieder betont wurde, wie wunderbar voll die Erdgasspeicher seien, gab die Bundesnetzagentur nun zu, dass die Lage doch nicht so rosig ist. Tatsächlich liegt es einzig an der Wetterentwicklung, ob das vorhandene Erdgas genügt.
Das war bereits im vergangenen Winter das eigentliche Problem, und es wurde nur durch die vergleichsweise milden Temperaturen überdeckt: Die Gasspeicher in Deutschland waren nie dazu gedacht, eine Versorgung über den ganzen Winter abzudecken. Sie wurden ursprünglich überwiegend während des Kalten Krieges gebaut und sollten die Erdgasversorgung der damals noch kleineren Bundesrepublik für einen Zeitraum von drei Monaten sichern können. Gasheizungen waren jedoch zu der Zeit, als diese Speicher gebaut wurden, bei weitem noch nicht so verbreitet wie heute – derzeit heizt jeder dritte deutsche Haushalt mit Erdgas.
Während die Bundesnetzagentur die Schwierigkeiten, die ein kalter Winter mit sich bringen könnte, vornehm als "Restrisiko" beschreibt, formuliert es der Gasspeicher-Betreiber INES deutlicher:
"Wenn es uns nicht gelingt, vor dem Winter weitere schwimmende LNG-Terminals in Betrieb zu nehmen, können bei extrem kalten Temperaturen vermutlich nur noch zusätzliche Einsparbemühungen einen Gasmangel vermeiden."
Zur Erinnerung: Im vergangenen Winter durfte in den meisten öffentlichen Gebäuden nur noch bis 18 Grad geheizt werden, mit den erwartbaren Folgen bei den Krankenständen. Auch Schulen waren wieder betroffen. Das Bundeswirtschaftsministerium verteilte Aufforderungen, nicht länger als fünf Minuten zu duschen. Dabei wurden diese Sparzwänge zusätzlich von den extremen Kosten gefördert, die dazu führten, dass viele Menschen es sich ohnehin gar nicht leisten konnten, normal zu heizen.
Aber der letzte Winter war mild. Die nun erneuerte Warnung erfolgt vor dem Hintergrund, dass der Verbrauch der Industrie im Vergleich zu den Vorjahren bereits um 20 Prozent gefallen ist; denn viele energieintensive Unternehmen haben schlicht geschlossen.
Ein weiterer Bestandteil des "Restrisikos" ist nach Aussage von Bundesnetzagenturchef Klaus Müller völlig wetterunabhängig. Demnach "gebe es die Gefahr ausbleibender russischer Gaslieferungen an südosteuropäische Staaten, die dann über Deutschland mitversorgt werden müssten", zitiert ihn der Merkur. Bei den besagten "südosteuropäischen Staaten" dürfte es sich vor allem um die Ukraine und um Moldawien handeln, die beide trotz ihrer Politik immer noch mit russischem Erdgas beliefert werden. Für den Fall, dass Russland sein diesbezügliches Verhalten ändern sollte, dürften die Deutschen dann doppelt für die Ukraine frieren.
Der letzte Winter mit einer deutlich nach unten abweichenden Durchschnittstemperatur war der Winter 2009/10 mit einer Durchschnittstemperatur von minus 1,7 Grad Celsius. Statistisch gesehen ist ein derart kalter Winter inzwischen überfällig.
Der Speicherbetreiber INES hat Szenarien durchgerechnet, nach denen die Speicher in einem kalten Winter selbst dann, wenn das Heizverhalten des letzten Winters beibehalten würde, leerlaufen könnten. Um der Industrie dann nicht das Gas völlig abdrehen zu müssen, sieht INES-Geschäftsführer Heinermann die Rettung bei noch niedrigeren Heiztemperaturen für das Gewerbe und vor allem die Haushalte.
"Bei extrem kalten Temperaturen können zusätzliche Einsparbemühungen vor allem dieser Gruppe große Beiträge für eine gesicherte Versorgung der Industriekunden in Deutschland leisten."
Konkrete Details, wie diese "zusätzlichen Einsparbemühungen" aussehen sollen, wenn Außentemperaturen unterhalb von zwanzig Grad unter Null auftreten (was in Deutschland im Schnitt alle zehn Jahre für längere Zeit geschieht), liefert Heinermann allerdings nicht.
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