Seit dem Frühjahr 2023 läuft vor dem Landgericht in Koblenz ein Prozess gegen eine politische Gruppierung, deren Selbstbezeichnung von Behörden und Presse mit "Vereinte Patrioten" kolportiert wird. Die Anklage wirft den mutmaßlichen "Verschwörern" vor, Sprengstoffanschläge gegen Infrastruktureinrichtungen und die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplant zu haben.
Offensichtlich weiten Polizei und Justiz ihr Vorgehen gegen "Vereinte Patrioten" und sogenannte "Reichsbürger" aus. So wurden am heutigen Dienstag in mehreren Bundesländern Hausdurchsuchungen bei vorgeblichen Angehörigen dieser Gruppierungen und in deren Umfeld durchgeführt. Dabei kam es zu sechs Festnahmen in verschiedenen Bundesländern.
Koordiniertes Vorgehen in mehreren Bundesländern
Wie die Welt berichtet, seien in Rheinland-Pfalz ein 52-jähriger Mann aus dem Kreis Trier-Saarburg und eine 32-jährige Frau aus dem Kreis Bad Dürkheim verhaftet worden. Ihnen wird die Unterstützung beziehungsweise die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zur Last gelegt. Ob die Festgenommenen in Untersuchungshaft kommen, stand im Laufe des Tages noch nicht fest.
In dem Prozess, der seit Mai 2023 in Koblenz läuft, wird gegen vier Männer im Alter von 44 bis 56 Jahren und eine 76-jährige Frau verhandelt. Der Vorwurf lautet auf Gründung beziehungsweise Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.
Einer weiteren 53 Jahre alten Verdächtigen, ebenfalls aus Bad Dürkheim, wird vorgeworfen, über die Planungen im Bilde gewesen zu sein, sie gebilligt, aber nicht angezeigt zu haben. Bei den drei Verdächtigten aus Rheinland-Pfalz seien Mobiltelefone, Speichermedien und schriftliche Unterlagen beschlagnahmt worden.
Zu Durchsuchungen und Festnahmen sei es außerdem in Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Hessen, Bayern und Baden-Württemberg gekommen. So sei in Hessen im Kreis Bergstraße ein 61-jähriger Mann festgenommen worden. In seinem Fall lautet der Vorwurf auf Vorbereitung eines "hochverräterischen Unternehmens", auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat". Bei ihm wurde ebenfalls eine Hausdurchsuchung durchgeführt, im Zuge derer "zahlreiche" elektronische Datenträger, "eine Armbrust, eine Luftdruckwaffe" sowie "verschiedene Dokumente" sichergestellt worden seien.
Auch in Nordrhein-Westfalen sei ein 49-jähriger Mann aus dem Kreis Mettmann festgenommen worden, der in der Region eine "Führungsrolle" bei der Durchführung von geplanten Anschlägen auf die Energieversorgungsstruktur hätte übernehmen sollen. Darüber hinaus hätte er eine Funktion in der ersten Sitzung einer neuen Regierung übernehmen sollen. In seinem Fall lautet der Vorwurf auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung von Hochverrat. Der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft habe den genauen Ort der Hausdurchsuchung und Festnahme nicht nennen wollen, hieß es.
In Thüringen habe es eine Durchsuchung bei einem 59-jährigen Mann in Meiningen gegeben. Auch hier seien Datenträger und weitere Unterlagen sichergestellt worden, zudem ein "Reizstoffsprühgerät". Festgenommen wurde der Beschuldigte nicht, da ihm nur die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, aber nicht die Mitgliedschaft darin vorgeworfen werde. Bis auf Weiteres befinde sich der Mann auf freiem Fuß.
Beschaffung von Waffen für die Entführung von Lauterbach?
Zu einer Festnahme kam es auch im bayerischen Wolfratshausen, wie die Generalstaatsanwaltschaft München mitteilte. Der Beschuldigte dort habe sich bereit erklärt, sich an der angeblich geplanten Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu beteiligen. Für die Entführung habe der 41-jährige Mann Schusswaffen aus Kroatien besorgen wollen. Allerdings habe man bei der Razzia in Wolfratshausen keine scharfen Waffen gefunden. Angeblich sei der Deutsche schon länger im Visier der Ermittler – unter anderem wegen Volksverhetzung.
Nach bisherigen Erkenntnissen sollen die "Vereinten Patrioten" einen Staatsstreich anstreben und auch eine neue Verfassung, die sich an diejenige des Deutschen Kaiserreiches von 1871 anlehnen würde. Die Verfassungsschutzbehörden schätzten der Welt zufolge die "Szene" der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" – Gruppierungen, die die Bundesrepublik Deutschland als illegitim oder formalrechtlich nicht-existent betrachten – auf eine Zahl von etwa 23.000 Personen. Im vergangenen Jahr sollen es 2.000 mehr geworden sein.
Mehr zum Thema - "Reichsbürger-Razzia" vor geplantem Systemumbruch? Vorhang auf und Action!