Am Dienstag war der früher erfolgreiche ukrainische Profiboxer Wladimir Klitschko vom ZDF zur Talkshow "Markus Lanz" eingeladen. In der Runde saßen außerdem noch Klitschkos langjährige Geschäftspartnerin Tatjana Kiel sowie eine Journalistin der Wochenzeitung Die Zeit. Das einzige Thema war die einhellige Sicht auf den Ukrainekrieg, zu Diskussionen oder gar dem Austausch unterschiedlicher Meinungen kam es dabei nicht. Klitschko durfte als ukrainischer Kronzeuge auftreten und hielt immer wieder kleine Referate, nachdem ihm Lanz dafür die nötigen Stichworte zugerufen hatte.
Was das ganze Schauspiel bedeutete, wurde zum Schluss der Sendung noch einmal sehr deutlich. Klitschko bedankte sich artig bei der Bundesregierung und dem zustimmenden Teil des deutschen Volkes für die bisher geleistete Hilfe. Dann bekundete Klitschko aber doch mahnend seine Sorge, dass die Deutschen jetzt kriegsmüde würden.
Die Preise seien höher, das Leben habe sich verändert. Aber Klitschko weiß, dass es wie im Sport auch im Krieg um Ausdauer gehe. Ausdauer schlage alles, selbst "die zweitgrößte Armee der Welt", die russische also meint er. Es gebe positive Ergebnisse, betonte Klitschko, auch jetzt "in dieser Counter-Offensive". Langsam, mühsam, mit Verlusten, aber man komme voran. Denn der "Frieden in Europa" müsse gerettet werden. Dass Klitschkos Auftritt Teil einer Medienkampagne war, sprach dann seine Geschäftspartnerin Kiel an einer Stelle offenherzig aus.
Klitschko: Konstantinowka von S-300 beschossen
Damit der unbedarfte ZDF-Zuschauer von der Richtigkeit der Unterstützung Kiews überzeugt bleibt, drückten Klitschko, Lanz und Co. ordentlich auf die Tränendrüsen. Klitschko beschwor gleich als Einstieg Bilder eines totalen Krieges. Nach diesen eindrücklichen Schilderungen aus der Ukraine mutmaßte Lanz: "Ich entnehme dem, Sie sind auch häufiger an der Frontlinie?" Das war allerdings weit gefehlt. "Ich war an der Frontlinie", antwortet Klitschko vage. Dann wärmte er noch die Falschmeldung über den angeblichen Beschuss der Frontstadt Konstantinowka durch russische S-300 auf.
Selbst die New York Times war zwar bereits vor über einer Woche dank eigener Recherchen zu dem Schluss gelangt, das Geschoss, welches am 6. September einen Markt der Stadt traf und dort 17 Zivilisten in den Tod riss, von den ukrainischen Streitkräften stammte. Doch da Lanz Klitschkos Darstellung nicht widersprach, legte der mit dem doppeldeutigen Satz nach: "Wenn du in der Ukraine bist, es gibt keine Sicherheit, dass du am Leben bleibst."
Auch Klitschkos Behauptung, dass Russland nach der Ukraine ganz gewiss die baltischen Staaten und dann Polen angreifen wolle, ließ Lanz ohne Stirnrunzeln durchgehen. Stattdessen wollte er zurück zum aktuellen Kriegsgeschehen. Klitschko müsse doch damit rechnen, dass er einberufen werden kann. Doch der Profiboxer weicht wieder geschickt aus. Nicht alle Ukrainer sollten und müssten an der Front sein.
Klitschko: Russen haben "Sklavengefühl"
Doch Lanz will es von ihm selbst wissen: "Und du wärst dazu bereit?" Klitschko scheint in die Ecke gedrängt. "Ich bin nicht nur bereit. Ich war schon an der Front ... um die Eindrücke zu schaffen." Mit Front meint Klitschko die Stadt Kiew, die zum Beginn des Kriegs Teil der Front gewesen sei, und ziemlich unbestimmt nennt er noch den "Südosten der Ukraine". Auch das klingt wenig überzeugend.
Dann will Klitschko doch noch zum Befreiungsschlag ausholen, trifft aber heroisch daneben: "Nein, ich bin nicht bereit, für das Land zu sterben. Ich bin bereit, für das Land zu leben. Das ist eh komplizierter als sterben." Komplizierter vielleicht, aber persönlich bestimmt auch angenehmer. Er meint das daher noch erläutern zu müssen. Das sei aber der Unterschied zwischen Ukrainern und Russen. Ukrainer wollten leben, Russen eher nicht, wie er gehört habe:
"Ich habe selbst gehört, dass in normalen Zahlen die russischen Soldaten, die nach vorne rennen, mit Waffen oder sogar ohne Waffen, werden fallen, werden gekillt. Und dann kommen die neuen und neuen in solchen Wellen und wieder und wieder."
Der Grund dafür, dass sich Russen sklavisch in den Tod werfen würden, sei eine Art Sklavenmentalität, Klitschko nennt es "Sklavengefühl". Ukrainer seien anders: "Wir sind freie Menschen." Daher sei die Mehrheit der ukrainischen Soldaten auch freiwillig an die Front gegangen. Umgekehrt sitzt Klitschko nun ebenso völlig freiwillig in einer ZDF-Gesprächsrunde, anstatt in einem Schützengraben zu kämpfen. Ob Klitschko wenigstens Schießübungen mache, um sich auf den Kampf vorzubereiten, fragt Lanz dann noch. Aber Klitschko wiederholt nur: Nicht alle Ukrainer würden an der Front gebraucht. "Es ist wirklich sehr, sehr, sehr komplex."
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