Im Rahmen seines tagespolitischen Geschäfts war Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), laut eigenen Darlegungen in einem Interview mit dem SPD-nahen RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), zu Gast bei einer Konferenz mit Bürgermeistern und Landräten. Habeck gab dem RND zu Protokoll, dass ihm dort "von Überlastung und Überforderung berichtet worden" sei. Diese Darlegungen hätten ihn nun zu der Erkenntnis gebracht, dass in den Kommunen "eine Belastungsgrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen erreicht worden" ist.
Besorgte, wie verzweifelte Bürgermeister und Landräte "wüssten an vielen Stellen nicht mehr weiter", so der Kinderbuchautor im RND-Interview, um gewohnt reflektiert festzustellen:
"Wir haben eine große Herausforderung für das Land zu bewältigen."
Laut seiner Wahrnehmung herrsche, den Schilderungen der Konferenzteilnehmer zufolge, "eine gewisse Dramatik" in der für ihn anscheinend unbekannten Realität in den betroffenen Regionen. So schildert Habeck zusammenfassend seine neu gewonnene Erkenntnis:
"Sie sagen, dass sie an vielen Stellen nicht mehr wissen, wie sie die Probleme lösen sollen. Sozialarbeiter kommen kaum noch hinterher, Wohnraum ist knapp. Sie können die Unterbringung kaum noch und bald gar nicht mehr gewährleisten. Die Integrationskurse sind unterfinanziert."
Habeck berichtet dem RND von für ihn weiteren neuen Informationen, zum Beispiel darüber, dass ihm "gesagt wurde: Wenn weiterhin so viele Menschen so schnell kommen, bleiben uns außer Turnhallen keine Unterkünfte mehr. Daraus ergäben sich dann zeitnahe – eigentlich bekannte und wiederkehrende – Probleme, so der Minister erklärend:
"Wenn dann der Turnunterricht ausfällt, kann man nicht erwarten, dass alle Bürger sagen: 'Wir kriegen das schon hin'."
Für ihn zeige sich daher schlussfolgernd die einzige sich abzeichnende Problemlösung:
"Wenn wir nicht wollen, dass der Rechtspopulismus dieses Thema ausbeutet, dann sind alle demokratischen Parteien verpflichtet, bei der Suche nach Lösungen zu helfen."
Dafür müssten auch pragmatische Lösungsmodelle erkannt und umgesetzt werden. Seine Partei hätte daher "regierungsseitig" einem gemeinsamen Europäischem Asylsystem zugestimmt, das unter anderem Asylverfahren an den Außengrenzen der EU vorsieht, auch "wenn dies schwierig war für viele Grüne". Zum Schutz und zur Aufrechterhaltung eines "Rechts auf Asyl" sei für ihn und seine Partei die nun größte Herausforderung:
"Die Wirklichkeit annehmen und die konkreten Probleme lösen – auch, wenn es bedeutet, moralisch schwierige Entscheidungen zu treffen. Wir wissen, dass wir eine Verantwortung für den Zusammenhalt in diesem Land tragen."
Habeck erkenne nun eine Notwendigkeit "für die Beschleunigung von Abschiebungen durch neue Vereinbarungen mit den Herkunftsländern". Im Interview erläuterte er weiter:
"In der Praxis löst eine Obergrenze kein einziges Problem, weil im Zweifel doch mehr Menschen kommen. Die Vorstellung, man könne das Problem mit einer Zahl lösen, erhöht am Ende nur den Grad der Enttäuschung. Effektiver sind Migrationsabkommen, die auch die Rückkehr abgelehnter Asylsuchender beinhalten."
Es sei daher nötig, die Ausländerbehörden zu entlasten. Habecks inhaltliche Vorstellungen beziehen sich dabei jedoch anscheinend nur auf eine spezifische Gruppe von Asylanträgen. So heißt es im Interview wörtlich:
"Deshalb werden wir es möglich machen, dass die Aufenthaltserlaubnisse für Ukrainerinnen und Ukrainer pauschal verlängert werden können statt individuell."
Zu den stetig steigenden Zahlen von Asylsuchenden aus Krisen- und Kriegsgebieten wie Syrien, Irak und Afghanistan sowie von osteuropäischen Wirtschaftsflüchtlingen nannte Habeck keine Ideen für deren effektive Bewältigung. Für ihn bestünden lediglich "zu viele bürokratische Hürden beim Zugang zum Arbeitsmarkt", so der Wirtschaftsminister, um in politischer Floskelmanier darzulegen:
"Wir haben einen Mangel an Arbeitskräften. Es ist doch in unserem Interesse, dass Menschen, die schon hier sind, ihren Beitrag zum Gemeinwohl leisten und ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können. Und natürlich brauchen die Kommunen die nötige finanzielle Unterstützung."
Innenministerin Nancy Faeser gab wiederum gegenüber der Welt zu verstehen, dass sie "die Nöte der Kommunen gut kenne". Zur Beruhigung der Bürger hätten "die Ministerpräsidenten sich mit dem Bundeskanzler verabredet, im November ein atmendes System auf den Weg zu bringen". Dieses sehe vor, dass eine Kommune, die "mehr Geflüchtete unterbringt … auch mehr Geld [bekommt]. Wenn weniger da sind, weniger." Dieses System orientiere sich "an den tatsächlichen Kosten der Kommunen".
Sie gehe fest davon aus, dass "uns das gemeinsame europäische Asylsystem gelingen wird", um ihre Vorstellungen einer dringend benötigten Problemlösung zu präsentieren:
"Es ist menschlicher und sinnvoller, die Staaten von der Rücknahme zu überzeugen, aus denen die Flüchtlinge stammen, als Menschen in Staaten zu bringen, mit denen sie nichts zu tun haben. Das gelingt, indem wir diesen Staaten Angebote machen, etwa legale Wege für die Arbeitsmigration eröffnen. So gewinnen wir auch Fachkräfte, die wir dringend brauchen".
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