Correctiv checkt AfD-Russland-Beziehungen

Der sogenannte Faktenchecker Correctiv hat die Beziehungen zwischen der AfD und Russland auf den Prüfstand gestellt, offenbar mit dem Ziel, sie zu skandalisieren. So schwarz-weiß, wie Correctiv den Sachverhalt darstellt, ist er natürlich nicht.

Von Björn Kawecki

In einem effektreichen, mit Karten, Zeitstrahlen und Zitaten gespickten Beitrag hat der sogenannte Faktenchecker Correctiv am Freitag die Beziehungen zwischen der Alternative für Deutschland (AfD) und Russland auf den Prüfstand gestellt. Im Zentrum der Aufmerksamkeit rückte Correctiv insbesondere die Besuche einzelner AfD-Abgeordneter in Russland, Aussagen von AfD-Abgeordneten mit Bezug auf Russland und Positionen aus mehreren AfD-Wahlprogrammen. Das Ziel des Beitrags war es offenbar, die positiven Bezugnahmen der AfD auf Russland zu skandalisieren. Stellenweise ergibt sich noch der Eindruck, dass es auch darum ging, den Ausgang der bevorstehenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen zu beeinflussen, da Kandidaten der jeweiligen Landesverbände sowie explizit das Wahlprogramm der Bayern-AfD hervorgehoben werden. Wie drängend dies wäre, steht auf einem anderen Blatt, denn die AfD ist laut Umfragen in beiden Ländern längst nicht so stark wie im Osten Deutschlands.

Zwischen den Zeilen wird dabei das unter Gegnern der AfD verbreitete Klischee einer fünften Kolonne Moskaus in Europa in Form rechtspopulistischer Parteien transportiert. So heißt es im Aufmacher reißerisch: "Das Ziel ist Russland". Gemeint ist, dass sich die AfD außenpolitisch angeblich Russland andiene.

Das Titelbild des Artikels zielt in die gleiche Richtung. Dabei handelt es sich um eine Fotomontage des russischen Präsidenten Wladimir Putin und des AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla in Anlehnung an den ikonischen sozialistischen Bruderkuss von Leonid Breschnew und Erich Honecker. Vergessen wird bei solchen Parallelen gern, dass die offiziellen Beziehungen der meisten europäischen Länder, darunter Deutschland, zu Moskau bis zum Ausbruch des Ukrainekriegs im Februar 2022 zwar angespannt, aber von Stetigkeit geprägt waren. Der AfD, könnte man sagen, wird im Grunde unterstellt, die Politik des Ausgleichs und der Entspannung fortzusetzen, die lange Zeit in Berlin zur Regierungslinie gehörte, aktuell aber nicht mehr.

Ausgleich und Balance statt Andienung oder Einseitigkeit

Correctiv stellt die Positionen der AfD bezüglich Russland abwertend als "langen Weg nach Osten" dar. Zur Stützung dieser Behauptung führt Correctiv ein Zitat der Bayern-AfD an, die sich für die Aufrechterhaltung "etablierter Gesprächskanäle" aussprach, und zwar nach dem Vorbild Ungarns und Serbiens. Wenn man sich auf das Bild vom "Weg nach Osten" einlassen möchte, das doch recht geschwollen daherkommt, ist es womöglich nicht ganz falsch, aber doch eine drastische Übertreibung.

Tatsächlich entfernte sich die AfD von dem seit ihrer Gründung bestehenden Label als liberal-konservative Partei nach CDU/FDP-Vorbild mit einem eindeutigen Bekenntnis zur Westbindung. Dass ausgerechnet Ungarn der Bayern-AfD als Vorbild dient, ist dem Umstand geschuldet, dass Ungarn zwar Mitglied in den wichtigsten westlichen Bündnissen EU und NATO ist, gleichzeitig aber zur Wahrung der ungarischen Interessen um gute Beziehungen zu Russland und China bemüht bleibt. Für Ungarns Außenminister Péter Szijjártó gibt es gute Gründe. Wiederholt betonte er, dass historisch betrachtet kleinere Staaten von guten Ost-West-Beziehungen in der Regel profitiert haben, während Spannungen und Kriege ihnen schadeten. Damit geht es Ungarn eindeutig um eine Außen- und Handelspolitik, die auf Ausgleich und Balance setzt, nicht auf Andienung oder Einseitigkeit. Die Balance zwischen Osten und Westen zu halten, wünschen sich offenbar auch Teile der AfD.

Dass es eine "systematische Verschiebung der AfD nach Russland" gab, behauptet Correctiv trotzdem und setzt mit ihrer Auflistung von Belegen im Jahr 2014 bei der Annexion der Krim an. So soll es im selben Jahr zu Gesprächen zwischen Alexander Gauland, damals Vorsitzender der AfD Brandenburg und Mitglied im Bundesvorstand, in der russischen Botschaft gekommen sein. Weitere Anklagepunkte von Correctiv sind die Besuche mehrerer AfD-Politiker in Russland, auf der Krim oder in den "von Russland unterstützten separatistischen Gebieten" Lugansk und Donezk. Ein konkreter Grund, weshalb die Besuche verwerflich waren, wird nicht genannt. Die Kontaktschuld ist offenbar ausreichend.

Anders ist es auch nicht zu erklären, weshalb die Reisen diverser AfD-Politiker "besonders auffällig" gewesen oder als "gezielte" beziehungsweise "bewusste Provokation" gedacht sein sollten, wenn über die Gründe der Reisen aus dem Artikel nur wenig bekannt wird. Kritikwürdig ist für Correctiv bereits, dass sich der AfD-Abgeordnete Stefan Keuter im Jahr 2018 zur Wahlbeobachtung in der Hauptstadt der russischen Republik Tatarstan einfand.

Darf nicht fehlen: Philosoph Dugin

Ähnlich konstruiert wirken auch die Vorwürfe gegen angebliche "Russlandfreunde" in der AfD, namentlich der AfD-Vorsitzende in Thüringen, Björn Höcke, die Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch, der Bundestagsabgeordnete aus Sachsen, Matthias Moosdorf, und der ehemalige Vorsitzende der Jungen Alternative, Markus Frohnmaier, die sich in der einen oder anderen Form abweichend vom politisch korrekten Mainstream äußerten. Weitere Gedankenverbrechen verübten laut Correctiv auch die Bundesvorsitzenden, die den USA Veantwortlichkeit am Ukrainekrieg zuschreiben (Chrupalla) und die Beteiligung Deutschlands an dem Krieg ablehnen (Weidel).

Der Correctiv-Artikel wäre jedoch nicht komplett, wenn nicht wenigstens einmal der Name Aleksandr Dugin fallen würde, der in Deutschland gern als Strippenzieher des russischen Präsidenten dargestellt wird. Dugin, so wird von Correctiv unterstellt, habe den Begriff der Multipolarität entscheidend geprägt, und Maximilian Krah, seines Zeichens AfD-Spitzenkandidat für die EU-Wahl 2024, verwende diesen Begriff in dessen Sinne.

Laut Correctiv würde es in der multipolaren Welt darum gehen, die Welt in Einflusszonen einzuteilen, in der der Stärkste nach Belieben schalten und walten solle. Dabei widerspricht diese Darstellung bereits der Stelle in Krahs aktuellem Buch "Politik von Rechts", die Correctiv selbst anführt und an der Krah betont, dass Multipolarität auf die Selbstorganisation der Regionen der Welt ziele, also ohne einen globalen Hegemon etwa in Gestalt der USA. Dazu gehöre auch eine regionale Ausformung von Menschenrechten, die laut Krah (und ebenso Dugin) "je nach Kulturkreis" verschieden ausfallen könne. Für Correctiv birgt diese Formulierung "Sprengstoff", da hiermit die "unveräußerlichen und universellen Menschenrechte" aufgegeben würden, was angeblich der Verfolgung und Folter Tür und Tor öffnen würde, eine Polarisierung, die Teil eines authentischen Weltbildes ist, aber nicht die Position Krahs oder Dugins wiedergibt.

Abkehr von USA, Hinwendung zu Europa

Genauso kritisch wie die Multipolarität sieht Correctiv die Verwendung des Begriffs Eurasien, angeblich ein Kampfbegriff eines von Russland dominierten Europas. Behauptet wird, dass innerhalb der AfD seit 2014 das Bekenntnis zur NATO und zu den USA zunehmend verblasst sei, während die Beziehungen zu Russland immer größeren Raum einnähmen. Selbst die EU wolle die AfD verlassen oder auflösen, was nicht richtig ist. Die Formulierung im entsprechenden Leitantrag auf dem Parteitag im August in Magdeburg, auf den Correctiv Bezug nimmt, wurde später zurückgenommen. Alice Weidel sprach sich in der Folge für eine schlankere Union aus und der deutsche Austritt aus der EU wird lediglich als letzte Option gesehen, wenn alle Reformbemühungen scheitern sollten.

Und im AfD-Beschluss zur Europawahl 2024, den Correctiv selbst zitiert, heißt es, dass "man jegliche Dominanz außereuropäischer Großmächte in der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik ablehne". Richtig ist also, dass sich die AfD in ihrem Programm von den USA abwendet, und zwar zugunsten eines klaren Bekenntnisses zum Politik-, Kultur- und Wirtschaftsraum Europa, das man von der Europäischen Union unterschieden wissen will. Dieses Bekenntnis ist kein Selbstzweck, sondern wird als Voraussetzung begriffen, dass die europäischen Staaten ihre "natürlichen Interessen" verfolgen können, darunter "fruchtbare Handelsbeziehungen im europäisch-asiatischen Raum".

Dass manche Positionen zu Russland und zum Ukrainekrieg in der AfD durchaus umstritten und die Diskussionen keineswegs abgeschlossen sind, führt Correctiv zwischendurch selbst an. Insgesamt bleibt vom Artikel jedoch wenig mehr als ein Rundumschlag gegen die AfD und einzelne Politiker übrig. Wer noch nicht wusste, dass es in der AfD Sympathien beziehungsweise politische Erwägungen gibt, die nicht grundsätzlich pro-westlich und transatlantisch sind, der weiß es eben jetzt, und wer es darauf anlegt, diese Positionen anlässlich der nächsten Schmährede gegen die AfD zu skandalisieren, wird bei Correctiv fündig werden. Interessanterweise schienen insbesondere die angeführten Zitate, mit der Stoßrichtung des Artikels mehr als einmal zu kollidieren. Selbst nach mehrfachem Anstrich ist eben doch nicht alles schwarz oder weiß.

Mehr zum Thema – Gemeinsame Front: AfD und FPÖ im Schulterschluss gegen Corona-, Klima- und Ukraine-Wahnsinn