Die sonntägliche Talk-Sendung Anne Will, inklusive der Redaktion und Moderatorin, ist seit Jahren bekannter nützlicher Garant und Zuarbeiter einer medial-politischen Kooperation, bezogen auf die regelmäßige Kolportage regierungsfreundlicher Inhalte. Anstatt vier Sitzmöglichkeiten, um eine theoretische Ausgeglichenheit in den inhaltlichen Darlegungen zu ermöglichen (zum Beispiel 2:2), hieß es daher am 17. September manipulativ in der Vorauswahl erneut 4:1. Vier Gäste positionierten sich als Ukraine-Versteher und Unterstützer, alleinig die "Noch-Linke" Sahra Wagenknecht als benötigte Staffage und Unterstützerin einer diplomatischen Friedenslösung. Das Thema, als bewusst gelegte Zündschnur einer beabsichtigten inhaltlichen Stimmung, lautete:
"Mühsame Offensive, ferner Frieden – Braucht die Ukraine noch mehr Unterstützung?"
Geladen wurden des Weiteren der SPD-Politiker Michael Roth (Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag), der CDU-Außenpolitiker und "Oberst a.D." Roderich Kiesewetter, Zeit-Journalistin Rieke Havertz und der "Historiker und Osteuropa-Experte" Karl Schlögel. Ob dabei Schlögel bewusst die Rolle der militärisch-verbalen Dampframme im Vorgespräch zugeordnet bekam, oder schlicht mit Wagenknecht, die laut Anmoderation "einen Stopp aller Waffenlieferungen fordert", ein privates und offensichtliches Problem offen ausgetragen wissen wollte, ist nicht bekannt.
Bundeskanzler Scholz "zögert, der Ukraine Taurus-Marschflugkörper zu liefern, die sich die Ukraine aber sehr dringend wünscht", wird der ARD-Zuschauer gleich zu Beginn erinnernd aufgeklärt. Es folgt ein vorbereiteter Einspieler, mit jüngsten Erfolgsmeldungen ukrainischer Aktionen gegen die russische Armee. Dies seien "Signale an die Verbündeten". Außenministerin Baerbock hätte zudem jüngst in den USA "gezielt in dem republikanischen Lager" für eine weitere militärische Unterstützung der Ukraine geworben. Abschließend, "der ukrainische Außenminister kritisiert das deutsche Zögern", hinsichtlich der Lieferung von noch tödlicheren Waffen, da "es nur eine Frage der Zeit" wäre, bis Deutschland seine Blockadehaltung final aufgebe, so Kuleba auf einer Pressekonferenz wörtlich am 11. September, neben Baerbock stehend. Herr Schlögel darf dann als Erster das Wort ergreifen, auf die Frage, ob der ukrainische Außenminister Bundeskanzler Olaf Scholz "gar nicht mehr ernst" nähme.
Dem wäre nicht so, da ja Deutschland "entscheidend" der Ukraine mit seinen Waffenlieferungen gezeigt und belegt hätte, dass man solidarisch an ihrer Seite stehe. Die Ukraine kämpfe für den Historiker "um ihre Existenz", da dürfe ein Außenminister auch mal "den Ton der Verzweiflung anstimmen", dies sei "mehr als nachvollziehbar". Herr Schlögel fasst zusammen:
"Die Bilder haben das gezeigt, die Ukraine kämpft … sie hat in den letzten Tagen gezeigt, dass sie auch erfolgreich kämpfen kann, mit Waffen, die die Briten, die Franzosen geliefert haben. Und deswegen gibt es eigentlich keinen Grund, zu zögern. Man soll die Waffen liefern, die es der Ukraine erlauben, den Feind aus dem Land zu treiben."
Der Zuschauer erfährt, dass der Historiker gerade in Charkow war und mit Einheimischen gesprochen hätte. Es folgte eine subjektive Frontberichterstattung mit persönlichen Einfärbungen. Diese Erfahrungen machte er dann Sahra Wagenknecht im Verlauf der Sendung zum manipulativen Vorwurf. So attackiert er die Politikerin mit den Worten:
"Waren sie einmal da? Waren sie einmal in den Städten? Sie reden hier von Frieden und die Ukraine bekommt jeden Tag vorgeführt, was passiert, wenn sie in die Knie gehen."
Regelrecht in Rage erweitert er an anderer Stelle die Vorwürfe, nach Erwiderungen und Darlegungen von Wagenknecht:
"Ich bin erstmal total schockiert, über die Rhetorik des sich hinweg Redens, über das, was der Fall ist (…) Die Rhetorik, der ich überhaupt nichts entgegenzusetzen habe, von Frau Wagenknecht, ist Angst zu machen, sie ist eine Bewirtschafterin der Angst, das ist Ihr Kapital. Sie hat nichts beizutragen, so wie sie reden, haben sie überhaupt keine Angst, sondern sie können die Angst Anderer instrumentalisieren. Das ist ihr Geschäft. Offensichtlich die Geschäftsgrundlage dessen, was sie mit der AfD planen. Sie sind die Putinsche Stimme in Deutschland, zusammen mit der AfD."
Nachdem die Zeit-Journalistin mögliche zukünftige Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien als "Scheinverhandlungen zu Putins Bedingungen" bezeichnen durfte, kam Sahra Wagenknecht das erste Mal nach rund 16 Minuten zu Wort. Die Frage von Frau Will lautete allen Ernstes, ob die Ansage von Olaf Scholz, "Taurus-Marschflugkörper technisch so vorab prüfen zu lassen – die Industrie hätte mitgeteilt, das kann wohl klappen –, dass sie keine Ziele in Russland erreichen können", ihr nun erlaubte "den Kanzler mal zu loben.
Wagenknecht erinnert an die nachweisliche Realität, dass noch nie ein Krieg über weitere forcierte Waffenlieferungen zu einem Frieden geführt hätte, demgegenüber jedoch sinnbringende Gespräche. An der Stelle, wo Wagenknecht inhaltlich darlegen wollte: "Und die These, dass wenn wir immer mehr Waffen liefern …", unterbrach sie Moderatorin Will mit der beeindruckenden Frage:
"Warum schließen sie das aus, Frau Wagenknecht, warum kann es nicht genau dazu führen, dass Putin so sehr in die Defensive gerät, dass er zumindest Verhandlungen, zu echten Verhandlungen, bereit wär?"
Wagenknecht erinnert die vier Gegendiskutanten, dass jede bisherige forcierte Waffenlieferung medial-politisch als "Game-Changer" präsentiert wurde, dabei jedoch auch immer in Verbindung mit hohen Zahlen humaner Verluste für die ukrainische Seite, um zu fragen: "Wie lange soll das noch so weitergehen?". In der englischsprachigen Presse, "in der deutschen Presse weniger", sei zudem sehr wohl darüber zu lesen, dass der russische Präsident Putin natürlich gesprächsbereit sei. Der Historiker reagierte sichtlich innerlich erregt mit der Feststellung:
"Ja genau Frau Wagenknecht, die Zeit arbeitet für Putin in dem Sinne, wie sie argumentieren. Die Ukraine braucht Waffen, um Putin und die russische Armee zu schlagen, um den Frieden herbeizuführen. Wir wollen den Frieden, die Ukraine braucht den Frieden. Und ich weiß nicht, sie hatten jetzt zehn Jahre Zeit, sich mit den ukrainischen Verhältnissen vertraut zu machen …"
An dieser Stelle erfolgte der oben im Artikel zitierte Vorwurf, dass Wagenknecht noch nie das Kriegsgebiet persönlich aufgesucht habe. Es folgte die an diesem Will-Abend beeindruckendste Aussage von Karl Schlögel:
"Sie reden hier von Frieden, von Verhandlungen, von Diplomatie … Es wird ein Krieg geführt, mit einem Gemetzel, veranstaltet von russischer Seite … Führen sie doch Verhandlungen … Sie, die aus einer antifaschistischen Tradition kommen, sie müssten eigentlich wissen, dass man sehr wohl mit Waffen den Feind niederschlägt. Hitler ist mit den Waffen besiegt worden, und so ist es auch mit Putin. Man muss ihm mit Waffen entgegentreten, etwas Anderes versteht er überhaupt nicht."
Wagenknecht versuchte sichtlich berührt von dem rhetorischen Verbalangriff, diesen inhaltlich zu beantworten, "es geht doch darum, einen Kompromiss zu finden", woraufhin sie von Schlögel und dem CDU-Politiker Kiesewetter umgehend unterbrochen wurde. Kiesewetter erklärte dann den Zuschauern als Oberst a.D. (in den Jahren 2006 – 2009 als Oberst im NATO-Hauptquartier in Mons/Belgien) wörtlich:
"Die Europäer liefern, aber viel zu wenig …, aber darum geht es nicht. Es geht um das Ziel. Und das Ziel ist es, dass Putin diesen Krieg verliert, dass Russland das Existenzrecht seiner Nachbarn akzeptiert."
Die Wahrnehmungen von Frau Wagenknecht seien für ihn "Fake News", um dabei den Zuschauern gegenüber seine mehr als aufschlussreichen Wahrnehmungen zu präzisieren:
"Natürlich bewegt sich die Front. Die Ukraine geht sehr sorgfältig mit ihren sehr gering vorhandenen Truppen um und sehr sorgfältig mit den ihr gelieferten Waffen. Das Entscheidende ist, dass sich die Ukraine an die Vorgaben der Amerikaner, der Briten und der Franzosen gehalten hat."
Auf Wagenknechts Einwurf, dass das gesamte Ereignis "kein nationalistischer Krieg, sondern ein geostrategischer Krieg" sei, bei dem "Putin die Einflusszone der Amerikaner um jeden Preis verhindern wollte", meldete sich wieder Historiker Schlögel mit dem nächsten Vorwurf:
"Seit der Krim erzählen sie die Geschichte, dass der Krieg eine Reaktion auf die NATO-Osterweiterung ist. Sie haben sich nie mit Russland – und der Ukraine – beschäftigt."
Die gesamte Sendung muss daher als weiterer Tiefpunkt des öffentlich-rechtlich Schulterschlusses mit der amtierenden Bundespolitik gewertet werden und kann daher – "verfügbar bis 17.09.2025" – als nachdrückliches Zeitdokument betrachtet werden. Die seitens der Will-Redaktion bewusst als reines Zielobjekt geladene Wagenknecht entgegnete im Verlauf der Sendung, hinsichtlich der permanenten Attacken Schlögels, an seine Person gerichtet:
"Jetzt verlieren sie wirklich ihr Niveau … Ich habe sie bis eben noch ernst genommen, weil sie tatsächlich sich mit vielen Fragen beschäftigt haben, aber ich muss sagen, jetzt haben sie wirklich das Niveau unterschritten, dass in einer solchen Sendung gewahrt werden sollte."
Roderich Kiesewetter kommentierte Wagenknechts berechtigte Empörung mit der subjektiven Feststellung: "Er hat ihr Niveau erreicht".
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