Der Jurist Klaus Gärditz hält ein Verbot der Partei Alternative für Deutschland (AfD) für möglich und erforderlich. Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) sagte er am Mittwoch, dass Paragraf 46, Absatz 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes erlaube, ein Verbot auf "einen rechtlich oder organisatorisch selbständigen Teil einer Partei" zu beschränken.
Dabei denke Gärditz laut eigener Aussage insbesondere an die AfD-Landesverbände von Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. In allen drei Bundesländern konnte die AfD zuletzt sehr hohe Umfragewerte erzielen. In Thüringen und in Sachsen finden im nächsten Jahr Landtagswahlen statt, in Sachsen-Anhalt Kommunalwahlen.
Laut Gärditz seien die drei genannten AfD-Landesverbände im Osten "deutlich" radikaler als etwa die in Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen. Aufgrund dieser Unterschiede könnte ein Verbotsverfahren der gesamten Partei scheitern. Ein Teilverbot "besonders extremistisch" aufgestellter Landesverbände hält Gärditz dagegen für möglich.
Wesentlich für ein Verbot wäre, dass "die Schwelle zur aktiv-kämpferischen Haltung gegen unsere Grundordnung" überschritten wird. Dafür seien keine Waffenlager oder Schlägertrupps nötig. "Aktiv-kämpferisch" könne man auch "in Worten" sein. Besonders wenn er die Rhetorik maßgeblicher AfD-Funktionäre in Thüringen höre, so Gärditz, habe er "keine Zweifel", dass hier diese Schwelle überschritten werde.
Verbotsverfahren wäre "präventiver Verfassungsschutz"
Bei dieser Schwelle gehe es nicht darum, ob eine Forderung "besonders aggressiv" vorgetragen werde. Aktiv-kämpferisch könne auch eine "sanfte Rhetorik" sein. Entscheidend sei, dass sie "beharrlich" davon handle, "die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu bekämpfen und aktiv sowie planmäßig zu beseitigen". Das gehe laut Gärditz "auch ohne Gewalt". Ein Verbotsverfahren wäre daher "präventiver Verfassungsschutz".
"Schon wenn ein Bundesland in den Extremismus kippen würde, wäre die Grundordnung gefährdet."
Um der AfD nachzuweisen, dass sie einen Staatsstreich will, fordert Gärditz den Einsatz von sogenannten Vertrauenspersonen (V-Leute) durch den deutschen Inlandsgeheimdienst. Damit jedoch das Verbotsverfahren nicht wie bei der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) 2003 aufgrund von V-Leuten in Führungspositionen scheitert, müssten die an der Peripherie angeworben werden. Dort könnten sie Informationen über wiederholte "verfassungsfeindliche Agitation" sammeln, die "in der Summe" auch dem Parteienvorstand zugerechnet werden könnten. Denn:
"Wir müssen den Extremisten die realen Machtoptionen aus der Hand schlagen."
Gärditz ist seit 2019 Lehrstuhlinhaber der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn. Nach einem Gastkommentar in der Tageszeitung (TAZ) am 8. August ist es bereits der zweite publizistische Anlauf des Juristen, in dem er für ein AfD-Teilverbot wirbt.
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