Die Botschaft der Russischen Föderation in Deutschland hat am Freitag einen Aufruf der Teilnehmer der Verteidigung und der Überlebenden der Belagerung Leningrads an die Regierung der Bundesrepublik Deutschland veröffentlicht.
Darin erinnern die Überlebenden an die einzigartige Brutalität der deutsch-finnischen Blockade von Leningrad im Zweiten Weltkrieg:
"Bombenangriffe und Artilleriebeschuss, Kälte und Hungersnot, die die faschistischen Truppen und ihre Helfershelfer aus einer ganzen Reihe europäischer Staaten über uns gebracht haben. Es ist die damalige deutsche Regierung, die es zu verschulden hat, dass in den Jahren 1941 bis 1944 unsere Stadt, in der über 100 Nationalitäten lebten, allein unter Zivilisten eine Million Tote zu beklagen hatte."
Die Erklärung verurteilt die "zwiespältige Position der Bundesregierung", die über lange Zeit humanitäre Leistungen an jüdische Blockade-Überlebende auszahlte, sich jedoch unter erfundenen Vorwänden kategorisch weigert, diese Leistungen auf alle heute noch lebenden Blockade-Opfer – ohne Ansehen ihrer ethnischen Zugehörigkeit – auszuweiten. Die berechnende Grausamkeit der Nazis, die gesamte Bevölkerung dieses unbeugsamen Leningrads durch Kälte und Hunger ausmerzen zu wollen, erinnern die Verfasser des Aufrufs, sah keine Ausnahmen aufgrund von Nationalität vor. Die Einwohner Leningrads waren – ungeachtet ihrer Nationalität – alle "gleich vor dem qualvollen Tod, den ihnen die Hitler-Ungeheuer bereiteten".
Zahlreiche Versuche, das Gewissen der heutigen Machthaber in Deutschland zu erreichen, seien bislang erfolgslos geblieben. Anstatt allen Blockade-Überlebenden Entschädigungsleistungen zukommen zu lassen, hat sich die Bundesregierung 2019 als "humanitäre Geste" auf die Modernisierung eines Krankenhauses für Kriegsveteranen in Sankt Petersburg beschränkt. Und selbst das ist noch immer nicht umgesetzt worden.
Die Verfasser des Appells fordern darum von der Bundesregierung, die "einzig richtige Entscheidung nicht hinauszuzögern" und die humanitären Zahlungen auf ausnahmslos alle Blockade-Überlebenden auszuweiten.
Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums, kommentierte den Appell der Überlebenden wie folgt:
"Wir unterstützen diesen Appell voll und ganz. Wir halten die Herangehensweise der deutschen Behörden an diese Frage, die Überlebende der Blockade aus ethnischen Gründen diskriminiert, für absolut inakzeptabel, unlogisch und unmenschlich. Darüber hinaus ist diese Position Deutschlands schockierend vor dem Hintergrund der Sozialleistungen, die es seit vielen Jahrzehnten an ehemalige Soldaten des Dritten Reiches zahlt, die in SS-Einheiten und anderen als kriminell anerkannten paramilitärischen Strukturen dienten, sowie an ausländische Kollaborateure des Hitler-Regimes, die direkt an der Blockade Leningrads beteiligt waren. Wir appellieren an russische und internationale Menschenrechtsorganisationen, den Appell der Blockadeüberlebenden an die Bundesregierung zu unterstützen."
Nach aktuellen Schätzungen leben heute nur noch weniger als 60.000 Blockade-Überlebende weltweit. Die Verbrechen der hitlerfaschistischen Aggressoren an Leningrad und seinen Einwohnern sind in den Nürnberger Prozessen nachgewiesen worden und durch zahlreiche Dokumente belegt. 2022 stufte das Stadtgericht Sankt Petersburg die Leningrader Blockade als Kriegsverbrechen, als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und als Genozid an den Völkern der Sowjetunion ein.
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