Die Partei Die Linke scheint ihren Bedeutungsverlust nicht mehr aufhalten zu können. Bestenfalls kommt sie auf stagnierende Ergebnisse in den Meinungsumfragen. Dagegen werden einer neuen Partei, die mit Sahra Wagenknecht an der Spitze gegründet werden soll, sehr gute Chancen auf zweistellige Ergebnisse eingeräumt. Ein erster Test wären die "Europawahlen" im kommenden Jahr.
Die Bundestagsfraktion der Linken kann seit Wochen ihre internen Querelen nicht beilegen – die Suche nach einem Nachfolger für die beiden bisherigen Fraktionsvorsitzenden Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch ist bisher erfolglos im Sande verlaufen, weshalb beide erst einmal weitermachen müssen. Die innerparteiliche Selbstbeschäftigung dürfte demzufolge noch eine Weile weitergehen.
Unterdessen reißen die Gerüchte um die bevorstehende Gründung einer neuen Wagenknecht-Partei nicht ab. Immer wieder erzielt dieser noch gar nicht existente politische Zusammenschluss in den Prognosen gute Ergebnisse. Zu diesem Ergebnis kommt auch das 2009 in Erfurt gegründete Meinungsforschungsinstitut INSA, mit dessen Direktor Hermann Blinkert die Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN) gesprochen haben. Dem Institut aus der thüringischen Hauptstadt wird besonders gute Kenntnis der ostdeutschen Stimmungslage nachgesagt.
Der Direktor des INSA-Instituts hält den Zeitpunkt, um eine Partei neu zu gründen, für besonders günstig. Die Berliner "Ampelkoalition" befindet sich auf einem Tiefstand der Zustimmung, während die Unionsparteien sich nicht genügend von den Regierungsparteien abheben können oder wollen. Allein die AfD sei als Oppositionspartei wahrzunehmen, und ihr gelänge es "momentan ziemlich gut, den Protest zu bündeln", so Blinkert. Der INSA-Direktor weiter:
"Trotzdem hat die Mehrheit der Wahlberechtigten Vorbehalte gegenüber der AfD. Wenn dann auch das personelle Angebot einer neuen Partei überzeugend ist, dürfte diese durchaus Chancen haben."
Die Chancen stünden auch deshalb gut, weil Wagenknecht zurzeit im Politiker-Ranking des Erfurter Instituts auf dem dritten Platz rangiere – "ein sehr beachtlicher Wert", da Wagenknecht gegenwärtig außer ihrem Bundestagsmandat kein exponiertes Amt in Partei und Fraktion innehabe.
Was das Wählerpotenzial einer möglichen Wagenknecht-Partei angeht, so seien die
"potenziellen Wähler einer Wagenknecht-Partei (...) von den Wählern der Grünen am weitesten entfernt – sowohl inhaltlich als auch kulturell. Das heißt natürlich im Gegenzug, die Grünen müssten von allen Parteien am wenigsten eine Abwanderung ihrer Wähler befürchten."
Demzufolge könnte die neue Partei am meisten auf Zuspruch bei (ehemaligen) Linken und Wählern der AfD hoffen. Voraussichtlich könnte sie sogar mehr Stimmen von der AfD abziehen, allein schon wegen des größeren "Reservoirs der AfD".
Allerdings habe Die Linke die neue Wagenknecht-Partei mehr zu fürchten als die AfD. Für die Linkspartei wäre die neue Konkurrenz existenzbedrohend. Die Prognose des INSA-Direktors sieht Die Linke im Westen der Republik im Verschwinden begriffen. Chancen hätte die sie nur noch im Osten:
"Sie könnte sich unter Umständen in den Neuen Ländern halten, aber dann nur auf einem deutlich niedrigeren Niveau. Auf jeden Fall wäre sie dann eine schwache auf den Osten begrenzte Regionalpartei."
Einen ersten Test für die Wagenknecht-Partei könnte die sogenannte Europawahl im Juni 2024 darstellen. Bei Europawahlen seien die Bürger eher geneigt, ihrem Protest Luft zu machen – und ihre Stimme einer neuen Partei zu geben. Und Blinkert fügt hinzu:
"Sollte also Sahra Wagenknecht bei der Europawahl gut abschneiden, wäre dies eine ausgezeichnete Voraussetzung für die dann darauffolgenden drei Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Und ein Wahlerfolg dort wäre dann das ideale Sprungbrett für die Bundestagswahl im Herbst 2025."
Nach den aktuellen Umfragen des Erfurter INSA-Instituts könnte die Wagenknecht-Partei bei der Europawahl ein zweistelliges Ergebnis erzielen.
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