Erneut irritiert die Rechtsauffassung eines deutschen Gerichts hinsichtlich verunreinigender oder zerstörerischer Aktivitäten der Mitglieder der Aktivistengruppe der Letzten Generation. Am 3. April wurde von mehreren Mitgliedern das Kunstwerk "Grundgesetz 49" des jüdisch-israelischen Künstlers Dani Karavan in unmittelbarer Nähe des Reichstags und des Jakob-Kaiser-Hauses mit einer schwarzen Flüssigkeit übergossen. Das Denkmal zeigt die 19 Grundrechtsartikel des deutschen Grundgesetzes in ihrer Urfassung von 1949. Diese sind in die etwa drei Meter hohe Glaswand eingraviert. Die Polizei konnte die Täter festnehmen, im Anschluss erfolgte eine Strafanzeige. Die federführende Angeklagte wurde nun freigesprochen. Das Amtsgericht folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft.
Die dem Springer-Verlag zugehörige Welt titelte: "Nach dem Freispruch lässt die 'Letzte Generation'-Aktivistin die Sektflasche kreisen". Bei der benutzten Farbe handelte es sich demnach um "schwarz gefärbten Tapetenkleister", der dann genutzt wurde, um die Stelen noch zusätzlich mit Plakaten zu verdecken. Die Aktion wurde wie immer umgehend auf X/Twitter euphorisch beworben:
"Berlin: Monument der Grundrechte in 'Erdöl' getränkt. Das Kunstwerk nahe dem Bundestagsgebäude zeigt die Artikel des Grundgesetzes. Wir haben heute gezeigt, wie die Regierung mit diesen umgeht. Erdöl verfeuern oder Grundrechte schützen? 2023 geht nur eines von beidem."
Die in den Medien benannte "Paulin F." musste sich nun am Dienstag wegen "gemeinschädlicher Sachbeschädigung" – Sachbeschädigung an Denkmälern – vor dem Amtsgericht Tiergarten in Berlin verantworten. Laut dem Welt-Artikel setzte die "Kunststudentin Paulin F. vor Gericht zu einem kleinen Exkurs an". So heißt es:
"Im Museum sei Kunst 'eingesperrt und entfremdet von der Gesellschaft', so die Angeklagte. Sie sei 'wirkungslos', verkommen zu einem 'Genuss- und Luxusgut'. Doch Kunst müsse 'die Leute in die Haltung zwingen', der Klimawandel mache das unumgänglich. 'Jede Kunst wird bedeutungslos in einer Welt, die brennt'."
Das Beschmieren des Grundrechte-Kunstwerks in Berlin sehe sie entsprechend als "Akt der Aktivierung des Denkmals". Es sei nun "doch viel bekannter als vor ihrer Aktion", so die Aktivistin über ein von Tausenden Touristen täglich bewundertes Denkmal im Regierungsbezirk Mitte schwadronierend, das bereits in den 1990er-Jahren vom Künstler gestaltet worden war. Diese Erläuterungen müssen die verantwortliche Richterin anscheinend mit dazu bewogen haben, die Angeklagte schlussendlich freizusprechen.
Eine Verteidigerin der Klima-Apokalyptikerin bezeichnete laut dem Welt-Artikel den Prozess als "politische Sonderjustiz". Ein vom Bundestag beauftragter Gemälderestaurator gab dann durch seine Bewertung im Verfahren den finalen Grund zum Urteil: "Es habe keinerlei bleibende Schäden am Denkmal gegeben." "Wenn nichts kaputtgegangen und nichts zumindest nachhaltig verändert worden ist, handelt es sich nicht um Sachbeschädigung", argumentierten nun die Staatsanwaltschaft wie auch die Verteidigung. Es folgte der Freispruch der Kunststudentin.
Der Welt-Artikel endet mit dem Satz: "'Danke', sagt die Aktivistin nach den Plädoyers und lächelt, und lässt anschließend mit ihren Mitstreitern vor dem Gerichtsgebäude eine Sektflasche kreisen."
Nutzer der sozialen Medien kommentierten, dass mit diesem Urteil erneut "zweierlei Maß" in den Bewertungen der Gerichte bestätigt werde. Hätte ein "Corona-Leugner" ein jüdisch-israelisches Kunstwerk bewusst beschmutzt und der Verteidiger dann während der Verhandlung von "politischer Sonderjustiz" gesprochen, wäre das Geschrei zum Thema "antisemitische Tat" in den Medien unüberhörbar gewesen.
Ein weiterer Kommentar lautet, dass anscheinend die symbolische Beschmutzung des Grundgesetzes in diesem Land nun keinen Strafbestand mehr darstellt, wenn die Täter aus einem medial-politisch geduldeten Protestumfeld kommen. Im Jahre 2020 wurde es demgegenüber Demonstranten verboten, das Grundgesetz öffentlich mit sich zu führen.
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