"In Hessen stehen am 8. Oktober 2023 Landtagswahlen an. Wie bereits bei den vergangenen Wahlen wird auch hier die AfD antreten", so der einleitende Inhalt eines Pamphlets der Antifa Frankfurt vom 6. August. Regelmäßige Umfragen bescheinigen der Partei AfD weiterhin stabile Zustimmungswerte befragter Bürger. Der Text informiert, dass seitens der Antifa die Webseite der hessischen AfD "gespiegelt", also kopiert wurde, "auf der die KandidatInnen der hessischen AfD für die Landtagswahl ausführlich samt Adressen und Bildern vorgestellt werden". Es folgt im Text der unmissverständliche Aufruf, gelistete Parteimitglieder darüber zu kontaktieren und verbal, wenn nicht sogar körperlich zu attackieren.
So heißt es wortwörtlich in dem Pamphlet:
"Mit der Seite sollen Antifas in Hessen dazu animiert werden, der derzeit wieder stärker werdenden AfD Einhalt zu bieten."
Wie dieser "Einhalt" ablaufen könnte, bzw. wie die Antifa Frankfurt für sich effektive Aktionen eindeutig benennt, wird den Sympathisanten auch gleich mitgeliefert. So heißt es:
"Auch wir rufen dazu auf, sich mit der AfD auseinanderzusetzen … Die nächsten Jahre unter möglichen AfD-Regierungen werden düster.
Lasst uns der AfD jedoch vor allem auf militanter Weise begegnen, ihnen das Leben zur Hölle machen und zeigen, was wir von ihrer menschenverachtenden Politik halten. Ob das der antifaschistische Hausbesuch, die Zerstörung von Wahlkampfständen oder die klassische Konfrontation mit PolitikerInnen der Partei bedeuten – wir freuen uns über jede sinnvolle Intervention! Viel Spaß beim Lesen."
Zur vermeintlichen Notwendigkeit und Rechtfertigung des kriminellen Aufrufs heißt es auf der Antifa-Seite, dass die unterstellte rechtsextreme Ausrichtung der AfD "in ihrer Programmatik, den Äußerungen von FunktionärInnen und den Verstrickungen zu faschistischen Gruppen und Verlagen tagtäglich sichtbar" werde. Der Text behauptet:
"Die AfD, die seit 2013 als Partei besteht, ist endgültig in der extremen Rechten angekommen (…) Wer jetzt noch für die Partei kandidiert, trägt die Politik der extremen Rechten aktiv mit."
Der Text animiert und erläutert möglichen Sympathisanten und Unterstützern weitere Vorschläge von Störaktionen, so die Darlegung:
"Ob Restaurant, Verein oder Arbeitsplatz: Wer andere aufgrund eines rassistischen, antisemitischen, sexistischen und queerfeindlichen Weltbildes ausschließen, einsperren oder entsorgen will, sollte sich über Gegenwehr und Ausschluss nicht beklagen."
Nutzer der sozialen Medien reagierten auf die Veröffentlichung des Antifa-Textes mit der Feststellung:
"Man stelle sich das Ganze mal umgedreht vor. Eine rechtsextreme, gewaltbereite Organisation veröffentlicht Adressen von SPD, Grünen und Linken Politikern und ruft genau dazu auf. 24/7 ARD Brennpunkt, Staatsschutz, Verfassungsschutz und alle Parteien wären auf Dauersendung."
Ein Artikel der ARD-Tagesschau erkennt in seiner Darlegung des Ereignisses, zumindest überraschend klar formuliert, die Aufforderung "zu Straftaten gegen hessische AfD-Politiker". Der AfD-Co-Landesvorsitzende von Hessen und Landtagsabgeordnete Andreas Lichert kommentierte, "das fühlt sich an, als würde man für vogelfrei erklärt werden". Laut SZ-Artikel hätte Lichert bereits negative Erfahrungen mit der Antifa: "Ich weiß, wovon ich spreche, denn gegen mein Haus wurde bereits ein Anschlag verübt". Auf dem von ihm veröffentlichten Antifa-Profil wird Lichert selbst von seinen Gegnern als "weiterer 'extrem rechter Akteur' charakterisiert, der nach der Landtagswahl gewiss wieder im Parlament 'seine menschenverachtende Ideologie verbreiten will'", so der Tagesschau-Artikel darlegend.
Laut Definition des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfA) stelle die Antifa "keine klar umrissene bundesweite Organisation". Weiter heißt es wörtlich:
"So rufen unter dem Motto "Antifa heißt Angriff" insbesondere autonome Linksextremisten regelmäßig zu von Ihnen so bezeichneten "Gegenaktionen" zum Nachteil ihrer Meinung nach "faschistischer" Personen, Gruppen oder Institutionen auf. Gemeint ist damit letztlich nichts anderes als die Begehung von Straftaten wie Sachbeschädigungen, Brandstiftungen oder teils erheblicher Körperverletzungen, bei denen in Einzelfällen auch der Tod von Menschen in Kauf genommen wird."
Ein Sprecher der AfD kündigte auf ARD-Anfrage rechtliche Schritte an. Man werde den Staatsschutz einschalten. Nancy Faeser, amtierende Innenministerin und frisch gekürte SPD-Spitzenkandidatin für den hessischen Wahlkampf hat sich im Rahmen beider Funktionen, seit dem 6. August noch nicht zu der Antifa-Veröffentlichung geäußert.
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