Mitte vergangener Woche präsentierte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ihren sogenannten "Diskussionsentwurf des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) zur Verbesserung der Rückführung", dessen 35-seitiger Inhalt öffentlich auf der Webseite des BMI einsehbar ist. Die Medienlandschaft reagierte hinsichtlich der geplanten Gesetzesmodifikationen mehrheitlich kritisch. So titelte die Süddeutsche Zeitung (SZ) in einem Leitartikel: "Clan-Kriminalität: 'Wiedereinführung der Sippenhaft'", um darüber Tareq Alaows von Pro Asyl zu zitieren, der den Entwurf "als gefährlich" bezeichnete. Vollstes Verständnis für die Pläne zeigte demgegenüber der themenflexible Ministerkollege von Faeser, Karl Lauterbach, im Rahmen eines Postings auf X (früher Twitter). So teilte er seinen Followern mit:
"Auch in meinem Wahlkreis kann man den Bürgern schon lange nicht mehr erklären, weshalb die Clankriminalität nicht besser bekämpft wird. Der Vorstoß von Nancy Faeser ist meines Ermessens richtig und wird nicht falsch, nur weil in Hessen Wahlkampf ist."
In mehreren Artikeln und Kommentaren in den sozialen Medien wird genau dieser Punkt – einer rein wahltaktischen Ankündigung Faesers – thematisiert. Am 8. Oktober wird in Hessen der Landtag gewählt, wobei Faeser rund eine Woche vor Veröffentlichung des BMI-Entwurfes für ihren Heimatwahlkreis als Direktkandidatin für die Landtagswahl in Hessen nominiert wurde. Diese Parallelität erfuhr umgehend Aufmerksamkeit auf X:
Das Hamburger Nachrichtenmagazin Der Spiegel erläutert im Leitartikel zum BMI-Papier:
"Können gefährliche Clans wie die Remmos ausgewiesen werden? Angehörige krimineller Vereinigungen sollen einfacher ausgewiesen werden – auch wenn sie nicht strafrechtlich verurteilt sind."
Die flexible Formulierungsvorgabe des Entwurfs und daraus resultierende dehnbare Argumentationslinien werden vom ehemaligen NRW-Linken-Chef Jules El-Khatib auf X mit der Erkenntnis kommentiert:
"Der 'Clan'-Begriff dient in Deutschland als Rechtfertigung um Sippenhaft einzuführen, wenn es nach der SPD geht, oder um 12 Jährige Kinder ins Gefängnis zu stecken, Forderung CDU Berlin. Was ist das für eine Demokratie, wenn der Nachname ausreicht um Menschen abzuschieben?"
Clara Bünger, Sprecherin der Linksfraktion, teilte der SZ mit: "Faesers Vorschläge sind völlig indiskutabel und aggressiver Rechtspopulismus". Der Musiker und Podcaster Mohamed Chahrour, selbst Mitglied einer arabischen Großfamilie, findet laut Stern-Artikel den Abschiebe-Vorstoß "besorgniserregend". Alaows von Pro Asyl befindet laut dem SZ-Artikel, dass "das Thema Clan-Kriminalität politisch größer gemacht werde, als es sei". Dem widerspricht der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) vehement. So hatte es in einem Bericht seines Ministeriums an den Landtag aus dem Jahr 2019 geheißen:
"Der Einstieg in den Clan ist in der Regel die Geburt."
Das Magazin Focus resümiert hinsichtlich der Faeser-Pläne: "Die neue 'klare Kante' der SPD-Frau entpuppt sich schnell als plumpes Wahlkampfmanöver", um den Lesern weiter zu vermitteln:
"Einen Preis hätte Nancy Faeser (SPD) sicherlich verdient: die silberne Zitrone der Ankündigungsministerin. Noch im April hatte sich die Bundesinnenministerin in einem Fernsehinterview trotz stark zunehmender Flüchtlingszahlen geweigert, die Zuwanderung zu limitieren. Bei der Aufnahme von Migranten dürfe es keine Höchstgrenze für Menschlichkeit geben, sagte sie."
Im Focus-Artikel wird mit folgendem Verweis an das politische Vorleben Faesers erinnert: "Unvergessen ist auch der Versuch der hessischen SPD-Politikerin zu Beginn ihrer Amtszeit, in der EU eine 'Koalition der Willigen' zu bilden, um noch mehr Asylbewerber nach Europa bringen zu können." Strafrechtsexperte Arndt Sinn von der Universität Osnabrück stellt bezugnehmend auf die jüngsten BMI-Pläne fest: "Die Zugehörigkeit zu irgendeiner Familie kann kein Anlass sein, jemanden aus der Gesellschaft zu entfernen." Die diesbezügliche Passage lautet in dem Entwurf, ohne dabei den Begriff Clan zu verwenden:
"Die Änderung wurde eingefügt, damit auch für die in § 54 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe c neu eingeführte Tatbestandsalternative der Fallgruppe Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland für Angehörige von Gemeinschaften der Organisierten Kriminalität die Möglichkeit des Erlasses eines unbefristeten Einreise und Aufenthaltsverbots besteht (Seite 13)."
Das BMI lässt nach erster breiterer medial-politischer Kritik in einer Stellungnahme verlautbaren, dass auch weiterhin "die Familienzugehörigkeit keine kriminelle Aktivität ist, es braucht immer einen Bezug zu Straftaten". Dabei würden jedoch "Tatsachen" berücksichtigt, die den Schluss zulassen, dass die Person Teil einer kriminellen Vereinigung sei. Sebastian Hartmann, Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, kommentiert hinsichtlich der Kritik am Papier:
"Der Rechtsstaat darf sich von der organisierten Kriminalität nicht einschüchtern lassen. Aufenthaltsrechtliche Freiräume dürfen dabei kein Rückzugsort für Kriminelle darstellen."
Wann der Diskussionsentwurf schlussendlich seinen Weg durch die Instanzen findet, sei zum jetzigen Zeitpunkt "völlig offen". Das eigentliche Problem für betroffene Länder und Kommunen stelle die Tatsache dar, dass "ein Großteil der Clanmitglieder die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und sowieso nicht ausgewiesen werden kann", so die SZ den bedenklichen Status quo des Problems Clan-Kriminalität in Deutschland zusammenfassend.
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