Die deutsche Außenministerin hat ganz große Pläne. Vor ihrer Reise nach New York, wo sie an einem Festakt zum 25. Jahrestag der Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs teilnahm, teilte sie Journalisten mit, sie wolle das internationale Recht den Realitäten des 21. Jahrhunderts anpassen. Ihr Ziel sei vor allem eine Reform des internationalen Strafrechts.
"Niemand darf im 21. Jahrhundert einen Angriffskrieg führen und straflos bleiben",
sagte Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) mit Blick auf Russland und den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Sie will die Hürden für eine Strafverfolgung senken und erntet dafür in den deutschen Medien viel Zuspruch.
"Bislang ist der Straftatbestand des Verbrechens der Aggression beim Internationalen Strafgerichtshof nicht erfasst", sagte CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Deshalb ist es gut, dass die Außenministerin sich dafür parallel zur Ahndung der Kriegsverbrechen Russlands gegen die Ukraine einsetzt."
Das Vorhaben zielt direkt auf Russland und den russischen Präsidenten ab, und das ist ein Problem.
Gerd Hankel, Völkerrechtler am Institut für Sozialforschung der Universität Hamburg, hält Baerbocks Idee für keine gute. Auch wenn der Vorschlag, ein Tribunal zur Bestrafung Putins ins Leben zu rufen, bei deutschen Politikern auf große Zustimmung treffe, teile der Rest der Welt die deutsche Sicht auf den Ukraine-Konflikt einfach nicht, meint der Jurist.
"Natürlich wäre es theoretisch denkbar, einen neuen Gerichtshof zu gründen. Aber dafür bräuchte es die Unterstützung der UN-Generalversammlung", sagte Hankel dem Webportal "web.de".
Diese Mehrheit gebe es nicht, ergänzte Hankel. China, Indien, zahlreiche Länder Lateinamerikas und Afrikas sehen eine Mitverantwortung des Westens, der NATO und der USA bei der Entstehung des Konflikts und lehnen die einseitige deutsche Schuldzuschreibung an Russland ab. Hankel attestiert der deutschen Außenministerin daher eine naive Weltsicht.
Der Jurist verweist in diesem Zusammenhang auf die zahlreichen Überfälle westlicher Staaten auf andere Länder. Explizit nennt Hankel in diesem Zusammenhang den Überfall der USA auf den Irak im Jahr 2003. Es käme bei den Ländern des globalen Südens nicht gut an, dies einfach unter den Tisch fallen lassen zu wollen.
Hankel unterstellt Baerbock mit ihrer Forderung Populismus. Die Forderung ziele vor allem auf das deutsche Publikum, glaubt der Völkerrechtler. Sie käme in Deutschland gut an, allerdings auch nur dort.
Noch deutlicher wird die Tageszeitung Junge Welt. In einem Kommentar nennt das Blatt die Außenministerin "scheinheilig" und verweist auf den ersten Außenminister der Grünen, Joschka Fischer, der für den ersten Angriffskrieg verantwortlich war, an dem sich Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligt hatte. Unter Fischer hatte Deutschland im Jahr 1999 gemeinsam mit der NATO Jugoslawien überfallen. Fischer und der damalige Kanzler Gerhard Schröder (SPD) mussten sich für diesen offenen Völkerrechtsbruch indes nie juristisch verantworten.
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