Seit drei Jahren befindet sich der ehemalige Wirecard-Vorstand Jan Marsalek auf der Flucht, nun hat er sich über seinen Verteidiger schriftlich an das Landgericht München I gewandt. Ein Gerichtssprecher bestätigte am Dienstag auf Anfrage einen entsprechenden Bericht der Wirtschaftswoche, ohne den Inhalt des Schreibens nennen zu wollen.
Der von der Münchner Justiz verfolgte Marsalek ging dem Bericht zufolge in dem Schriftstück seines Anwalts nicht konkret auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe ein. Allerdings habe er sich zu dem Drittpartnergeschäft des insolventen Bezahldienstleisters geäußert und zu verstehen gegeben, dass dieses existiert habe.
Das Drittpartnergeschäft ist ein zentrales Thema des Wirecard-Prozesses, der gerade gegen den früheren Konzernchef Markus Braun läuft. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass es dieses Geschäft nicht gab. Braun hingegen sagt, dass es existiert habe. Laut Wirtschaftswoche äußerte sich Marsalek in dem Schriftstück wohl auch zu den unterschiedlichen Verfahrensbeteiligten.
In Justizkreisen heiße es, dass Marsalek vorrangig den Mitangeklagten Oliver Bellenhaus belastet habe, der als Kronzeuge der Anklage gilt. Bellenhaus war lange Zeit Wirecards Statthalter in Dubai. Nach dem Zusammenbruch des Unternehmens belastete er Braun und seinen ehemaligen Kollegen Stephan von Erffa.
Marsalek soll dem Gericht laut Wirtschaftswoche zu verstehen gegeben haben, dass Bellenhaus in mehreren Punkten nicht die Wahrheit sage. Bellenhaus' Verteidiger, Florian Eder, sagte der Zeitschrift zu den angeblichen Vorwürfen:
"Man kann viel schreiben und viel sagen, man muss aber nicht alles glauben."
Braun und die zwei Mitangeklagten stehen unter anderem wegen bandenmäßigen Betrugs vor Gericht. Ihnen drohen lange Haftstrafen. Am Landgericht München I wird bereits seit einigen Monaten in Sachen Wirecard verhandelt.
Die Wirecard-Insolvenz ist einer der größten Wirtschaftsskandale in der Geschichte der Bundesrepublik. Braun soll zusammen mit der restlichen Wirecard-Chefetage über Jahre Scheingeschäfte in Milliardenhöhe verbucht und so hohe Kredite erschwindelt haben. Der Wirecard-Skandal war auch Thema von mehreren Untersuchungsausschüssen in der Politik, da es dem Konzern mithilfe eines Lobbynetzwerks aus ehemaligen Spitzenpolitikern und Spitzenbeamten gelungen war, Einfluss auf die Bundesregierung zu nehmen und dort Unterstützung zu bekommen – bis hin ins Kanzleramt. Neben Alt-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stand vor allem der heutige Bundeskanzler und damalige Finanzminister Olaf Scholz (SPD) im Fokus der bisher weitgehend ergebnislosen Ermittlungen.
Braun bestreitet die Vorwürfe bis heute und macht Marsalek verantwortlich. Dieser befindet sich auf der Flucht und soll sich seit 2021 in Russland befinden. Medienberichten zufolge gingen der Bundesnachrichtendienst (BND) und das Bundeskanzleramt bereits seit 2021 davon aus, dass sich Marsalek in Russland aufhielt. Ein Angebot des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, den Gesuchten vor Ort zu vernehmen, wurde vom BND damals jedoch abgelehnt.
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