Ende Mai hat sich in Hannover die innerlinke Opposition der Partei Die Linke im Netzwerk "Was tun?!" erstmals versammelt. Das könnte der Auftakt für eine neue Partei gewesen sein, die den Bruch zwischen den beiden verfeindeten Lagern manifestiert. Besonders in den mitgliederstarken Landesverbänden Berlin, der sich in vielerlei Hinsicht als Avantgarde der Partei versteht, sowie im strategisch wichtigen Sachsen gärt es.
Wie weit die Vorbereitungen für eine "Wagenknecht-Partei" vorangeschritten sind, war inzwischen von mehreren Vorstandsmitgliedern zu hören. Der Berliner Janis Ehling schrieb beispielsweise auf Twitter, dass in mehreren Bundesländern Mitglieder und Mandatsträger aus dem Umfeld von Sahra Wagenknecht angesprochen würden, "ob sie mitgehen mit der neuen Partei". Laut dem Neuen Deutschland werden Funktionäre auf allen Ebenen angesprochen. Einige Abgeordnete, die an dem Projekt beteiligt seien, haben laut dem 37-Jährigen "ihre Wahlkreisbüros geschlossen und stecken das Geld in die eigene Tasche. Als Parteivorstand schauen wir dem nicht tatenlos zu".
Von den 34 Bundestagsabgeordneten könnte etwa ein Viertel zur neuen "Wagenknecht-Partei" wechseln. Neben dem prominenten Aushängeschild wird in sozialen Medien über Sevim Dagdelen, Klaus Ernst, Andrej Hunko, Christian Leye, Zaklin Nastic, Jessica Tatti sowie Alexander Ulrich spekuliert. Dazu kommen einige Wackelkandidaten wie der Leipziger Sören Pellmann, der letztes Jahr tief frustriert bei der Wahl zum Parteichef hinter Martin Schirdewan zurückstecken musste. Auch andere prominente Köpfe – wie die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot – werden immer wieder als mögliche Funktionäre genannt.
Laut Ehling – und das überrascht nicht wirklich – wird Gregor Gysi der "alten" Linken treu bleiben, nicht zuletzt dessen Parteinahme für den Vorstand – und gegen Wagenknecht spricht dafür. Ehling twitterte:
"Gregor ist auch mit im Boot. Es gibt eben Menschen, die eine riesige Bekanntheit haben und nutzen sie nicht nur für sich selbst. Gregor Gysi ist ein Leuchtturm."
Auch die Chefetage der sächsischen Linken bemerkte, dass Mitglieder bereits gezielt für das neue Projekt begeistert werden sollen. Der Landesvorstand wolle das nicht hinnehmen, wie der mdr berichtete. Das Gremium besitze Informationen darüber, dass in Sachsen eine oppositionelle Partei "in der zweiten Jahreshälfte" gegründet werden solle. Konkret schreibt der mdr:
"Um dieses Ziel zu erreichen, sollen verdiente Parteimitglieder angesprochen worden sein, Treffen sollen quasi konspirativ stattgefunden haben. Soweit die Gerüchteküche, die die Gemüter von Sachsens führenden Linken wohl tüchtig aufgeheizt hat."
Vor allem die Zwickauer Linken-Politikerin Sabine Zimmermann – die 16 Jahre für die Partei im Bundestag saß – wird als Verdachtsfall diesbezüglich vom Vorstand in Dresden angezählt. Sie solle ihr Verhalten "überdenken" oder am besten gleich aus der Partei austreten. In Sachsen hat sich zuletzt auch der Liebknecht-Kreis als innerlinke Opposition gegen den Vorstand sowohl in Dresden als auch in Berlin hervorgetan.
Weitere ähnliche oppositionelle Zusammenschlüsse gibt es zudem in den Bundesländern Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Hessen, Baden-Württemberg, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Es scheint mittlerweile keine Frage mehr des Ob, sondern nur noch des Wann zu sein, bis die "Wagenknecht-Linke" offiziell ihre Landesverbände ausrufen wird.
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