Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat gemeinsam mit dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, in den Räumlichkeiten der Bundespressekonferenz in Berlin den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2022 vorgestellt. Der sogenannte "Rechtsextremismus" stelle laut Wahrnehmung des BfV und des BMI weiterhin die größte extremistische Bedrohung in Deutschland dar. Im Bereich des "Linksextremismus" wären laut des VS-Berichts "die Hemmschwellen gesunken". Im Vergleich zum Vorjahr wurde im Bereich "Islamismus/islamistischer Terrorismus ein leicht verringertes Personenpotenzial von 27.480 Personen" festgestellt (2021: 28.290).
Für das Jahr 2022 wurden demnach in Deutschland insgesamt 35.452 Straftaten "mit extremistischem Hintergrund" statistisch erfasst (2021: 33.476). Davon waren 2.847 (2021: 2.994) Gewalttaten. Demgegenüber stehen laut Zahlenerhebungen durch das Bundeskriminalamt (BKA) im Jahr 2022 58.916 "politisch motivierte Straftaten", ein Anstieg um sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In der Einleitung des 380-seitigen Berichts ließ Innenministerin Faeser folgendes Vorwort platzieren:
"Seit dem 24. Februar 2022 greifen russische Truppen ukrainische Städte und Dörfer an. Der völkerrechtswidrige russische Angriffskrieggegen die Ukraine hat auch die Sicherheitslage in Deutschlandverändert. Die Bedrohung durch Spionage, Desinformationskampagnen und Cyberangriffe hat sich um eine zusätzliche Dimension erweitert: Russlands Krieg gegen die Ukraine bedeutet auch für die innere Sicherheit eine Zeitenwende."
Die Umsetzung einer "Cybersicherheitsagenda" stelle "daher einen wichtigen Schwerpunkt meiner politischen Arbeit als Bundesinnenministerin" dar. "Gezieltes Streuen und Weiterverbreiten von Desinformation" gehöre zu einem "Repertoire der illegitimen Einflussnahme fremder Staaten". Weiter heißt es diesbezüglicher Wahrnehmungen:
"Solche Desinformationen, wie auch immer sie in Umlauf geraten, sind Nährboden für Verschwörungserzählungen und andere Formen zur Diskreditierung unserer freiheitlichen Demokratie."
Der Verfassungsschutzbericht zeige laut Faeser und Haldenwang auf, dass "Extremisten gewalttätiger und jünger werden und sich Ideologien zunehmend vermischen". Staatliche Reaktionen auf die genannten Dynamiken seien "gut ausgestattete Sicherheitsbehörden, eine konsequente Strafverfolgung, politische Bildung und eine starke Zivilgesellschaft". BfV-Präsident Thomas Haldenwang fasste für seine Behörde sprechend zusammen:
"Der Verfassungsschutzbericht verdeutlicht erneut die Gefahren für die innere Sicherheit in Deutschland ... Extremisten nutzen Krisen, um in der bürgerlichen Mitte Anschluss zu finden und teilen dabei auch Verschwörungsmythen, Desinformation und Propaganda. Sorge bereitet, dass die Akteure immer gewaltorientierter und zum Teil auch jünger werden. Viele sind weniger ideologisch festgelegt und basteln ihr Weltbild nach einem Baukastenprinzip mit Versatzstücken aus dem Internet zusammen."
Haldenwang stellt fest, dass für den Verfassungsschutz erkennbar "Grenzen innerhalb von Phänomenbereichen verschwimmen und sich Mischszenen bilden". Zusammenfassend heißt es seitens des BfV:
"Auch wenn der Rechtsextremismus unverändert die größte Gefahr für unsere Demokratie darstellt, ist auch im islamistischen Terrorismus besondere Wachsamkeit geboten. Ein hohes Radikalisierungsniveau sehen wir ebenso im gewaltorientierten Linksextremismus."
Zahlen zu sogenannten "Reichsbürgern und Selbstverwaltern" wären im Vergleich zum Vorjahr "erneut um 2.000 Personen" auf insgesamt 23.000 angewachsen. Der Bericht stellt fest: "Das gewaltorientierte Personenpotenzial der 'Reichsbürger' und 'Selbstverwalter' liegt bei 2.300 Personen (2021: 2.100)". Genannte Personengruppen würden dabei "Narrative der russischen Staatspropaganda" argumentativ nutzen. Im Kapitel Linksextremismus heißt es:
"Mehr als jeder vierte Linksextremist ist als gewaltorientiert einzuschätzen. Einzelne besonders erhebliche Angriffe, zahlreiche Körperverletzungen und die regelmäßig verursachten hohen Schadenssummen durch Brandstiftungen oder Sachbeschädigungen zeigen das unverändert hohe Gefahrenpotenzial durch Linksextremisten."
Innenministerin Faeser betonte bei der Vorstellung des VS-Berichtes:
"Im Bereich des Linksextremismus sind die Hemmschwellen gesunken, politische Gegner, aber auch die Polizei mit großer Brutalität anzugreifen."
In der Rubrik: "Spionage, Cyberangriffe und sonstige sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Aktivitäten" heißt es, dass "gegen Deutschland gerichtete Spionageaktivitäten fremder Mächte" als "vielgestaltiger und ausgefeilter" wahrgenommen werden. "Außenpolitische Verhandlungspositionen und der gesellschaftliche Zusammenhalt" könnten demnach nachhaltig "geschwächt, die freie Meinungs- und Willensbildung gestört werden".
Zum Thema Islamismus/islamistischer Terrorismus wird bemerkt, dass das "Bedrohungspotenzial" durch den islamistischen Terrorismus "nach wie vor hoch" sei. Die "salafistische Szene" zeige sich nach der COVID-Pandemie "wieder aktiver". Daher käme der "Identifizierung sowie Aufklärung von Finanzaktivitäten islamistischer sowie extremistischer Einzelpersonen und Organisationen eine besondere Bedeutung zu".
Die Straftaten mit einem "auslandsbezogenen extremistischen Hintergrund" haben laut VS-Bericht das zweite Jahr in Folge zugenommen. Im Jahr 2022 fiel der Anstieg auf nunmehr 1.974 Delikte (2021: 776) "besonders deutlich aus". Nahezu eine Verdopplung zeigte sich laut den Erhebungen bei den Gewaltdelikten (226 Delikte; 2021: 116).
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