Die Eisschnellläuferin, Olympia-Siegerin und Bundespolizistin Claudia Pechstein hielt auf einem CDU-Zukunftskonvent in Berlin eine Rede zur aktuellen Asyl- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung, wie auch sportpolitischen Themen. Für den Auftritt in ihrer Dienstuniform hat ihr Arbeitgeber, die Bundespolizei, nun eine dienstrechtliche Prüfung eingeleitet. Es folgten zudem diverse konträre Wahrnehmungen und Reaktionen zur Kleiderwahl und Inhalten ihrer Rede.
Im Vordergrund der Kritik steht bei der neunmaligen Olympia-Medaillengewinnerin der Auftritt in der offiziellen Dienstuniform. Diesbezüglich stellte Claudia Pechstein gegenüber der Bild-Zeitung klar:
"Ich bin kein CDU-Mitglied. Ich war bei der CDU zu Gast – und zwar als Sportlerin, Beamtin und Bundespolizistin. Ein ausdrückliches Verbot des Uniformtragens auf Parteiveranstaltungen besteht nicht. Ich bin stolz darauf, seit 30 Jahren Bundespolizistin zu sein. Es ist mir eine Ehre, diese Uniform zu tragen. Ich würde sie auch wieder tragen."
Dabei bezog sich Pechstein auf die Polizeidienstvorschrift (PDV) 014, Ziffer 3.2.: "Dienstkleidung außerhalb des Dienstes". Diesbezüglich gilt, dass "das Tragen der Uniform außerhalb des Dienstes erlaubt und nur bei Krankheit oder der Ausübung eines öffentlichen Ehrenamtes verboten" ist. Dies scheint der "Bund Deutscher Kriminalbeamter – Verband Bundespolizei/Zoll" anders einzuschätzen. Ein wertender Twitter-Beitrag zu den Inhalten von Pechsteins Rede und Folgedynamiken lautete am 18. Juni:
"Wir begrüßen die disziplinäre Prüfung. Rassismus und Homophobie haben in der Bundespolizei keinen Platz, die Uniform bleibt neutral!"
In der Bild-Zeitung stellte Pechstein zumindest klar, dass sie vor ihrem Termin bei der CDU "sowohl einen Gewerkschaftsvertreter der Bundespolizei als auch einen Vorgesetzten" angefragt hatte, ob ein Auftritt in Dienstuniform problematisch sei. "Der Auftritt in Uniform sei ihr freigestellt worden", so Pechstein laut dem Springer-Blatt. Hinsichtlich der Kritik des Arbeitgebers an Pechsteins Inhalten der Rede fasste der Bild-Artikel zusammen:
"Sie mahnte auch Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber an. Das sorge für mehr Sicherheit im Alltag. Öffentliche Verkehrsmittel nicht "ohne ängstliche Blicke" nutzen zu können, gehöre zu Problemen, die besonders Ältere und Frauen belasteten. Verbesserungen dort sollten wichtiger sein, "als darüber nachzudenken, ob wir ein Gendersternchen setzen oder ob ein Konzert noch 'deutscher Liederabend' heißen darf oder ob es noch erlaubt ist, ein 'Zigeunerschnitzel' zu bestellen."
Diesbezüglich heißt es in einem Artikel in der Wochenzeitung Die Zeit:
"Zudem benutzte sie – Pechstein – einen Begriff, der vom Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma als diskriminierend eingestuft wird. Auch für diese Äußerungen steht Pechstein nun in der Kritik."
In der ZDF-Sendung "Berlin direkt" vom 18. Juni teilte CDU-Chef Friedrich Merz seine Wahrnehmung zur Rede mit: "Der Auftritt war brillant", bezog sich dabei jedoch auf die Inhalte zum Thema Stärkung des Vereins- und Schulsports. Die ZDF-Sendung zeigte vor dem Merz-Interview Ausschnitte von seiner Rede auf der CDU-Veranstaltung. Zum Thema jüngster "Sprachregelungen" im Rahmen einer eingeforderten gesellschaftspolitischen Färbung sagte er:
"Wir müssen auch in der Lage sein, mal Probleme zu adressieren, auch mal mit Formulierungen, die nicht jedem gefallen und das ist dann auch nicht gleich "rechts". Und das ist dann auch nicht gleich rassistisch und das ist vor allen Dingen auch nicht irgendwo "AfD-Sprech"."
Ein Bundespolizei-Sprecher teilte dem Spiegel auf Anfrage zur Causa Pechstein und Inhalten ihrer Rede mit, dass die dienstrechtliche Prüfung eingeleitet wurde, da Pechstein "nach dem Beamtenrecht der Neutralitätspflicht unterliege". Diese regelt sich mit der gesetzlichen Feststellung:
"Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben."
Thüringens CDU-Chef Mario Voigt verteidigte demgegenüber Pechstein mit der Feststellung: "Wir sollten stolz darauf sein, was sie für unser Land in der Welt erreicht hat. Ich bin froh, dass sie auf unserem Grundsatz-Konvent klare Worte gefunden hat". Demgegenüber stellte der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler auf Twitter fest:
"Eine Polizeibeamtin in Uniform schwingt Parteitagsreden? Ich reibe mir gerade ungläubig die Augen."
Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau (Linke) kommentierte auf Twitter: "Befasse mich seit 25 Jahren mit Beamten und Disziplinarrecht, nicht nur im Innenausschuss, dazu kommt Parteienfinanzierung und Zeugs – dieser Vorgang ist außerhalb von jeder tolerablen Möglichkeit". Ein Twitter-Nutzer stellte hinsichtlich der "Uniform-Kritik" an Claudia Pechstein fest:
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