Berlin: Landeskriminalamt ermittelt gegen "Tagesspiegel"-Journalisten

Nach einem Bericht des Tagesspiegels über einen Coronamaßnahmen-kritischen Polizisten ermittelt die Polizei nun gegen den Reporter Julius Geiler, der im Laufe der Ermittlungen auch unter Linksextremismus-Verdacht stand. Mittlerweile hat sich auch Berlins Innensenatorin zu dem Fall geäußert.

Am 14. Januar veröffentlichte der Tagesspiegel einen Bericht über Kriminalhauptkommissar und AfD-Kommunalpolitiker André G. Dem Artikel zufolge soll G. 2022 wegen Missbrauch des Polizei-Notrufs in einem Streit um die Maskenpflicht zu einer Geldstrafe verurteilt worden sein, das Urteil sei noch nicht rechtskräftig. Im Bericht wurde auch moniert, dass sich der Kriminalhauptkommissar innerhalb seiner Direktion mehrfach kritisch gegenüber den Corona-Maßnahmen in der Bundesrepublik geäußert haben soll und im Verdacht stehe, "Querdenker-Ideologien zu verbreiten".

Nach Erscheinen des Artikels leitete das Landeskriminalamt Ermittlungen ein – und zwar gegen den Tagesspiegel-Reporter und Autor des Artikels, Julius Geiler. Dieser steht demnach unter Linksextremismus-Verdacht. Einige Wochen nach dem Erscheinen des Artikels "Zu Geldstrafe verurteilt: Berliner Polizist missbraucht Notruf – wegen Maskenpflicht" stellte der Beamte G. eine Strafanzeige. G. warf dem Tagesspiegel-Reporter Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens sowie politisch motivierte falsche Verdächtigung vor. Geiler habe einen Hetz- und Schmähartikel in der Absicht geschrieben, ihn zu schädigen. Dies könne dazu führen, dass die Polizei ein Disziplinarverfahren gegen G. einleite.

Für G. war durch Google-Recherchen und Zeugenaussagen auch klar, dass Geiler aus dem linksextremen Milieu und der Antifa komme. Das LKA hatte die Vorwürfe des Beamten offenbar übernommen: Geiler führe demnach, getarnt als Journalismus, einen "Kampf gegen rechts". Er verfasse hetzerische Artikel gegen Parlamentarier und Polizisten mit Parteibuch der AfD, welche nach Auffassung von G. "die größte wirkliche Opposition sei". All das zeige, dass Geiler Ziele der linken politisch motivierten Kriminalität verfolge. Daraufhin ermittelte der Staatsschutz, konkret das Dezernat "Politisch motivierte Kriminalität – links". Es wurde auch vermerkt, dass G. ein Schaden in Höhe von 10.000 Euro entstanden sei. Der Beamte bemerkte auch, dass an einer Strafverfolgung gegen Geiler ein besonderes öffentliches Interesse bestehe, es gehe schließlich um Hasskriminalität.

G. habe laut Tagesspiegel zwei Anzeigen gestellt. Geiler bekam demnach Ende Februar zwei Schreiben: In einem wurde er als Beschuldigter aufgeführt, in einem anderen wurde er als Zeuge angeschrieben und sollte aussagen, wie er an die Handynummer des Beamten kam. Mehrere Anfragen des Tagesspiegels, ob die "Umtriebe" des Beamten bekannt seien und ein Disziplinarverfahren einleitet werde, blieben unterdessen unbeantwortet.

Die Ermittlungsakte liegt nun seit zwei Monaten bei der Staatsanwaltschaft, die entscheiden muss, wie es mit dem Fall weitergeht. Mittlerweile hat sich auch Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) zu dem Fall geäußert und zeigte sich gegenüber dem Tagesspiegel "überrascht", dass es ein Verfahren gegen einen Reporter der Zeitung gibt. "Und ich habe mich gefragt, wie es dazu kam", so die SPD-Politikerin. Spranger zufolge müsse jedoch kein Journalist mit Ermittlungen rechnen, "wenn er, sie oder ein Team polizeikritisch berichtet". Als Innen- und Verfassungssenatorin verteidige sie "selbstverständlich die Pressefreiheit als eines unserer elementaren Grundrechte". Spranger stellte im Interview mit der Zeitung jedoch klar:

"Wenn eine Anzeige erstattet wird, muss dieser nachgegangen werden. Das Legalitätsprinzip verpflichtet die Polizei, bei einem Anfangsverdacht Ermittlungen aufzunehmen. Zu dem einzelnen Verfahren kann ich mich nicht äußern. Da müssen Sie die verantwortliche Staatsanwaltschaft fragen."

Berlins Innensenatorin erklärte aber auch, dass sie bereits Informationen angefordert habe, um "sich selbst ein Bild zu machen und sowohl Sachverhalt als auch Maßnahmen bewerten zu können". Sie stellte klar, dass sie "von der Polizei Berlin eine Sensibilität im Umgang mit Journalisten und Medienvertretern erwarte". Sie habe sich bereits mit der Polizei besprochen. Man sei sich "einig, dass in solchen Fällen ein Anschreiben mit der Dienststellenbezeichnung LKA 52 Linksextremismus unsensibel ist".

"Das wird behoben", erklärte Spranger.

Berlins Innensenatorin erklärte auch, dass sie "kein extremistisches Gedankengut in den Sicherheitsbehörden dulde". Die Polizei stellte unterdessen klar, dass wegen "der Sensibilität sowie des hohen Rechtsguts der Pressefreiheit" beim Staatsschutz auch Pressedelikte bearbeitet werden. Die zuständige Fachdienststelle beim Staatsschutz habe das Verfahren aber nicht dem Bereich "politische motivierte Kriminalität – links" zugeordnet. Auf Initiative der Grünen-Fraktion soll der Fall außerdem am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses besprochen werden. Der Abgeordnete Ario Mirzaie (Bündnis90/Die Grünen) erklärte, aus seiner Sicht sei es "skandalös, wie einfach ein Polizist und AfD-Politiker ein Ermittlungsverfahren gegen einen kritischen Journalisten anstoßen und diesen unter Linksextremismus-Verdacht stellen kann".

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