Die Betreuung von Kindern in Berlin wird durch akute Personalnot immer schlimmer. Zum wiederholten Mal schlägt nun der Kindernotdienst in Berlin Alarm, wie der rbb am Donnerstag berichtet. In einem offenen Brief an den neuen Bürgermeister Kai Wegner und Familiensenatorin Katharina Günther-Wünsch (beide CDU) warnen Mitarbeiter vor "unhaltbaren Zuständen".
Wegen chronischer Überlastung des Personals könne die Betreuung der in Obhut genommenen Kinder kaum noch gewährleistet werden. So sind Selbstverletzungen, körperliche und mehrfach auch sexualisierte Übergriffe keine Ausnahmen in der Hauptstadt. In dem Brief heißt es konkret:
"Einige der Kinder bewaffnen sich mit spitzen Gegenständen oder Messern, um sich vor Übergriffen zu schützen oder selbst welche zu begehen."
Viele Kinder müssten zum Teil mehrere Monate in der Kindernothilfe verbringen. Eigentlich sind stets nur wenige Tage für Notfälle vorgesehen.
Der Staatssekretär für Jugend und Familie, Falko Liecke (CDU), kommentiert den Brief mit den Worten:
"Es geht um zehn Plätze, die nie oder in den seltensten Fällen zu hundert Prozent belegt sind. Es geht um einen relativ überschaubaren Kreis von jungen Leuten. Wenn Sie überlegen, dass sie 45 Kolleginnen und Kollegen vor Ort haben, stellt sich die Frage, ob das nicht überzogen ist, was da geschildert wird."
Der Christdemokrat bezieht sich auch auf eine Stelle des Briefes, in dem sich Mitarbeiter auf einen Vorfall in Nordrhein-Westfalen beziehen. Im März war in Freudenberg eine Zwölfjährige von zwei Gleichaltrigen getötet worden. Das könne aber auch in Berlin passieren. Im Brief steht dazu:
"Wir sagen an dieser Stelle in aller Deutlichkeit, dass dazu nicht mehr viel fehlt. Sei es durch Fehleinschätzungen aufgrund unzureichenden Personals, sei es durch Selbstverletzung oder körperliche Übergriffe."
Neu ist das alles nicht, doch die Politik reagiert kaum. Was im Kindernotdienst ablaufe, sei "eine Katastrophe mit Ansage".
Die Mitarbeiter fordern daher vom Senat vor allem eine sofortige Verbesserung der Personalsituation, zum Beispiel durch Leiharbeitskräfte. Immer wieder würde Personal ausfallen wegen Krankheit oder Überforderung. Zudem müsse es in den Stadtteilen mehr Angebote geben, besonders für psychiatrisch auffällige Kinder. Auch die Unterbringungskapazitäten müssten vergrößert werden.
Dem Vorgängersenat von Rot-Rot-Grün werfen die Verfasser vor, die Lage ignoriert zu haben. Die ehemalige Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) beschwichtigte noch im Frühjahr, dass die Lage nicht so dramatisch sei. Es wurde allerdings auch konstatiert, dass es aufgrund des "Fachkräftemangels" schwer sei, neues Personal zu rekrutieren. Dafür wird der Bedarf in der Hauptstadt immer größer, nicht zuletzt durch den anhaltenden Zuzug von Flüchtlingen aus dem Ausland.
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