Ausschlaggebend für die Auflistungen war die Aufforderung der Bundestagsverwaltung an 736 Bundestagsabgeordnete, im Rahmen eines 23-seitigen zugesandten Fragebogens detaillierte Auskünfte zu meldungspflichtigen Nebeneinkommen zu beantworten. Die Transparenzinitiative Abgeordnetenwatch hat nach Veröffentlichung die Ergebnisse zusammen mit dem Hamburger Nachrichtenmagazin Spiegel ausgewertet (Bezahlschranke).
Laut der Initiative belegen die getätigten Angaben, dass "mehrere Abgeordnete
- zusätzlich zu ihrer Diät noch ein monatliches Zweiteinkommen beziehen,
- neben ihrem Mandat mehrere Geschäftsführungsposten ausüben,
- hohe Summen von Konzernen erhalten haben,
- Hunderttausende Euro aus der Beteiligung an Unternehmen kassierten".
Das Ergebnis zeige, dass die Abgeordneten des Bundestags seit Beginn der Legislaturperiode im Herbst 2021 insgesamt meldepflichtige Nebeneinkünfte "von mindestens 24,8 Millionen Euro erhalten" haben. Bei den aufgelisteten Euro-Beträgen kann es sich "um Einkünfte, Gewinn vor Steuern, Gewinnbeteiligungen, Umsätze oder andere Angaben" handeln. Dabei muss berücksichtigt werden, dass "vor allem bei freiberuflich und selbstständig tätigen Abgeordneten neben der Umsatzsteuer meist auch noch Personal- und Sachkosten abgezogen" werden.
In den ausgewerteten Top Ten der Spitzenzusatzverdiener finden sich fünf Abgeordnete der CDU sowie je einer von SPD, AfD, FDP, Grünen und Linken:
Die Linken-Abgeordnete Sahra Wagenknecht erhielt hauptsächlich durch die Buchveröffentlichung ihres Bestsellers "Die Selbstgerechten" einen zusätzlichen Kontopuffer. Im Falle der Grünen-Abgeordnete Ophelia Nick zeigt sich der Sonderfall einer Erbin des weltweit tätigen Maschinenbaukonzerns Voith. Der Berliner Tagesspiegel recherchierte (Bezahlschranke), dass der Linken-Politiker Gregor Gysi im vergangenen Jahr 49 öffentliche Auftritte absolvierte, die entsprechend vergütet wurden. Insgesamt konnte Gysi sich damit nebenbei Einkünfte von mehr als 150.000 Euro sichern. Der FDP-Abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff erhielt laut Tagesspiegel-Angaben 3.000 Euro für einen Vortrag in Palma de Mallorca auf Einladung des "European Accounting Center of Competence".
87 Parlamentarier geben demnach an, nebenbei einer Arbeit als Rechtsanwälte nachzugehen, so auch der FDP-Abgeordnete Wolfgang Kubicki. Dies diene in den meisten Fällen – gering dotierter Angaben – alleinig der Funktion, die Anwaltszulassung nicht zu verlieren. Demgegenüber meldete der AfD-Abgeordnete Enrico Komning dem Bundestag für das vergangene Jahr die Betreuung von 90 Mandanten, über die er rund 395.000 Euro einnahm. Des Weiteren ergab die Auswertung:
"Insgesamt haben 39 Prozent aller Abgeordneten dem Bundestag eine entgeltliche Tätigkeit neben dem Mandat, eine bezahlte Funktion in Unternehmen oder Einnahmen aus Firmenbeteiligungen gemeldet. Rechnet man diejenigen heraus, die sich lediglich in der Kommunalpolitik, der örtlichen Sparkasse oder einem Parteiamt engagieren, bleiben 225 Abgeordnete, die über zusätzliche Einkünfte verfügen."
Nach Vorgaben des Abgeordnetengesetzes sind solche Nebentätigkeiten zulässig, solange das Bundestagsmandat noch "im Mittelpunkt der Tätigkeit" der sogenannten Volksvertreter steht. Zum vorgegebenen Procedere heißt es, dass entsprechende Angaben innerhalb von drei Monaten der Bundestagspräsidentin gemeldet werden müssen. Die Frist für die Erstmeldung "lief Ende Januar 2022 ab, also drei Monate nach der Konstituierung des neu gewählten Bundestags". Der gesamte Berechnungszeitraum erstreckte sich von November 2021 bis zum 31. März 2023.
Der Spiegel-Artikel informiert, dass die meisten der Abgeordneten keine oder "insgesamt weniger als 30.000 Euro" Zusatzeinnahmen gemeldet hatten. Politiker von CDU und FDP nahmen laut Eigenangaben "in 17 Monaten zwischen 30.000 und 150.000 Euro" ein. Die Abgeordnetenwatch-Webseite bietet Interessierten eine interaktive Wahlkreiskarte an, über die herausgefunden werden kann, "wie viel Ihre Abgeordneten zusätzlich zu den Diäten erhielten".
Die Abgeordnetenentschädigung beträgt "seit dem 1. Juli 2022 monatlich 10.323,29 Euro". Die Abgeordneten erhalten dabei keine jährlichen Sonderzahlungen, die Abgeordnetenentschädigung ist einkommensteuerpflichtig.
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