Von Felicitas Rabe
Anlässlich der Karlspreisverleihung an den ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij fanden in Aachen am Sonntag mehrere Protestkundgebungen mit einigen hundert Teilnehmern statt. Erst am Nachmittag wurde offiziell bekannt gegeben, dass Selenskij den Preis persönlich entgegen nehmen würde.
Mit dem Internationalen Karlspreis zu Aachen, sollen Persönlichkeiten oder Institutionen ausgezeichnet werden, "die sich um Europa und die europäische Einigung verdient gemacht haben", heißt es in der Beschreibung der Auszeichnung. Karl der Große gelte als der erste Einiger Europas, weshalb der Herrscher auch der Namensgeber für diesen Preis geworden sei. In diesem Jahr würde der Preis an den ukrainischen Präsidenten verliehen, weil das ukrainische Volk unter seiner Führung Europa verteidigen würde, begründete die Jury ihre Entscheidung. Er verteidige somit "nicht nur die Souveränität seines Landes und das Leben seiner Bürger, sondern auch Europa und die europäischen Werte".
Dem wollten sich die mehrere Friedensinitiativen in Aachen nicht anschließen. So veranstaltete auch das "Bündnis Diplomatie statt Waffen und Sanktionen" am Sonntag unter dem Motto "Frieden in Europa ist nur mit und nicht gegen Russland möglich!" am Elisenbrunnen auf dem Friedrich-Wilhelm-Platz eine Friedenskundgebung. Mehrere Redner und Musiker kritisierten die Verleihung des Karlspreises an Selenskij. Am Bündnis beteiligten sich auch die Initiativen "Aachener für eine menschliche Zukunft", "Freie-Linke-Aachen", "Friedensinitiative-Querdenken241-Aachen", "AK-GewerkschafterInnen Aachen".
Das Bündnis hatte sich schon im Jahre 2022, als drei Frauen aus Weißrussland den Karlspreis erhielten, öffentlich gegen die damalige Preisverleihung aufgestellt und seinerzeit eine Gegenkundgebung unter dem Motto "Freiheit für Julian Assange!" veranstaltet. In einer Pressemitteilung veröffentlichten die Friedensaktivisten ihre Kritik auch am diesjährigen Preisträger.
"In diesem Jahr, in dem Selenskij als Präsident der Ukraine den Karlspreis erhält, fühlen wir uns besonders herausgefordert, unsere Stimme gegen diese Preisverleihung zu erheben", sagte Walter Schumacher als Sprecher des Bündnisses.
"Wir verurteilen die Vergabe eines Preises mit dem Untertitel: ‚Für die Einheit Europas‘, an einen Mann, der als Galionsfigur des Westens alles dafür tut, dass dieser inner-europäische Krieg immer mehr eskaliert und sogar Waffenstillstandsverhandlungen verbietet."
Auf der Kundgebung erklärte auch der langjährige Friedensaktivist Dr. Ansgar Klein, warum die Friedensaktivisten diese Ehrung eines Kriegstreibers ablehnen. In seiner Rede zitierte er aus einer Analyse des Journalisten Florian Warweg, wonach diese Preisverleihung an Zynismus kaum zu überbieten sei. Der "Sachsenschlächter" Karl der Große habe einen Großteil Europas bei einer mit Waffengewalt erzwungenen Christianisierung 40 Jahre lang mit Krieg überzogen. Für seine Großreichsambitionen wurde er von den Nazis als Vorbild propagiert.
So sei dann auch in den fünfziger Jahren als Namensgeber für den "Friedenspreis" ausgerechnet dieser Kaiser gewählt worden, der bereits vom Nazi-Regime propagandistisch instrumentalisiert worden war. Der "Friedenspreis" sei nach einem Herrscher benannt, der während seiner gesamten 46-jährigen Regentschaft … fast pausenlos Angriffs-Kriege in Europa führte, unter anderem gegen Sachsen, Spanien und Italien.
Der heutige Kriegstreiber Selenskij, den Klein im Gespräch mit der Autorin als eine Marionette der US-Regierung bezeichnete, würde diesen Krieg eskalieren und nicht zum Frieden in Europa beitragen:
"Selenskij eskaliert mit massiver Unterstützung der US-geführten NATO, also auch Deutschlands, ohne Rücksicht auf Verluste und mit dem ausdrücklichen Verbot von Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen den Krieg in der Ukraine gegen Russland."
Unterbrochen wurde die Protestveranstaltung von einer proukrainischen Demonstration, die mit mindestens 2.000 Teilnehmern lautstark an der Kundgebung der Friedensaktivisten vorbeizog. Nach ihrem Umzug stellten sich die proukrainischen Aktivisten in hunderte Meter langen Schlangen rund um den Aachener Dom an, um Zutritt zum Marktplatz zu erhalten, denn dort wurde Wladimir Selenskij für einen kurzen Freiluft-Auftritt erwartet. Hunderte Menschen versammelten sich auch zum Public Viewing vor einer Großleinwand auf einem Platz in der Aachener Innenstadt.
Erst gegen 15 Uhr wurde endgültig und offiziell bekannt gegeben, dass der ukrainische Präsident tatsächlich nach Aachen kommen würde. Bis dahin waren Cafébesitzer am Marktplatz mehrfach von der Polizei aufgefordert worden, ihre Außengastronomie ab- und wieder aufzubauen, wie ein Cafébetreiber gegenüber der Autorin beklagte.
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