Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) hat seit etwas über einer Woche ein Problem. Denn seit dem furiosen Auftritt von Beatrix von Storch (AfD) Ende April im Bundestag ist das Saubermann-Image des Vizekanzlers und obersten politischen Klimaschützers deutlich angekratzt. Doch die Konzentration auf die Machenschaften um Posten im und Aufträge aus dem Wirtschaftsministerium lenke von einem viel größeren Skandal dahinter ab, wie von Storch nun noch einmal in einem Interview klarmachte.
Die zwei Skandale im Hause Habeck
Im Wochenrückblick des alternativen, jedoch bürgerlichen-konservativen Internet-Radiosenders Kontrafunk brachte die AfD-Politikerin die Skandale des von Habeck geführten Ministeriums auf den Punkt. Auf die einleitende Feststellung des Moderators, wonach "im Hause Habeck mehr Familie steckt, als einem Ministerium guttut", unterstrich von Storch, dass ihrer Meinung nach zwei Vorwürfe gegen den grünen Minister im Raum stehen:
"Der eine betrifft tatsächlich die Verbandelungen innerhalb des Wirtschaftsministeriums von Robert Habeck. Da gibt es einmal seinen Staatssekretär Patrick Graichen, da gibt es den Parlamentarischen Staatssekretär Herrn [Michael] Kellner, den ehemaligen Generalsekretär der Grünen – oder Bundesgeschäftsführer heißt es bei denen. Und dann gibt es noch zwei Geschwister von Herrn Patrick Graichen, Verena und Jakob Graichen, die sind alle irgendwie in den verschiedenen Organisationen – Agora Energiewende, Öko-Institut: Also lauter Institute, die aus dem Bundeswirtschaftsministerium Aufträge bekommen und dort irgendwelche Ermittlungen und irgendwelche Gutachten schreiben, die jetzt alle umgesetzt werden."
Vetternwirtschaft
Und nicht ohne Sarkasmus bemerkte von Storch, dass der Parlamentarische Staatssekretär Graichen letztlich zugeben musste, über die Protektion für seine Familie durch das Ministerium hinaus auch seinem eigenen Trauzeugen einen Posten verschafft zu haben:
"Im Zusammenhang mit unserer Aktuellen Stunde im Deutschen Bundestag ist Herrn Patrick Graichen eingefallen, dass er neulich ein Vorstellungsgespräch geführt hat und dass dieses Vorstellungsgespräch für den Chef der dena-Posten sein Trauzeuge war. Das ist ihm dann auch noch irgendwie eingefallen. Daran hatte er vorher irgendwie gar nicht gedacht. Oder das hatte er bei dem Vorstellungsgespräch gar nicht gemerkt. Und jetzt im Zuge der Debatte ist ihm das dann doch wieder gekommen."
Die AfD-Abgeordnete verurteilte den Umstand, "dass das Bundeswirtschaftsministerium Millionen-Aufträge an die Firmen verteilt, in denen der familiäre Anhang des Parlamentarischen Geschäftsführers beziehungsweise des Staatssekretärs sitzt."
Es sei "ja vollkommen klar, dass das Bundeswirtschaftsministerium also dann gewillt ist, immer mehr Gelder in die Firmen zu gießen, in denen der familiäre Anhang sitzt, also der Graichen-Clan, um es mal so ganz einfach auszudrücken. Und das hat nicht ein Geschmäckle, das stinkt zum Himmel! Da ist Korruption und Geldverschiebung vorprogrammiert."
Mediale Verschleierung
Bei diesen Machenschaften handele es sich um einen "Riesenskandal" – "und das muss aufgeräumt werden."
Was die Medien angehe, so meinte von Storch, solle doch einmal die "geneigte Presse" zu den Verbindungen, die im Wirtschaftsministerium öffentlich geworden sind, recherchieren. Allerdings sei ein Großteil der investigativen Journalisten "die ganze Zeit" damit beschäftigt, "nur die Opposition zu beobachten". Völlig unbeachtet bleibe "diese Art von Vettern- und Clanstrukturen, die sich dort aufgebaut" hätten. Es sei zwar gut, dass nun darüber geredet werde. Doch hinter diesem Skandal, der nach Auffassung von Storchs lediglich "der kleinere" sei, verberge sich der eigentliche Skandal, der wesentlich größer sei.
Der Skandal hinter dem Skandal
Denn "viel interessanter" seien "die Leute, die dahinterstecken". So müsse die Frage gestellt werden: "Wer finanziert denn das alles?" Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende gab im Interview darauf selbst diese Antwort:
"Ganz vorn steht der Minister. Der hat keine Milliarden, der schreibt keine Gesetze, der denkt sich nichts aus. Das Einzige, was er schreiben kann, sind Kinderbücher – romantische Geschichten über den Blackout. Wir haben das alle gesehen. Dann gibt's die zweite Ebene, die schon ein bisschen – natürlich! – genauer arbeitet. Das ist der Graichen-Clan. Das sind diejenigen, die die Gesetze schreiben. Die denken sich dann aus, wie können wir können jetzt, mal beispielsweise, die Wärmepumpe verpflichtend machen, und Öl- und Gasheizungen – funktionierende! – verbieten und die ganze Republik dazu bringen, ihre Gasheizungen durch Wärmepumpen zu ersetzen. Da steckt schon etwas mehr Grips hinter."
Es sei "offensichtlich", so von Storch, dass verschleiert werden solle, "wer hinter diesen Organisationen steht".
Finanziers im Hintergrund
Wie in ihrer Bundestagsrede machte die Abgeordnete auf Abhängigkeiten von der Finanzindustrie aufmerksam.
"Ja, jetzt hier bei Agora haben wir die European Climate Foundation, dahinter haben wir die Children's Investment Fund Foundation, und dahinter haben wir dann irgendwann einen britischen Milliardär namens Christopher Hohn. Der gleichzeitig dann auch Extinction Rebellion finanziert."
Doch dies sei beileibe nicht die einzige Verbindung zum Finanzkapital:
"Es sind noch andere Stiftungen von noch anderen Milliardären involviert: John MacBain, die Mercator-Stiftung, die Metro-Milliardäre, die stecken in verschiedenen Konstellationen hinter sehr vielen verschiedenen von diesen Stiftungen und finanzieren alle möglichen aktivistischen [Personen] oder eben Institute, die mit irgendwelchen scheinwissenschaftlichen Papieren daherkommen."
Konkrete Erwartungen der Finanzindustrie
Schließlich gehe es diesen Finanziers um konkrete Interessen – sie steckten ihre Mittel "ja nicht in irgendetwas", "weil es sie nicht interessiert, was dabei herauskommt, sondern sie finanzieren das, was sie als Politik umgesetzt sehen wollen". Zur Aufgabenverteilung im Ministerium stellte von Storch ironisch fest:
"Die Graichens sind dann da und machen das konkret und schreiben, sag ich mal, die Gesetze. Und die Habecks stehen da vorne und sind der Grüßaugust."
Es sei notwendig, diese Fragen zu stellen, denn man müsse wissen, "in wessen Interesse hier bei uns eigentlich Politik gemacht wird. Wir haben eine Koppelung der Klimabewegung mit der internationalen Finanzindustrie. Das muss man sehen. Die Fragen müssen gestellt werden. Und dann muss dagegen gearbeitet werden, so schwierig das ist."
Personelle Verbindung zu BlackRock
Am Ende ihres Interviews mit dem Kontrafunk untermauerte von Storch ihre These, die sie vor einer Woche im Bundestag vorgetragen hatte, und suchte sie mit dem Verweis auf eine weitere Personalentscheidung des grünen Ministers zu belegen:
"Es gibt eine Personalie im Hause Habeck, im Wirtschaftsministerium, die allein schon die gesamte Aufmerksamkeit auf sich ziehen sollte. Der Name ist Elga Bartsch. Und Elga Bartsch – sie ist jetzt die Vorsitzende der Grundsatzabteilung im BMWK, also quasi sitzt sie in der Herzkammer. Das volkswirtschaftliche Gehirn ist die Grundsatzabteilung. Und da sitzt die und leitet das."
Denn Bartsch, die Abteilungsleiterin für Wirtschaftspolitik, die ihren Posten seit Anfang des Jahres 2023 versieht, hat, was zwar kein Geheimnis darstellt, aber doch meist wenig Beachtung findet, "bis Sommer '22 (...) die volkswirtschaftliche Research-Abteilung von BlackRock [Webseite bis 6. Mai 2023 noch abrufbar; Anm. d. Red.] in London geleitet", wie von Storch gegenüber dem Kontrafunk betonte. Was dies für die deutsche Wirtschaftspolitik bedeuten könnte, resümierte die Abgeordnete folgendermaßen:
"Das heißt, ich sag' mal, das Gehirn von BlackRock ist jetzt in die Herzkammer des Wirtschaftsministeriums gesetzt worden. Also der größten Kapitalsammelstelle der Welt! BlackRock und Vanguard: ungefähr 17 Billionen Euro oder Dollar, was die bewegen oder haben an Vermögen. Die sitzen jetzt in der Zentrale des Bundeswirtschaftsministeriums und haben die Hand auf unserer Wirtschaft!"
In ihrer Bundestagsrede hatte von Storch sich noch lediglich an den anwesenden CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz als ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden von BlackRock Deutschland gewandt.
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