Von Susan Bonath
Dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) es mit der Wahrheit oft nicht so genau nimmt, pfeifen inzwischen die Spatzen von den Dächern. Erst kürzlich war aufgeflogen, dass der Gesundheitsökonom vor Jahren seinen Lebenslauf frisiert hatte. In der Corona-Krise "etablierte" er sich als oberster Panikmacher. Er interpretierte diverse Studien nach Gutdünken, befürwortete die massive Diskriminierung Ungeimpfter und kolportierte stets die Mär der "nebenwirkungsfreien Impfung".
Dass er daneben lag, war schon damals klar. Heute versucht sich der Minister aus der Affäre zu winden. In einem Interview im ZDF gab er sich betroffen angesichts eines vorangegangenen Beitrags über Impfgeschädigte. Nach mehr als zwei Jahren des Leugnens dieser Probleme wolle er diese Probleme nun doch erforschen lassen. Doch Lauterbach kann es nicht lassen: Erneut belog er die Öffentlichkeit über Fakten und Zahlen.
Fehlende Studien, erfundene Zahlen
Der Gesundheitsminister erklärte nicht nur wahrheitswidrig, bei seiner früheren Behauptung von einer "nebenwirkungsfreien Impfung" handele es sich lediglich um "eine Übertreibung, die ich da einmal in einem missglückten Tweet gemacht habe". Denn tatsächlich hatte er dies häufiger behauptet, etwa in Talkshows, bei denen er zeitweise Dauergast war. Er spielte die Folgen der Corona-Injektionen zudem erneut herunter – und dies mit offenbar erfundenen Zahlen. Wörtlich erklärte Lauterbach:
"Schwere Impfschäden sind auf der Grundlage des Paul-Ehrlich-Instituts oder der europäischen Zulassungsbehörde in der Größenordnung von weniger als eins zu 10.000 Impfungen."
Wo genau er bei den genannten Behörden diese Daten gefunden haben will, erläuterte er nicht. Und tatsächlich existieren sie nicht. Eine wissenschaftliche Grundlage für die Angabe, dass angeblich weniger als ein schwerer Schaden pro 10.000 Impfungen aufgetreten sei, gibt es schon gar nicht. Denn weder das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Deutschland noch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) haben dazu evidenzbasiert geforscht. Lauterbachs Angabe geht auch nicht aus den PEI-Daten hervor.
Das in Deutschland für die Impfstoffsicherheit zuständige PEI sammelt lediglich Verdachtsfälle. Diese werden teils von Ärzten, teils von Betroffenen oder Angehörigen gemeldet. Aus vielen Erzählungen Geschädigter geht hervor, dass Mediziner häufig mögliche Zusammenhänge leugnen und eine Meldung verweigern.
Das PEI selbst untersucht die Verdachtsfälle nicht klinisch. Vielmehr interpretiert es sie nur statistisch. Auf zahlreiche Anfragen der Autorin, wie vielen Fällen wie nachgegangen wurde, erklärte das PEI sinngemäß: Man könne das nicht sagen, zuständig dafür seien ausschließlich die Behörden vor Ort. Manchmal frage das PEI nach, führe aber keine Statistik. Kurzum: Das PEI wisse dies nicht.
So dürfte es sich bei den Meldefällen nur um die Spitze eines Eisbergs handeln. Das wahre Ausmaß ist nicht ansatzweise bekannt. Auch werden die Fälle nicht systematisch untersucht, sodass niemand sagen kann, ob ein kausaler Zusammenhang zur Impfung besteht, und wenn ja, welcher. Mit anderen Worten: Wegen fehlender Studien weiß kein Mensch auch nur annähernd, wie viele Geimpfte durch die Corona-Präparate geschädigt wurden. Lauterbachs Angabe von "eins zu 10.000" ist eine bloße Behauptung.
Meldequote ist viel höher
Das PEI hält seinerseits vieles im Dunkeln. Zunehmend verschwieg es in seinen Sicherheitsberichten sowie gegenüber der Presse immer mehr Details. Bereits seit über einem Jahr erfährt die Öffentlichkeit beispielsweise nichts mehr über schwerwiegende Meldungen bei Kindern und Jugendlichen, seit Mitte 2022 hält es auch die Anzahl angezeigter Todesfälle geheim. In den ersten eineinhalb Impfjahren wurden dem Institut bereits mehr als 3.000 Sterbefälle übermittelt, bei denen die Impfung als Ursache im Verdacht steht.
In seinem zuletzt herausgegebenen, stark gestutzten Bericht ist allerdings die Rede von insgesamt rund 333.500 gemeldeten mutmaßlichen Nebenwirkungen bis Ende Oktober 2022. Von diesen habe das PEI knapp 51.000 Fälle als schwerwiegend eingestuft, dies bei rund 188 Millionen verspritzten Dosen. Das wäre dann allerdings nicht etwa "weniger als ein Fall bei 10.000 Impfungen", sondern fast drei Fälle, also dreimal mehr, als Lauterbach behauptete.
Bezogen auf die 64,8 Millionen mindestens einmal geimpften Personen in Deutschland wurden dem PEI demnach sogar acht schwer Geschädigte pro 10.000 Probanden gemeldet. Auf rund 1.260 Geimpfte kam bis Ende Oktober vergangenen Jahres somit ein schwerwiegender Verdachtsfall, die Dunkelziffer ist unbekannt.
Die Erkrather Anwaltskanzlei Rogert & Ulbrich äußerte sich in einer Pressemitteilung vom 15. März ähnlich zu Lauterbachs Interview. Die Juristen enttarnten die vom Minister genannten Zahlen mit Blick auf das PEI sowie die EMA als eindeutig falsch. Darüber hinaus habe er wahrheitswidrig behauptet, die Krankenkassen übernähmen die Behandlungskosten für Geschädigte vollständig. Wörtlich teilte die Kanzlei dazu mit:
"Vielmehr hätten viele Mandanten mittlerweile beträchtliche Schulden angehäuft, weil ihre Krankenkasse die teuren Behandlungen eben nicht übernehme. Besonders perfide dabei sei, dass die Kassen sich teilweise darauf beriefen, dass die Impfung freiwillig sei und eine Drittschädigung vorliege, weshalb man sich an die Schädiger halten müsse, erläutern die Anwälte weiter."
Vorsätzlich getäuscht?
Die tatsächlichen Fakten zur Erforschung der schweren Impfnebenwirkungen zeigen sehr deutlich, wie der Gesundheitsminister mit Fake News arbeitet, offensichtlich um die Öffentlichkeit weiterhin zu beschwichtigen. Diese Fakten kann man wie folgt zusammenfassen:
Erstens sammelt das PEI nur Verdachtsfälle, die es ausschließlich statistisch interpretiert. Dabei kamen bis Ende Oktober 2022 fast 51.000 schwerwiegend Betroffene zusammen. Allerdings ließ das PEI diese Fälle nie systematisch untersuchen. Niemand kann also wissen, wie viele Menschen es wirklich betrifft.
Zweitens existieren in Deutschland keinerlei evidenzbasierte Studien zur Erforschung von Impfschäden. Einen Versuch hatte der Charité-Mediziner Harald Matthes gestartet. Er kam auf etwa acht Geschädigte von 1.000 Geimpften. Mangels Forschungsbudget erhob Matthes die Daten damals über ein Online-Portal. Das brachte Matthes harsche Vorwürfe und mediale Shitstorms ein. Die Charité stoppte die Studie.
Drittens berichteten mittlerweile unzählige Betroffene, wie Ärzte einen möglichen Impfzusammenhang selbst bei unmittelbarer zeitlicher Korrelation leugneten, sie abwimmelten, ihnen psychische Probleme unterstellten und sich weigerten, die Probleme dem PEI zu melden. Sogar medizinische Behandlungen mussten viele Betroffene selbst bezahlen. Es ist von einer hohen Dunkelziffer Geschädigter auszugehen.
Lauterbach ist also keineswegs geläutert. Anstatt Verantwortung zu übernehmen, Fehler einzugestehen und endlich zielführende Studien aufzusetzen, sofern es jetzt noch möglich ist, führt er die Öffentlichkeit weiterhin mit falschen Zahlen in die Irre. Was er allerdings in dem Interview mit dem ZDF einräumte, ist zweifellos ein unfassbarer Skandal. Er bezog sich auf die PEI-Berichte und sagte:
"Die Zahlen waren mir ja all die Zeit bekannt, die sind auch relativ stabil geblieben. (...)"
Tatsächlich hatte das PEI bis Mitte 2021, bevor Lauterbach seinen Tweet über "nebenwirkungsfreie Impfungen" absetzte, bereits knapp 107.000 Meldungen insgesamt ausgewiesen, darunter rund 10.600 schwerwiegende Erkrankungen und über 1.000 Todesfälle, bei denen die Corona-Impfung als Ursache vermutet wurde.
Um es auf den Punkt zu bringen: Lauterbach hat die offiziellen Zahlen demnach keineswegs aus Dummheit ignoriert. Wie er selbst erklärt, wusste er genau Bescheid, hat also bewusst gelogen und so die Öffentlichkeit getäuscht – mit schwerwiegenden Folgen für eine unbekannte Zahl von Menschen.
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