Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs haben 2022 18.775 neue Soldaten ihren Dienst bei der Bundeswehr angetreten. Das teilte das Bundesverteidigungsministerium auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa mit. Zwar stieg die Zahl der Rekruten um rund zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahr an. Das Vor-Corona-Niveau mit 20.170 Rekruten im Jahr 2019, darunter 9.171 Soldaten auf Zeit, 8623 freiwillige Wehrdienstleistende sowie 981 freiwillige Wehrdienstleistende im Heimatschutz, konnte damit allerdings noch nicht erreicht werden.
Dagegen habe der Frauenanteil in der Bundeswehr 2022 mit 17 Prozent Rekordhöhe erreicht, teilte die Bundeswehr der Nachrichtenagentur mit. Dabei seien Frauen in allen Dienstgraden vertreten, vom Gefreiten bis zum General. Gründe für das Wachstum seien gleiche Karrierechancen und Bezahlung. Ebenso stieg der Anteil minderjähriger Rekruten. Während er im Jahr 2019 noch bei 8,5 Prozent lag, ist er nun erstmals auf 9,4 Prozent gestiegen. Von den 2022 minderjährig eingestellten Rekruten leisten demnach 1.089 den Freiwilligen Wehrdienst ab; 569 sind Soldatinnen und Soldaten auf Zeit und 115 Freiwillig Wehrdienstleistende im Heimatschutz.
Minderjährige Soldaten dürfen nach Angaben des Verteidigungsministeriums jedoch keinen Dienst verrichten, "der den selbstständigen Gebrauch der Waffe fordern könnte". Auch nehmen sie nicht an Wachdiensten oder Auslandseinsätzen teil. Zudem müssen die Eltern zustimmen. Vor der Rekrutierung durchlaufen Bewerber überdies ein umfassendes Auswahlverfahren, bei dem sichergestellt werde, dass nur 17-Jährige eingestellt werden, die sich eingehend mit den Anforderungen des Soldatenberufs auseinandergesetzt haben und dafür geeignet sind, so das Verteidigungsministerium. Mit diesen Bestimmungen halte sich die Bundesrepublik Deutschland an ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen im Rahmen der UN-Kinderrechtskonvention.
Die UN-Kinderrechtskonvention verbietet die Rekrutierung von Minderjährigen, auch die Kinderkommission des Bundestags empfahl Deutschland wiederholt, das Rekrutierungsalter auf 18 Jahre anzuheben. Um den Bestimmungen gerecht zu werden, hatten SPD, Grüne und FDP im Koalitionsvertrag im Bund vereinbart, dass "Ausbildung und Dienst an der Waffe … volljährigen Soldaten vorbehalten" bleibe. Die Bundeswehr arbeite laut eigener Aussage demnach bereits an der Umsetzung dieses Vorhabens.
2011 wurde die Wehrpflicht nach 55 Jahren ausgesetzt. Allerdings wurde dies, insbesondere vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs, von Vertretern mehrerer Parteien wiederholt als Fehler bezeichnet, zuletzt auch von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Während des Kalten Krieges galt die Wehrpflicht als wichtige Maßnahme gegen eine mögliche Bedrohung. Im Jahr 1990 war die Bedrohung zurückgegangen, und zu wenige Wehrpflichtige kamen überhaupt in die Bundeswehr. Eine Wehrgerechtigkeit war daher nicht mehr gegeben. Klagen für die Wehrgerechtigkeit schienen 2010 nur eine Frage der Zeit.
Zum 1. Januar 2011 wurde die Wehrpflicht dann komplett ausgesetzt. Dennoch steht sie weiterhin im Grundgesetz und ist somit nicht komplett abgeschafft. Kurz nach seiner Vereidigung hatte Pistorius für die Wiedereinführung des einst unbeliebten Zwangsdienstes plädiert. Eine Wehrpflicht stärke die Bindung zwischen Gesellschaft und Bundeswehr, sagte der SPD-Politiker: "Unsere Parlamentsarmee gehört in die Mitte der Gesellschaft." Die Äußerungen des Verteidigungsministers hatten in Deutschland für das Aufleben einer immer wieder geführten Debatte gesorgt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte dieser jedoch noch im Februar eine Absage erteilt.
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