Der Vizechef des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle Oliver Holtemöller erklärte am Montag dem MDR, die hohe Zahl der Schulabbrecher wirke sich "negativ" auf die ostdeutsche Wirtschaft aus. Die Quote sei in den neuen Ländern etwa doppelt so hoch wie im Westen. Er betonte:
"In Ostdeutschland ist die Schulabbrecherquote ungefähr doppelt so hoch wie in Westdeutschland, und wer keinen Schulabschluss hat, kann auch keine Berufsausbildung machen."
Holtemöller unterstrich, dass man erst am Anfang des Fachkräftemangels stehe. Zum Ende dieses Jahrzehnts werde sich die Lage noch deutlich zuspitzen, dazu komme auch die Überalterung der Gesellschaft in den neuen Ländern. Um die Quote der Schulabbrecher zu senken, würde es sich lohnen, erklärt Holtemöller, die Kinder und Jugendlichen besser dabei zu unterstützen, zu einem Schulabschluss zu kommen. Das hätte auch positive Folgen für das Handwerk.
Am Montag trafen sich die ostdeutschen Ministerpräsidenten auf einer Fachkräftekonferenz. Dabei stehen der "Ausbau der Willkommenskultur", das Lohngefälle Ost-West und die hohe Zahl der Schulabbrecher im Mittelpunkt. Joachim Ragnitz, der am ifo Institut Dresden zur regionalen Entwicklung in Ostdeutschland forscht, bezeichnet das als Schritt in die richtige Richtung. Vor allem das Lohngefälle von 20 Prozent bei nicht tariflicher Bezahlung zwischen Ost- und Westdeutschland müsse verringert werden. Ein Problem, dass sich aufgrund des Kampfes gegen den Fachkräftemangels ändern würde, meint Ragnitz. Bessere Ausbildung gehe demnach mit einem höheren Einkommen einher – mit positiven Folgen:
"So gesehen wird man durch diesen Fachkräftemangel einen Modernisierungsschub in ganz Deutschland, aber eben auch in Ostdeutschland erleben, der dazu führt, dass eine höhere Produktivität erreicht wird."
Unter anderem soll die Digitalisierung weiter vorangetrieben werden, um Abläufe mit weniger Personal umsetzen zu können. Das kostet allerdings auch Arbeitsplätze – ein Problem, auf das Ragnitz keine Antworten lieferte.
Er setzt sich dagegen für mehr Fachkräfte aus dem Ausland ein. Deren Abschlüsse müssten "unbürokratischer" anerkannt werden. Weiterhin spielte er auf angebliche Ressentiments der Ostdeutschen gegenüber Ausländern an:
"Viel größer scheint mir das Problem zu sein, dass gerade der Osten nicht so attraktiv ist, um herzukommen. Zum einen, weil die Löhne gering sind, zum anderen, weil teilweise auch Vorbehalte gegen Zuwanderung von Ausländern bestehen."
Viele Verantwortliche haben das offenbar noch nicht begriffen, fügte der gebürtige Niedersachse hinzu. Das sieht auch der Hesse Holtemöller ähnlich, der die dafür angeblichen Verantwortlichen klar benannte:
"Es gibt einfach je Einwohner deutlich mehr rechtsextreme Straftaten in Ostdeutschland als in Westdeutschland, und das sind Dinge, die wahrgenommen werden."
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