Gesetzesverstoß oder Einschüchterung? Berliner Anwalt bekommt nach Wahlwiederholung Polizeibesuch

Ein Berliner Anwalt erstreitet für seinen Mandanten Einsicht in die Akten und Dokumente zum Berliner Wahldebakel vom September 2021. Zudem vertritt er Mandanten im Streit um die von der grünen Verkehrssenatorin erzwungene Teilsperrung der Flaniermeile Friedrichstraße. Am 15. Februar klingelt dann die Polizei an der Tür seiner Kanzlei.

Drei Tage nach der jüngsten Wahlwiederholung am 12. Februar in Berlin bekam der Berliner Rechtsanwalt Marcel Templin unerwarteten und unangemeldeten Besuch in seiner Kanzlei. Die Polizei eskortierte Mitarbeiter des Amtsgerichts Tiergarten, um im Rahmen einer angeordneten Durchsuchung mutmaßlich in der Kanzlei befindliche Unterlagen zu konfiszieren. 

Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft hatte das Amtsgericht Tiergarten die Durchsuchung der Geschäfts- und Nebenräume des Anwalts genehmigt, da Templin vorgeworfen wird, gegen "die anwaltliche Schweigepflicht verstoßen" zu haben. Der Anwalt habe "maßgeblichen Anteil an der Aufdeckung der Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus, den Bezirksparlamenten und zum Bundestag am 26. September 2021" gehabt, so die Darlegungen der Berliner Zeitung.

Marcel Templin hatte im Auftrag des ehemaligen FDP-Senatsabgeordneten Marcel Luthe beim Berliner Landesverfassungsgericht Einspruch gegen die Wahlen eingelegt und Akteneinsicht erstritten. Die Dokumente und ihr inhaltliche Öffentlichmachung waren mitverantwortlich für die Wahlwiederholung am 12. Februar. Der Artikel der Berliner Zeitung erläutert zu den Hintergründen der polizeilichen Aktion:

"Dass kurz nach der Wahl – ausgestellt war der Durchsuchungsbeschluss bereits am 6. Januar – Templins Kanzlei durchsucht wurde, liegt vermutlich an einer Beschwerde, die bei der Rechtsanwaltskammer oder der Staatsanwaltschaft einging."

Darin werden dem Anwalt "berufsrechtliche Verstöße wie die Nichteinhaltung der Schweigepflicht" vorgeworfen. Mitarbeiter Templins hätten nach Ansicht des Beschwerdeführers "Fotos von Wahlprotokollen veröffentlicht" – ein Vorgang, der für Mitarbeiter von Anwälten ohne Zustimmung verboten ist. Templin reagierte laut der Berliner Zeitung auf die Vorwürfe mit der Erläuterung, dass "das allerdings gar nicht seine Mitarbeiter gewesen" seien und er "lediglich den Antrag auf Akteneinsicht beim Berliner Verfassungsgericht für seinen Mandanten Marcel Luthe gestellt hatte".

Im Hinblick auf die Rolle des ehemaligen Senatsabgeordneten heißt es in dem Artikel, dass Luthe selbst "im Rahmen seiner Akteneinsicht mehrere Helfer angeheuert hatte". Diese sichteten beim Gericht "die in Kartons lagernden 30.000 Seiten Wahlunterlagen aus den Bezirken" und fotografierten Teile davon ab. Anschließend wurden die Fotos durch Marcel Luthe, nicht Anwalt Templin, den Medien zur Verfügung gestellt. Luthe wird mit den Worten zitiert: "Das sind keine Geheimdokumente, sondern hoch öffentliche Unterlagen", womit er sich auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf aus dem Jahr 2002 bezog.

Luthe erläuterte weiter, dass es "zu einem Streit zwischen der Gerichtspräsidentin Ludgera Selting und seiner Mitarbeiterin kam". Selting monierte dabei vehement den Vorgang des Abfotografierens der Wahldokumente. Einen im Anschluss gestellten Befangenheitsantrag Templins gegen Selting, die über eine mögliche Wahlwiederholung mitzuentscheiden hatte, lehnte das Gericht damals ab, so der Artikel der Berliner Zeitung

Die LKA-Beamten, die im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft Anwalt Templins Kanzlei aufsuchten, beschlagnahmten schließlich "mehrere Akten". Dem Artikel zufolge vertritt Templin auch Mandanten, die von der temporären Teilsperrung der Berliner Friedrichstraße betroffen sind, einem mäßig erfolgreichen Prestigeprojekt der grünen Verkehrssenatorin und Bürgermeisterkandidatin Bettina Jarasch.

Wer sich schlussendlich jedoch "über die angeblichen berufsrechtlichen Verstöße bei der Rechtsanwaltskammer beschwert hat", teilte deren Sprecher laut der Berliner Zeitung "mit Verweis auf die Verschwiegenheitspflicht" nicht mit.

Mehr zum Thema - Berlin: Aktivist der "Letzten Generation" klebte sich an Gerichtstisch und darf ihn nun behalten