Letzte Nacht sei "Hans Modrow mit 95 Jahren von uns gegangen", teilte die Linksfraktion im Bundestag am Samstag mit. Die Partei verliere damit "eine bedeutende Persönlichkeit", erklärten der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch und der frühere Fraktionschef Gregor Gysi.
In den 1970er Jahren wurde Hans Modrow der 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED in Dresden. Als Ministerpräsident begleitete er das Ende der DDR. Nur vier Tage nach dem Fall der Mauer, am 13. November 1989, wurde er zum Vorsitzenden des Ministerrates der DDR – für rund 150 Tage. Bei den Volkskammerwahlen am 18. März 1990 verlor die SED/PDS die Macht und Modrow einen Monat später sein Amt. Ihm folgte als letzter Ministerpräsident der DDR bis zur Wiedervereinigung der CDU-Politiker Lothar de Maizière.
Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch, beschrieb Modrow in einer Nachricht auf dem Kurznachrichtendienst Twitter als einen "zutiefst aufrichtigen und kämpferischen Sozialisten". Bartsch ergänzte:
"Bis ins hohe Alter war er ein wichtiger Ratgeber in unserer Partei, dessen Klugheit fehlen wird."
"Der gesamte friedliche Verlauf der Herstellung der deutschen Einheit war gerade ein besonderes Verdienst von ihm. Das wird sein politisches Vermächtnis bleiben", schrieben Bartsch und Gysi in ihrem Nachruf. Weiter heißt es:
"Sein späteres Wirken in der Volkskammer, im Bundestag, im Europäischen Parlament und als Ehrenvorsitzender der PDS bestand immer darin, auch jenen Teil der früheren DDR-Bevölkerung zu vertreten, der nicht gewollt war und dessen Interessen regelmäßig verletzt wurden."
Nach der Wiedervereinigung saß Modrow in den Jahren 1990 bis 1994 für die PDS im Deutschen Bundestag und vertrat sie von 1999 bis 2004 im Europaparlament.
Wie es in einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur (dpa) heißt, habe Modrow den neuen Staat "durchaus kritisch" gesehen. Zu schnell sei die deutsche Einheit vollzogen worden, zu bedingungslos sei die DDR untergegangen, und zu einseitig sei sie als "Unrechtsstaat" verdammt worden, habe Modrow laut dpa in vielen Interviews kritisiert.
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