Hans-Georg Maaßen wurde am Samstag auf einer Mitgliederversammlung der sogenannten Werteunion in Nordrhein-Westfalen mit 95 Prozent der Stimmen zum Vorsitzenden gewählt. Maaßen sorgt seit Jahren mit Äußerungen am rechten Rand für Schlagzeilen und bringt zunehmend auch Politiker der Union gegen sich auf. Er gehört der CDU an, Parteichef Friedrich Merz sieht aber keinen Platz mehr für ihn in der Partei.
Der Vorsitz bei dem Verein, der zwar keine parteiinterne Vereinigung ist, sich aber als solche versteht, war seit dem Rückzug von Max Otte vor einem Jahr vakant. Otte hatte sich für die AfD zum Kandidaten für das Bundespräsidentenamt aufstellen lassen. Mittlerweile ist er auch aus der CDU ausgeschlossen worden. Kommissarisch stand Simone Baum als Sprecherin des Bundesvorstandes an der Spitze. Die Werteunion ist keine offizielle Vereinigung der Union. Sie hat nach eigenen Angaben rund 4.000 Mitglieder – nicht alle von ihnen sind auch Mitglieder der CDU oder CSU.
Er werde sich "für die Durchsetzung christlich-demokratischer Ziele, für konservative und liberale Werte und gegen jede Art von Ökosozialismus und Gender-Wokismus einsetzen", schrieb Maaßen am Dienstag auf Twitter ungeachtet des enthaltenen Widerspruchs, sofern Maaßen damit politischen ebenso wie wirtschaftlichen Liberalismus meint.
In den vergangenen Tagen war Maaßen erneut stark in die Kritik geraten. In einem Tweet behauptete er, Stoßrichtung der "treibenden Kräfte im politischen-medialen Raum" sei ein "eliminatorischer Rassismus gegen Weiße". In einem Interview sprach er von einer "rot-grünen Rassenlehre".
Daraufhin hatten ihn mehrere CDU-Politiker zum Parteiaustritt aufgerufen oder mit einem Antrag auf Parteiausschluss gedroht. Maaßen, der zwar aus Westdeutschland stammt, aber aktuell Mitglied der Thüringer CDU ist, hat im Landesverband keinerlei Amt oder Funktion. Er nutzte damit die Möglichkeit, sich in einem Wahlkreis fernab des eigenen Wohnorts für den Bundestag zur Wahl stellen zu lassen.
Am Donnerstagabend forderte ihn der Landesvorstand der Thüringer CDU in einem einstimmig gefassten Beschluss auf, die Partei zu verlassen. "Das Maß ist voll", hatte Thüringens CDU-Chef Mario Voigt gesagt und kritisiert, mit seinen Äußerungen fische Maaßen im Völkischen, er habe Grenzen überschritten. CDU-Generalsekretär Christian Herrgott sagte MDR Thüringen, Maaßens jüngste Äußerungen passten weder im Stil noch im Inhalt zu Werten und Zielen der Thüringer CDU. Daher habe er Maaßen aufgefordert, die Partei zeitnah zu verlassen.
Auch CDU-Chef Merz sagte nun der Bild am Sonntag: "Das Maß ist voll. Wir haben Herrn Maaßen aufgefordert, die Partei zu verlassen. Ein Parteiausschluss ist nicht ganz einfach, aber wir lassen gerade sorgfältig prüfen, welche Möglichkeiten wir haben." Maaßens Sprache und Gedankengut hätten in der CDU keinen Platz mehr.
CDU-Vize Andreas Jung betonte ebenfalls, Maaßen füge der CDU schweren Schaden zu und habe in der Partei nichts mehr verloren: "Unsere Union steht für zusammenführen und integrieren, Maaßen dagegen diffamiert und gießt fortlaufend Öl ins Feuer", sagte Jung am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Damit die Glaubwürdigkeit der CDU nicht dauerhaft beschädigt werde, müsse nun gehandelt werden. "Das Verfahren zum Parteiausschluss muss zeitnah eingeleitet werden. Da ist jetzt klare Kante gefordert." Es gehe um die Glaubwürdigkeit als die Volkspartei "der Mitte mit dem C".
Der heutige Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang warf seinem Vorgänger in dem Amt vor, der Behörde mit radikalen rechten Äußerungen zu schaden. "Denn wir werden immer wieder auch mit derartigen Dingen dann in Verbindung gebracht", erklärte Haldenwang im Deutschlandfunk. Haldenwang sagte über Maaßen, "dass er durch sehr radikale Äußerungen in Erscheinung tritt, Äußerungen, die ich in ähnlicher Weise eigentlich nur vom äußersten rechten Rand politischer Bestrebungen wahrnehmen kann". Er schließe sich der Kritik unter anderem des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, an, "der hier eindeutig antisemitische Inhalte (...) sieht".
In Maaßens Amtszeit als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz ging es auch um dessen Fehler im NSU-Komplex und um die NSA-Überwachungsaffäre. Bezüglich der Verfassungstreue und der darin verankerten Grundsätze wie der Presse- und Meinungsfreiheit hat sich Maaßen ebenfalls des Öfteren in einer Art geäußert und gehandelt, die an düstere Vergangenheiten erinnert.
So sagte er 2021, er wolle Journalisten in Untersuchungsausschüssen auf deren "charakterliche Eignung" überprüfen lassen. Als Anwalt hatte er sich gegen eine Vertretung von Mandanten gestellt, die nicht seine Ansichten vertreten. Maaßen selbst hatte sich von der CDU distanziert, im Jahr 2019 sagte er beispielsweise: "Ich bin vor dreißig Jahren nicht der CDU beigetreten, damit heute 1,8 Millionen Araber nach Deutschland kommen."
Nach seiner Entlassung als Verfassungsschutz-Chef verbreitete er nach Ansicht von Kritikern Verschwörungsmythen, indem er sich als Opfer einer Verschwörung durch "linksradikale Kräfte" in der SPD darstellte. Seitens rechtsradikaler Kräfte hingegen erntete Maaßen viel Lob, so von dem rechtsextremen AfD-Politiker und Thüringer AfD-Chef Höcke, laut dem Maaßen "viele Schnittstellen zur AfD" habe. Überschneidungen zwischen der Werteunion und der AfD gibt es seit Langem nicht nur hinsichtlich der Inhalte, sondern auch finanziell. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD im März 2021 als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft – eine Einschätzung, die rund ein Jahr später in erster Instanz durch das Verwaltungsgericht Köln bestätigt wurde.
Derweil verteidigt die Werteunion ihren neuen Vorsitzenden samt dessen Haltung und Bemerkungen, die laut dem Verein keinerlei Kritik bedürfen. Stattdessen seien die aktuellen Äußerungen Haldenwangs "ein untauglicher Versuch", Maaßen in die Nähe des Antisemitismus zu rücken. "Sie sind ebenso belegfrei wie abwegig", behauptete der Verein. Es habe zu keinem Zeitpunkt je eine antisemitische Aussage von Maaßen gegeben und auch keine Aussage, die man in Richtung Antisemitismus hätte deuten können.
Kritik kam allerdings erst vor Kurzem nicht nur vom Antisemitismusbeauftragten des Bundes, sondern auch dem American Jewish Committee (AJC) und der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS). Laut dem Antisemitismusbeauftragten Felix Klein habe Maaßen mit seinem Tweet, wonach die "treibenden Kräfte im politischen-medialen Raum" einen "eliminatorische(n) Rassismus gegen Weiße" betrieben, "ganz klar die Grenze demokratischer Legitimität" überschritten und die Schoa relativiert. Denn mit der Aneignung und Umdeutung des vom Historiker Daniel Goldhagen geprägten Begriffs des "eliminatorischen Antisemitismus", der sich auf die Frage bezog, wie die Verbrechen des Nationalsozialismus, insbesondere der Holocaust, möglich waren, relativiere Maaßen ebendiese Verbrechen inklusive einer Täter-Opfer-Umkehr, die "typisch für antisemitische Hetze" sei.
Während sich Maaßen von seinem Team ironiefrei als "Antifaschist" darstellen lässt, hatten auch frühere Tweets von Maaßen, wonach "Globalisten und Sozialisten" gemeinsam die "gewöhnlichen Menschen" verachteten, wegen der Parallelen zum Schreckgespenst eines vermeintlichen "Jüdischen Bolschewismus" Kritik hervorgerufen, das im vergangenen Jahrhundert bekanntermaßen schwerwiegende Folgen nicht nur in Deutschland hatte. Gleichzeitig stellt sich die Frage, inwieweit er nun für wirtschaftlichen Liberalismus steht, denn Globalisierungskritik fußt auf der Problematik, dass diese zu unreguliert sei, was wiederum wirtschaftsliberalen Vorstellungen entspricht. Innerhalb der CDU sorgte die Personalie Maaßen schon seit Längerem für Streitigkeiten.
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(rt/dpa)