Bundestag erkennt Verbrechen gegen Jesiden als Völkermord an

Wenige Jahre nach den Massakern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) an den Jesiden hat der Bundestag die Verbrechen einstimmig als Völkermord anerkannt. Deutschland sieht sich in besonderer Verantwortung für die Gemeinschaft. Die Aufarbeitung der Taten soll fortgeführt werden.

Der Bundestag hat als das erste Parlament eines großen europäischen Staates die Gräueltaten an den Jesidinnen und Jesiden im Jahr 2014 als Völkermord anerkannt. Eine von den Ampel-Fraktionen und der CDU/CSU gemeinsam vorgelegte Resolution wurde einstimmig angenommen. Auch die Fraktionen der Linken und der AfD, die nicht an der Ausarbeitung der Vorlage beteiligt waren, stimmten dafür. So heißt es in der Resolution: 

"Der Deutsche Bundestag verneigt sich vor den Opfern der durch den IS begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit."

Der Bundestag beschloss am Donnerstag in Berlin unter anderem:

"Es muss zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe Deutschlands werden, die Aufmerksamkeit für und das Erinnern an den Völkermord an den Jesidinnen und Jesiden im öffentlichen Bewusstsein zu schaffen."

Die Aufarbeitung müsse weiter unterstützt werden. Mehr als 5.000 Angehörige der jesidischen Religionsgemeinschaft wurden vor allem im Sommer 2014 vom IS ermordet. Die Terrormiliz zielte auf die Vernichtung der vor allem um die irakische Stadt Mosul und im nahen nordirakischen Sindschar-Gebirge lebenden Minderheit ab.

Im Nordirak und in Syrien hatte die Dschihadistenmiliz Frauen und Mädchen in die Sklaverei gezwungen, Jungen als Kindersoldaten rekrutiert und Tausende Männer getötet. Der IS brandmarkte die Jesiden als "Ungläubige" und "Teufelsanbeter". Rund 300.000 sollen aus der Region geflüchtet sein. Viele starben auch an Hunger und Durst während der Flucht.

Der Bundestag stellte in seinem Beschluss fest, dass in Deutschland "die größte jesidische Diaspora weltweit" lebe. Laut Medienberichten seien seit 2015 rund 85.000 Jesiden in die Bundesrepublik geflüchtet. "Wichtig ist ihr Leben in Selbstbestimmung", heißt es weiter in der Resolution. Die Diaspora sei Teil der deutschen Gesellschaft. Der Bundestag werde sich mit Nachdruck für den Schutz jesidischen Lebens in Deutschland einsetzen. Zugleich soll Berlin bei der Suche von "verschleppten Frauen, Kindern sowie von nach wie vor vermissten Angehörigen" Unterstützung leisten. Auch beim Wiederaufbau der zerstörten Städte und Dörfer soll geholfen werden, "um den 300.000 geflüchteten Jesidinnen und Jesiden die Rückkehr in ihre Heimat zu ermöglichen", heißt es in der Resolution. 

(rt/dpa)

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