Von Dagmar Henn
Gleich, wer nun zum nächsten Verteidigungsminister bestimmt wird – die Besetzung wird sich nach dem Motto dieser Bundesregierung richten, das lautet: vom Regen in die Traufe. Allein die Tatsache, dass es sich beim Posten des Kriegsministers um das laut Presse "wichtigste Ministeramt in der Bundesregierung" handelt, müsste schon verstärktes Gruseln auslösen, wenn nicht noch dazu käme, dass das Amt des Außenministers so besetzt ist, dass jede Diplomatie garantiert unmöglich ist.
Schon die Besetzung vor Christine Lambrecht war fragwürdig, man denke nur an die Gorch Fock, und letztlich hat Lambrecht selbst mit dem Familienausflug im Staatshubschrauber nur das getan, was alle anderen auch tun. Sie ist allerdings nicht zackig genug, nicht forsch genug auf dem Weg in den Abgrund, der sich durch die Lieferung hoch ausbildungsbedürftiger Waffen in die Ukraine so herrlich beschleunigen lässt. Aus dem wirklichen Militär kam – wie auch in den USA – in den letzten Monaten gelegentlich der eine oder andere Einwand, man solle doch über Verhandlungen nachdenken und nicht weiter eine Liste vermeintlicher Wunderwaffen abarbeiten, an deren Ende dann eine Kriegsbeteiligung steht. Die Herrschaften in Grau sind etwas ahnungsvoller, was die realen militärischen Kräfteverhältnisse angeht, und nicht allzu versessen aufs Sterben.
Das wird man bei jedem der vorhandenen Kandidaten annehmen können, wie viele Ukrainer unter der Erde landen, wird ihnen gleich sein. In der Ukraine gibt es inzwischen Internet-Kanäle, auf denen vor den Fangtrupps gewarnt wird, die die Einberufungsbescheide verteilen, und Karten, auf denen zu sehen ist, dass fast jede Ausfallstraße "abgedeckt" wird. Nun, der eigentliche, nicht ausgesprochene Vorwurf gegen Lambrecht würde lauten, sie wäre zwar bereit, Adventskränze in ihrer Wohnung abzufackeln, gefragt sei aber die Bereitschaft, die Welt in Brand zu setzen.
Die Liste möglicher Nachfolger reduziert sich relativ schnell. Die Quotierung im Kabinett verlangt eine Frau, außer, es ginge noch ein Mann auf einer anderen Position, und die Verteilung zwischen den Koalitionspartnern sichert dieses Ressort der SPD, außer, es ginge ein Minister eines Koalitionspartners.
Dabei kann man sich durchaus fragen, ob die Vorwürfe, die in letzter Zeit gegen Christian Linder durch die Medien liefen, als Absender die Frau mit dem doppelten Doppelnamen haben, bei der man sich fragt, ob sie nicht mindestens zu Vollmond im Keller an die Kette gelegt werden sollte, denn damit sie ihre letzte Chance auf ihre Traumposition wahren kann, müsste ein FDP-Ressort frei werden. Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist zweifelsohne das kriegslüsternste Exemplar des gesamten Angebots, und sollte sie zum Zug kommen, würden ihre militärischen Untergebenen vermutlich bei jeder Begegnung darauf achten, den Schlüssel zum nächstgelegenen Bunker in der Hosentasche zu tragen, vorsichtshalber.
Strack-Zimmermann ist jeder ukrainischen Nachfrage willfährig, und es dürfte nur einige Tage dauern, bis sie auch den neuesten Irrwitz ebenso befürwortet wie bereits der Exbotschafter der Ukraine und jetzige stellvertretende Außenminister Andrei Melnyk und der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter – nicht nur Kampfpanzer zu liefern, sondern zusätzlich Tornados.
Das soll jetzt nicht heißen, dass der Rest der Bewerberschar ungefährlich sei. Lars Klingbeil, der sich schon sein Studium als Wahlkreisbüromitarbeiter des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder finanzierte und seitdem als Berufspolitiker unterwegs ist, hat den für ehemalige Jusos mit Karriereabsichten nicht ungewöhnlichen Weg von der parlamentarischen Linken zum Seeheimer Kreis bereits abgeschlossen, seine einstige Kriegsdienstverweigerung öffentlich bereut und damit gezeigt, dass er sich vor allem durch nützliche Biegsamkeit auszeichnet. Er fordert bewaffnete Drohnen und war eine Zeit lang im Vorstand der Lobbyvereine Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik und Förderkreis Deutsches Heer.
Er würde sich keiner weiteren Verschärfung in den Weg stellen; erst vor wenigen Tagen hat er sich von der Zeit interviewen lassen, um seine Chancen aufzupolieren, mit Sätzen wie diesen: "Krieg ist wieder Thema am Küchentisch, auch in Deutschland. Und deshalb können wir jetzt nicht mehr sagen, Sicherheit in Europa ist nur mit Russland zu organisieren. Sie muss jetzt vor Russland organisiert werden. Putin hat uns belogen und betrogen." Das ist faktisch dreist, denn die Geständnisse von Angela Merkel und François Hollande zeigten gerade erst recht deutlich, wer wen betrogen hat, und es wird dennoch voraussichtlich nicht genügen, denn Klingbeil erfüllt, so er sich nicht noch schnell als Frau entdeckt, nicht die erforderliche Quote.
Siemtje Möller ist derzeit eine von zwei parlamentarischen Staatssekretären in Verteidigungsministerium. Sie hat tatsächlich einige Jahre in ihrem Beruf als Lehrerin verbracht, höchstens sieben, vermutlich dank Mutterschaftsurlaub und Elternzeit weniger und ist seit 2017 im Bundestag. Dass ihre Familie nicht zu den Besitzlosen zählen dürfte, zeigt schon die Liste ihrer Vornamen: Siemtje Victoria Regine Ilse. Auf einer archivierten Seite aus dem Jahr 2017 findet sich auch, dass sie ein Praktikum bei den Vereinten Nationen absolviert hat, ebenfalls kein Job, den mal eben die Tochter der Supermarktkassiererin bekommt. Als ehemalige Sprecherin des Seeheimer Kreises, Vorstandsmitglied der Deutsch-Atlantischen Gesellschaft und Mitglied der Atlantikbrücke wird sie mit Sicherheit keine unangemessenen Fragen zu den Nord-Stream Pipelines stellen. Außerdem ist sie auch noch in der Gesellschaft für Sicherheitspolitik.
Allerdings hat sie im vergangenen Jahr einmal unerwünschterweise geäußert, die NATO habe sich gegen die Lieferung von Panzern entschieden, und sie reagierte bisher auf Überlegungen zur Wiedereinführung der Wehrpflicht mit der pragmatischen Antwort, dafür gebe es weder eine Verwaltung, noch Unterkünfte oder Ausbilder. Das legt zumindest nahe, dass ihr im unpassenden Moment, etwa zur Frage der Panzerlieferungen, störende Wahrheiten entfleuchen könnten wie die, dass die Ausbildungszeiten für Leopard-Panzer beträchtlich sind. Sie ist mit Sicherheit absolut NATO-treu, aber womöglich ein wenig zu nah am wirklichen Militär, um die westlichen Wahnvorstellungen unfallfrei zu realisieren.
Bleibt noch Eva Högl, genau genommen Eva Alexandra Ingrid Irmgard Anna Högl; sie übertrifft Möller um einen weiteren Vornamen. Die promovierte Juristin, die noch während der Schulzeit in die SPD eintrat, ging von der Universität schon als Mitglied des SPD-Bundesvorstands direkt ins Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter Wolfgang Clement, wechselte von dort in den Bundestag und ist seit April 2020 Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags.
Sie hält die Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 für einen "Riesenfehler" und will die 100 Milliarden, die die Ampel bereits in die Bundeswehr geschaufelt hat, auf 300 erhöhen. Ihr Herz für den militärisch-industriellen Komplex zeigt sie durch ihre Betonung, die Rüstungsindustrie brauche mindestens Abnahmegarantien.
Wenn man Willfährigkeit gegenüber der Rüstungsindustrie und Bereitschaft, Deutschland etwa durch die Lieferung von Leopard-Panzern tiefer in die Ukraine zu verwickeln, als die entscheidenden Voraussetzungen zum Antritt dieser Position sieht, haben definitiv Högl und Strack-Zimmermann die besten Karten. Letztere ist allerdings eben in der falschen Partei.
Wie auch immer sich Olaf Scholz letzten Endes entscheidet, sofern er nicht eine neue Dame aus dem Ärmel zieht, stehen Gewinner und Verlierer der Neubesetzung jetzt schon fest. Verlierer sind die deutschen Steuerzahler, deren Geld sich noch stärker als bisher nicht in konkrete Verbesserungen im Land, sondern in Rauch aus den Schloten der Rüstungskonzerne verwandelt, und die Ukrainer, die man noch ein wenig länger verbluten lässt; Gewinner sind die Waffenhersteller und die Vereinigten Staaten, die für jedes Bisschen deutschen Einstiegs in der Ukraine sich der deutschen Beute ein wenig sicherer fühlen können.
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