Polizei-Absperrungen durchbrochen: Vermummte Demonstranten stürmen Tagebau in Lützerath

In Lützerath ist nach Angaben der Polizei eine bislang unbekannte Zahl vermummter Demonstranten in den Tagebau eingedrungen. Dutzende weitere konnten von Polizeikräften aufgehalten werden. Die Polizei erklärte, sie wende, um die Stürmung des Tagebaus zu verhindern, "unmittelbaren Zwang an".

Bei einer Demonstration nahe Lützerath im Rheinischen Kohlerevier sind nach Polizeiangaben mehrere Menschen in den Tagebau eingedrungen. "Entfernen Sie sich sofort aus dem Gefahrenbereich!", schrieben die Einsatzkräfte bei Twitter.

Zudem hätten Teilnehmer versucht, durch eine Polizeiabsperrung an die Tagebaukante zu gelangen. Die Personen seien größtenteils vermummt gewesen, erklärten die Beamten. "Um dies zu verhindern, wenden wir unmittelbaren Zwang an", hieß es. Die Polizei forderte die Menschen auf, keine Einsatzkräfte anzugehen und sich kooperativ zu verhalten.

Bei der Demonstration für die Erhaltung des Dorfes Lützerath haben sich am Samstag Hunderte Teilnehmer unmittelbar an die Abbaukante des rheinischen Braunkohletagebaus gestellt. Der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach sagte gegenüber der dpa:

"Ich bin absolut entsetzt, wie normale Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer sich dazu hinreißen lassen, hier den absoluten Gefahrenbereich zu betreten."

Der Aufenthalt unmittelbar am Steilhang der Tagebaukante sei ohnehin gefährlich, derzeit aber ganz besonders, weil der Boden durch den Dauerregen aufgeweicht sei. Ein Polizeisprecher schätzte die Gesamtzahl der Demoteilnehmer auf 8.000 bis 10.000.

Eine Sprecherin auf der Kundgebungsbühne sagte, es gebe einen Wasserrohrbruch in der Nähe der Tagebaukante. Dort bestehe Einsturzgefahr. Daher müsse der Sicherheitsabstand unbedingt eingehalten werden.

Ein anderer Sprecher auf der Kundgebungsbühne äußerte, er finde es legitim, wenn Teilnehmer versuchen, in das abgesperrte Lützerath vorzudringen. Er skandierte:

"Lasst euch von der Polizei nicht aufhalten. Wir sind mächtig. Wir sind auf der Seite der Gerechtigkeit. Wir lassen uns von diesem repressiven System nicht aufhalten. Wir stoppen diesen Tagebau. Macht alles, was ihr für richtig haltet."

Das von Aktivisten besetzte Dorf Lützerath wird seit Mittwoch von der Polizei geräumt, damit der Energiekonzern RWE die darunter liegende Kohle abbaggern kann.

Beteiligt an den Protesten ist auch die Fridays-for-Future-Ikone Greta Thunberg. Die Schwedin hat die deutschen Grünen wegen ihrer Unterstützung für den Abriss von Lützerath und das Abbaggern der unter dem Dorf liegenden Kohle kritisiert. Konzerne wie RWE müsse man eigentlich dafür zur Rechenschaft ziehen, wie sie mit Menschen umgingen. "Dass die Grünen mit solchen Unternehmen Kompromisse schließen, zeigt, wo ihre Prioritäten liegen", so die schwedische Klimaaktivistin am Samstag in einem Interview der dpa. Sie selbst sei nie mit einer grünen Partei verbunden gewesen.

Führende grüne Politiker wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und seine NRW-Kollegin Mona Neubauer verteidigen den Abriss von Lützerath damit, dass die darunter liegende Kohle zur Aufrechterhaltung der Energiesicherheit in der derzeitigen Krise gebraucht werde. Thunberg sagte dazu:

"Die Kohle, die hier im Boden ist, wird die Preise nicht sofort senken. Wer so denkt, hat einfach keinen Bezug zur Realität."

Die 20-Jährige ist nach Deutschland gekommen, um den Protest gegen die Räumung und den Abriss von Lützerath zu unterstützen. "Ich bin hier schon früher gewesen, und da sah es noch völlig anders aus", sagte sie. "Es ist sehr traurig, das zu sehen. Es ist jetzt ein ganz anderer Ort." Ihren Eindruck von der Kraterlandschaft des rheinischen Braunkohlereviers beschrieb sie wie folgt:

"Es sieht wirklich aus wie Mordor. Es zeigt, wozu Menschen unter den falschen Bedingungen fähig sind. Es zeigt, wogegen wir kämpfen, was wir verhindern wollen."

Thunberg hatte Lützerath bereits am Freitag besucht und dabei "Polizeigewalt" angeprangert. Der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach wies die Kritik vehement zurück. Die Polizei sei im Gegenteil mit äußerster Vorsicht vorgegangen, erklärte er. Auf die Frage, ob sie ihre Kritik an der Polizei aufrechterhalte, sagte Thunberg der dpa:

"Polizeigewalt bedeutet in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Dinge. Aber es gab mehrere Fälle, in denen die Polizei das Leben von Aktivisten gefährdet hat."

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(rt/dpa)