Ilko-Sascha Kowalczuk, Historiker in Berlin und spezialisiert auf Darstellungen zur DDR-Geschichte, die mit dem westdeutschen Geschichtsbild konform gehen, hat sich nun der Band "Rammstein" angenommen. Die Musikgruppe, deren Anfänge in die späten Jahre der DDR zurückreichen, soll angeblich eine "DDR-Nostalgie-Band" sein. Auch den Frontmann der Band, Till Lindemann, kritisierte Kowalczuk, wie die Berliner Zeitung berichtete.
Lindemann, der kürzlich seinen 60. Geburtstag feierte, wurde vom MDR mit folgender Aussage zitiert, die wiederum Kowalczuk zu ausfälligen Bemerkungen auf Twitter veranlasste:
"In der DDR hatten wir nur wenig, aber es gab ein Gefühl der Solidarität, das ich jetzt vermisse. Heute stecken wir bis zum Hals in Konsum, Egoismus und Individualismus."
Dies konnte oder wollte Kowalczuk nicht unkommentiert stehen lassen und kanzelte Lindemann ab:
"Für dieses dämliche Zitat kann ich nichts, aber es passt in mein Bild von diesem Honk."
Er beließ es jedoch nicht dabei, sondern griff zusätzlich den – von ihm als bloß "so genannten" bezeichneten – Keyboarder der Band direkt an:
"Wer das nicht glaubt, sollte mal die unfassbar dämlichen Einlassungen des so genannten Keyboarders Flake über die DDR hören."
Dessen "Vergehen" aus Sicht Kowalczuks besteht darin, wie die Berliner Zeitung feststellt, sich "in Vergangenheit immer wieder über die Veränderungen im Ortsteil Prenzlauer Berg nach der Wiedervereinigung beklagt" zu haben.
Der Streit um die Deutungshoheit der DDR-Geschichte und um die Erinnerung an die jeweils subjektive Erfahrung und eigene Lebenswelt, den Kowalczuk nun auf die Band Rammstein ausweitet, trägt Merkmale der viel zitierten Cancel Culture. Sowohl die Mitglieder von Rammstein als auch Kowalczuk stammen aus der DDR. Kowalczuk ist seit den neunziger Jahren auf die Themen "SED-Diktatur" und "Stasi" abonniert.
Mehr zum Thema – Rammstein-Sänger Till Lindemann begeistert bei Militärmusik-Festival in Moskau