Auch am dritten Tag nach den Silvesterkrawallen wird immer noch Bilanz gezogen. Vor allem in der Hauptstadt war die Lage unübersichtlich und die Ausschreitungen massiv. Nun zeigte sich, dass mehr Beamte verletzt wurden, als zuvor angenommen worden war: 41 Polizisten und 15 Feuerwehrleute sind betroffen. 145 Menschen wurden wegen Brandstiftung, Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz, Landfriedensbruch oder wegen Angriffen auf Vollstreckungsbeamte und Rettungskräfte festgenommen, sind allerdings laut einem Polizeisprecher nach erkennungsdienstlicher Behandlung seit Dienstag vorerst wieder auf freiem Fuß. Insgesamt wurden 355 Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Zwischenzeitlich lag die Zahl der Festgenommenen bei 159; es habe jedoch Doppelzählungen gegeben.
Zudem wurden auch die Nationalitäten der Täter bekannt gegeben. Laut Polizei wurden insgesamt 18 verschiedene Nationalitäten erfasst. 45 Tatverdächtige hatten den deutschen Pass, 27 waren afghanischer Nationalität, 21 waren Syrer. Die Zahlen sind jedoch immer noch vorläufig. Zuletzt stellte sich in der öffentlichen Diskussion die Frage, ob der Ursprung der Krawalle nicht in der gescheiterten Integrationspolitik der Stadt Berlin zu suchen wäre. So sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn:
"Da geht es eher um ungeregelte Migration, gescheiterte Integration und fehlendem Respekt vor dem Staat."
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, äußerte sich ähnlich:
"Bei vielen Einsatzkräften ist der Eindruck vorherrschend, dass Gruppen junger Männer mit Migrationshintergrund bei diesen Ausschreitungen weit überrepräsentiert sind."
Betroffene Polizisten, Feuerwehrleute und Sanitäter gaben an, vor allem von arabischstämmigen jungen Männern angegriffen worden zu sein. Dies erklärte auch Hauptbrandmeister Baris Coban, der in Neukölln mit seinem Löschfahrzeug in einen Hinterhalt geriet und mit Flaschen, Böllern und Schreckschusspistolen attackiert worden war. Laut Süddeutscher Zeitung sagte Coban, dessen Familie selbst aus der Türkei stammt:
"Das waren alles unter 25-Jährige mit Migrationshintergrund."
Laut Berliner Feuerwehr sind Feuerwehrleute und Rettungsdienste zu Silvester insgesamt 14-mal in einen Hinterhalt gelockt worden, betroffen war vor allem der Bezirk Neukölln. Auch Bezirksbürgermeister Martin Hikel von der SPD sagte, er habe beobachtet, dass die Täter zum größten Teil Migrationshintergrund hätten. Doch ein Großteil der Menschen mit Migrationshintergrund in der Gegend seien über die Silvesterkrawalle genauso entsetzt wie alle anderen.
"Man hat sich da gewissermaßen selbst angegriffen. Das sind einige Idioten, die alle in Sippenhaft nehmen."
Viel wichtiger sei daher der Aspekt, "dass es sich um soziale Brennpunkte handelt", meint Hikel. Es gebe zwar umfangreiche Sozialprogramme:
"Wenn es trotzdem Störenfriede gibt, die das alles nicht interessiert, dann muss man sehr konsequent bei der Repression sein. Daran mangelt es in Berlin."
Auch Bettina Jarasch, Spitzenkandidatin der Grünen für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin, fordert schnellere Strafen bei solchen Gewalttaten. Die Nationalität der Täter ist für Jarasch dabei nicht ausschlaggebend. Das Problem sei vielmehr eine zunehmende Verrohung insgesamt, die zu beobachten sei. Dieses Problem müsse behoben werden, so die Grünen-Politikerin. Franziska Giffey, Berlins Regierende Bürgermeisterin (SPD), die von 2015 bis 2018 selbst Bezirksbürgermeisterin in Neukölln war, sagte, die Taten seien vor allem in sozialen Brennpunkten passiert.
"Die schreckliche Brutalität, die hier stattgefunden hat, ist eine Grenze, die nicht straflos überschritten werden darf. Ich erwarte schnelle und konsequente strafrechtliche Ermittlungen und Bestrafungen."
Konsequenzen wie ein Böllerverbot alleine reichen jedoch nicht, für komplexe Fragen gebe es keine Antworten, so Giffey. Stattdessen benötige man vielmehr Zusammenarbeit von Schulen, Jugendhilfe, Sozial- und Integrationsarbeit.
Die Krawalle zu Silvester erfolgten nun mitten in der Wahlkampfphase vor der Wahlwiederholung zum Berliner Abgeordnetenhaus und den Bezirksparlamenten Mitte Februar. In der Diskussion zu den Ausschreitungen zu Silvester standen auch Böllerverbote zur Debatte. Der Spitzenkandidat der Berliner CDU, Kai Wegner, meint jedoch, dass Berlin ganz andere Probleme habe.
"Es ist der fehlende Respekt vor dem Rechtsstaat in Parallelgesellschaften."
Man müsse die Täter klar benennen. Diese seien "vorwiegend männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund, die für den Staat und seine Repräsentanten nur Verachtung übrighaben. Davor darf der Senat nicht länger die Augen verschließen".
Mehr zum Thema - Bombenstimmung: 159 Berliner Böller-Werfer wieder auf freiem Fuß – Debatte um Täter nimmt Fahrt auf