Von Felix Livschitz
Mitte Dezember veröffentlichte die Otto-Brenner-Stiftung der IG Metall eine Studie von Wissenschaftlern der Universität Mainz zur deutschen Berichterstattung über Ereignisse in der Ukraine und Berlins offizielle Reaktionen darauf. Die Schlussfolgerungen des Berichts bestätigen, dass die Medien seit dem 24. Februar eine wichtige Rolle dabei gespielt haben, den Konflikt am Laufen zu halten und eine Verhandlungslösung unwahrscheinlicher zu machen, da in allen Phasen dieses Konflikts fast überall voreingenommene, kriegsfreundliche und antirussische Inhalte veröffentlicht wurden.
Die Forscher der Universität analysierten die deutschsprachige Berichterstattung zum Ukraine-Konflikt zwischen dem 24. Februar und dem 31. Mai und werteten dabei den Inhalt von rund 4.300 Berichten aus, die von den acht führenden Tageszeitungen und Fernsehsendern des Landes veröffentlicht wurden: FAZ, Süddeutsche Zeitung, Bild, Der Spiegel, Die Zeit, ARD Tagesschau, ZDF heute und RTL aktuell.
In dieser Zeit wurde die Ukraine in 64 Prozent aller Berichterstattungen positiv dargestellt und Präsident Wladimir Selenskij in 67 Prozent. Russland hingegen wurde in 88 Prozent der Fälle "fast ausschließlich negativ" dargestellt, Präsident Wladimir Putin sogar in 96 Prozent der Fälle. Fast alle Berichte – insgesamt 93 Prozent – schrieben Putin und/oder Russland die alleinige Schuld am Krieg zu. Der Westen wurde nur in vier Prozent der Fälle als "mitverantwortlich" genannt, die Ukraine mit zwei Prozent gar noch weniger.
Die Perspektive Russlands auf den Konflikt wurde nur in zehn Prozent der Nachrichten und Berichte berücksichtigt oder erwähnt – weniger als die Sichtweisen aller anderen Länder, einschließlich jener Standpunkte der direkten Nachbarn Moskaus. Die Alternative für Deutschland (AfD) und die Partei Die Linke, die beide gegen die Bewaffnung der Ukraine und das Weiterführen der Kämpfe sind, "hatten praktisch keine Medienpräsenz bei der Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine". Botschaften der Bundesregierung und Äußerungen von Ministern waren völlig dominant und standen in 80 Prozent der Berichterstattung im Mittelpunkt, mehr als viermal häufiger als Verlautbarungen der Oppositionsparteien.
In Mediendiskussionen, "welche Maßnahmen am ehesten geeignet sind, den Krieg zu beenden", wurden Wirtschaftssanktionen gegen Russland "bei weitem am häufigsten gefordert" und wurden in 66 Prozent der Fälle letztlich auch positiv bewertet. Über diplomatische Maßnahmen sei "deutlich seltener" berichtet worden, über "humanitäre Maßnahmen" noch seltener.
Insgesamt stellten 74 Prozent der untersuchten Berichte die militärische Unterstützung der Ukraine "äußerst positiv" dar. "Etwas weniger deutlich, aber immer noch als überwiegend sinnvoll wurde auch die Lieferung von schweren Waffen bewertet", wobei 66 Prozent dafür waren. Weniger als die Hälfte der Berichte – 43 Prozent – erweckten den Eindruck, dass diplomatische Verhandlungen sinnvoll wären, was vor allem auf die Berichterstattung beim Spiegel zurückzuführen ist, der eindeutig noch die Diplomatie als die "mit Abstand sinnvollste Option" für Berlin bezeichnete, "womit Der Spiegel auch das einzige der untersuchten Medien war, das diplomatische Verhandlungen positiver bewertete als die Lieferung schwerer Waffen", schlussfolgerten die Wissenschaftler.
Die Studie identifizierte einen Bereich, in dem die Medienberichterstattung "sicherlich nicht regierungsfreundlich" war. In einigen seltenen Fällen wurden Bundeskanzler Olaf Scholz und dessen Regierungskoalition von allen Medien – außer dem Spiegel – scharf kritisiert, weil sie zögerten, die Ukraine mit schweren Waffen zu fluten.
Die Studie fügt hinzu, dass "nicht alle Regierungsmitglieder gleichermaßen von der Kritik betroffen waren". Während diejenigen, die einem Tadel entgehen konnten, in der Studie nicht aufgeführt sind, kann man Wetten darauf abschließen, dass es sich um Vertreter von Parteien der Regierungskoalition handelt, wie zum Beispiel von den Grünen, die vom ersten Tag an forderten, dass Berlin Kiew mit Waffen beliefern solle.
Insgesamt bietet die Studie jedoch einen beunruhigenden Einblick darüber, wie sich Deutschlands Medien [bis Ende Mai] hinter eine gefährliche Eskalation gegen Russland stellten. Eine Erwägung alternativer Strategien – wie etwa die Unterstützung einer diplomatischen Einigung oder die Ukraine dazu zu drängen, produktive Verhandlungen aufzunehmen, um die Kämpfe so rasch wie möglich zu beenden – fehlte in jeder Berichterstattung oder Analyse fast vollständig oder wurde vollständig zurückgehalten.
Die Studie zeigt auch, dass deutsche Journalisten zu den aggressivsten und effektivsten Lobbyisten für diesen Krieg gehören. Deutschland ist zwar nur ein Land, für das eine solche Studie erstellt wurde. Aber eine ähnliche Untersuchung der Medienberichterstattung über den Konflikt in jedem anderen westlichen Staat würde unweigerlich zu ähnlichen Ergebnissen führen. In vielen Fällen könnten die Ergebnisse in Bezug auf das einseitige, kriegsfreundliche Bild, das die Presse dem Durchschnittsbürger, gepaart mit dem Fehlen gegensätzlicher diplomatischer Standpunkte präsentiert, möglicherweise noch drastischer ausfallen.
Dies würde sicherlich für Großbritannien und die USA zutreffen, für jene zwei Länder, die am eifrigsten einen Stellvertreterkrieg gegen Russland vorantreiben. Es wurde inzwischen bestätigt, dass Kiew und Moskau Anfang April in Istanbul eine vorläufige Verhandlungslösung erzielen konnten, wonach einerseits Russland sich auf seine Position von vor dem 24. Februar zurückziehen und andererseits die Ukraine versprechen würde, keine NATO-Mitgliedschaft anzustreben und im Gegenzug Sicherheitsgarantien von einer Reihe von Ländern des Westens erhalten würde.
Berichten zufolge flog jedoch der damalige britische Premierminister Boris Johnson in allerletzter Minute nach Kiew und forderte Selenskij auf, sich von diesen fortgeschrittenen Verhandlungen zurückzuziehen. Diese schockierende Tatsache wurde in englischsprachigen Nachrichten kaum erwähnt, aber auch das sollte uns nicht überraschen.
Diese Nachrichtenunternehmen und die Journalisten, die für sie arbeiten, scheinen daran interessiert zu sein, einen ewigen Krieg zu vermarkten. Damit dies gelingt, darf die westliche Öffentlichkeit offenbar nicht wissen, dass es möglich ist, Frieden mit alternativen Mitteln zu erreichen, statt mit Tod und Zerstörung. Es scheint auch notwendig zu sein, die Europäer über die Folgen des Konflikts für ihre eigene Wirtschaft und ihre persönliche Lebensweise hinwegzutäuschen, wie die Studie der Universität Mainz beweist.
Zwischen dem 24. Februar und dem 31. Mai erreichte der Anteil von Berichten, die den "Einfluss des Krieges auf Deutschland" – wie Energieknappheit und Preisinflation – erwähnten oder behandelten, Woche für Woche nie über 15 Prozent. Erst in letzter Zeit haben die Medien des Landes damit begonnen, diesen Kollateralschaden wahrzunehmen und zu untersuchen, was er für den deutschen Durchschnittsbürger bedeutet. Daher sieht eine Mehrheit der Öffentlichkeit die gigantische Rezession möglicherweise noch immer gar nicht kommen oder hat keine Ahnung, dass sie selbst verschuldet ist.
Übersetzt aus dem Englischen
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