Im Streit über die Redefreiheit auf der Social-Media-Plattform Twitter hat sich AfD-Chefin Alice Weidel auf die Seite von Twitter-Chef Elon Musk gestellt. Demnach sei sie der Meinung, dass der Kurznachrichtendienst seit der Übernahme durch Musk diesbezüglich einen positiven Kurswechsel erfahren habe. "Seit Elon Musk Twitter übernommen hat, kann auf Twitter wieder offener für Freiheit und Selbstbestimmung eingetreten werden", sagte Weidel im Gespräch mit der Rheinischen Post.
"Das ist gut für die Twitter-Blase – und letztlich für die Meinungsfreiheit in Deutschland."
Mit ihrer Argumentation bezog sich die AfD-Politikerin auf die zahlreichen von Musk wiederhergestellten Twitter-Konten, die unter dem Vorbesitzer Jack Dorsey zuvor wegen angeblicher Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen gesperrt worden waren. Der SpaceX-Chef hatte den Kurznachrichtendienst im Oktober übernommen. Seit der Übernahme setzt er sich für mehr Meinungsfreiheit auf der Social-Media-Plattform ein. Der Milliardär, der sich selbst als "absoluten Verfechter der freien Meinungsäußerung" bezeichnet, hatte in den vergangenen Wochen die Schlagzeilen bestimmt.
So ließ er etwa diverse Accounts freischalten, darunter auch das Konto des früheren US-Präsidenten Donald Trump, der nach den Geschehnissen am 6. Januar 2021 von der Plattform verbannt worden war. Aber auch jene von Nutzern, die sich während der COVID-19-Pandemie gegen das allgemein gängige Narrativ aussprachen. Die New York Times analysierte die Tweets von über 1.000 solcher zuletzt gesperrten Konten nach deren Reaktivierung. Es stellte sich heraus, dass sich die Mehrzahl der betroffenen Tweets um Themen wie den angeblichen Wahlbetrug von Joe Biden, den COVID-Skeptizismus oder auch den Umgang der New York Post mit der brisanten Geschichte über den Laptop von Hunter Biden drehten.
Vor der Übernahme durch Musk verhängte Twitter in der Regel sogenannte "Strikes", also kurzzeitige Suspendierungen, wenn Nutzer wiederholt gegen die Regeln der Plattform verstoßen hätten. Um einen solchen "Strike" zu bekommen, reichte es seinerzeit jedoch bereits aus, auch nur vermeintliche Fehlinformationen zu teilen, etwa zur COVID-19-Pandemie oder zu den umstrittenen US-Präsidentschaftswahlen 2020. Neun solcher Strikes reichten aus, um gänzlich von der Plattform ausgeschlossen zu werden. Die Plattform verfügte auch über andere Durchsetzungsmechanismen – wie die Kennzeichnung eines Tweets oder die Verringerung von dessen Reichweite. Mit dieser Art Politik der permanenten Verbote war Musk von Anbeginn nicht einverstanden.
In der Pandemiezeit hatte Twitter insgesamt rund 11.000 Konten wegen der Verbreitung von Fehlinformationen gesperrt. Mitunter Konten von Nutzern, die behaupteten, Menschen würden durch die Impfung sterben. Oder auch jene derer, die behaupteten, das Virus sei überhaupt keine Gefahr. Mit der Veröffentlichung der sogenannten "Twitter-Files" will Musk der jahrelangen "Unterdrückung der freien Meinungsäußerung" durch Twitter bei eben solchen Themen nun endgültig Einhalt gebieten.
Während der erste Teil der Twitter-Files die Zusammenarbeit des Kurznachrichtendienstes mit der US-Regierung bei der Kontrolle der Geschichte über den Laptop Hunter Bidens vor den Präsidentschaftswahlen 2020 belegt, gewährt der zweite, von der Journalistin Bari Weiss veröffentlichte Teil, Einsicht in die Zensurpraktiken des Konzerns. Der dritte, vierte sowie fünfte Teil ging hingegen vermehrt auf die Vorkommnisse am 6. Januar und den Machtmissbrauch des damaligen Twitter-Managements ein. In Teil sechs bis acht zeigten die von den Journalisten veröffentlichten Twitter-Interner hingegen die einstige Einflussnahme diverser US-Behörden, darunter das FBI und das US-Militär, auf den Kurznachrichtendienst auf.
Der Verdacht, dass Twitter in der Vergangenheit auf Wunsch der Demokraten insbesondere konservative Stimmen zensiert hatte, hat sich dank der Arbeit der von Musk beauftragten Journalisten inzwischen somit bestätigt.
Twitter hatte seinerzeit unter anderem außergewöhnliche Schritte unternommen, um eine brisante Geschichte der New York Post zu zensieren. Als die Zeitung den Artikel auf dem Höhepunkt des US-Präsidentschaftswahlkampfs im Jahr 2020 veröffentlichte, hatte Twitter kurzerhand die Verbreitung sämtlicher Weblinks zu dem Artikel unterbunden. Unter anderem konnte der Text daraufhin nicht mehr per Tweet oder Direktnachricht weitergeleitet werden. Twitter hatte die Enthüllungen der New York Post damals zensiert, weil sie angeblich gegen die "Hacked Materials Policy" des Unternehmens verstießen. Nahezu alle Medien hatten es dem Konzern gleichgetan und die Laptop-Geschichte unterdrückt.
Ehemalige führende US-Geheimdienstler hatten die in dem Artikel veröffentlichten Recherche-Ergebnisse damals gar als russische Propaganda diffamiert. Zahlreiche US-Medien haben in den vergangenen Monaten jedoch eine komplette Kehrtwende vollzogen. Sowohl die New York Times als auch die Washington Post, NBC News und Politico bestätigten zuletzt, dass der Inhalt des Laptops authentisch sei. Auch der ehemalige Twitter-CEO Dorsey räumte inzwischen ein, dass es ein Fehler gewesen sei, sich in die Hunter-Biden-Story einzumischen.
Während Musk von kritischen Zeitzeugen für seinen offenen Umgang mit vom Narrativ abweichenden Meinungen gefeiert wird, ist die Ankündigung des Twitter-Chefs, die zuvor strengen Zensurvorschriften des Konzerns nahezu aufzuheben, vermeintlichen Verfechtern der Demokratie hingegen ein Dorn im Auge. So drohte die Europäische Union Musk wegen dessen Umgang mit angeblichen Fehlinformationen zuletzt etwa mit dem Entzug der Betriebserlaubnis im Hoheitsbereich der EU. Jüngst gab es jedoch auch durchaus berechtigte Kritik, weil Musk – trotz seines immer wieder betonten Bekenntnisses zur Redefreiheit – zunächst einen automatisierten Account zur Nachverfolgung seines Privatjets und später zeitweise auch die Nutzerkonten einiger US-Journalisten sperren ließ.
Musk hatte Twitter Ende Oktober für 44 Milliarden Dollar übernommen und umgehend viele Beschäftigte in der bisherigen Chef-Etage gefeuert. Eine Woche später entließ er rund die Hälfte der 7.500 Angestellten von Twitter. Auch deshalb werfen Kritiker Musk vor, den Kurznachrichtendienst innerhalb weniger Wochen ins Chaos gestürzt zu haben.
Der Milliardär hatte zu Beginn der Woche deshalb verlautbaren lassen, als Twitter-Chef zurücktreten zu wollen – allerdings erst, wenn ein Nachfolger gefunden ist. Twitter-Nutzer hatten sich zuvor in einer von Musk selbst initiierten Umfrage mehrheitlich für seinen Rücktritt ausgesprochen. Einen geeigneten Nachfolger für seinen Posten als Twitter-CEO hat er laut eigener Aussage bisher jedoch noch nicht ausfindig machen können.
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