Bei der Kabinettssitzung vom 21. Dezember hat die amtierende Bundesregierung einen Entwurf mit dem etwas sperrigen Titel: "Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt" diskutiert und eine Teilerweiterung von Formulierungen beschlossen.
Auf der Webseite des beantragenden Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSF) heißt es dazu erläuternd, dass der neue Gesetzesentwurf dahin gehend inhaltlich erweitert werden soll, dass "'geschlechtsspezifische' sowie 'gegen die sexuelle Orientierung gerichtete' Tatmotive als weitere Beispiele für menschenverachtende Beweggründe ausdrücklich in die Strafgesetze zu Hasskriminalität" aufgenommen werden.
Der nun zu aktualisierende § 46 Strafgesetzbuch: "Grundsätze zur Strafzumessung" lautete bis dato in Absatz 2, Satz 1: "Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht: die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende (…)". Laut Beschlusslage der Ampel-Regierung wird Satz 1 nun ergänzt mit den beiden Formulierungen:
"(…) geschlechtsspezifische, gegen die sexuelle Orientierung gerichtete, (…)"
Sven Lehmann (Bündnis 90/Die Grünen), seit Januar dieses Jahres "Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt – kurz: Queer-Beauftragter, wird mit den Worten zitiert:
"Hasstaten und Gewalt gegen queere Menschen sind menschenfeindliche Straftaten. Jeden Tag werden in Deutschland mindestens drei queere Menschen angegriffen, und das sind nur die Taten, die angezeigt und ordentlich registriert werden. Die Dunkelziffer ist deutlich höher."
Er begrüße daher "das klare Zeichen der Bundesregierung gegen Hasskriminalität", die sich laut Wahrnehmung des Queer-Beauftragten "alltäglich gegen Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche und queere Menschen (LSBTIQ*)" richten würde. In einem themenbezogenen Twitter-Beitrag fordert er, dass genannte "Tatmotive" als solche "künftig auch im Strafgesetzbuch benannt und geahndet werden" müssen:
Der Gesetzesentwurf erläutert zur Notwendigkeit der Gesetzeserweiterung (Seite 1):
"Straftaten, die durch das Geschlecht des Opfers oder seine sexuelle Orientierung motiviert sind, haben erhebliche praktische Relevanz (...) Menschen (LGBTIQ) sind ebenfalls – in der analogen und in der digitalen Welt – zunehmend Opfer von Hassdelikten. Zwar können bereits heute auf das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung des Opfers bezogene Hassmotive im Rahmen des § 46 StGB als 'menschenverachtende' Beweggründe strafschärfend berücksichtigt werden. Diese Vorgabe soll jedoch bekräftigt und verstärkt werden."
Der Begriff "geschlechtsspezifisch" soll laut dem zuständigen Bundesministerium der Justiz (BMJ) nicht nur die "unmittelbar auf Hass gegen Menschen eines bestimmten Geschlechts beruhenden Beweggründe erfassen", sondern auch zukünftig die Fälle einbeziehen, in denen "die Tat handlungsleitend von Vorstellungen geschlechtsbezogener Ungleichwertigkeit geprägt" sei.
Die Gesetzeserweiterung greife laut dem BMJ auch dann, wenn "der Täter gegenüber seiner Partnerin oder Ex-Partnerin mit Gewalt einen vermeintlichen patriarchalischen Herrschafts- und Besitzanspruch durchsetzen will". Die ausdrückliche Nennung der "gegen die sexuelle Orientierung gerichteten" Tatmotive betone laut BMJ-Definition die "Notwendigkeit einer angemessenen Strafzumessung für alle Taten, die sich gegen LGBTIQ-Personen" richten würde.
Der Queer-Beauftragte Lehmann war im November medial in den Fokus gerückt, als er in einem Podcast-Interview (Titel: "Schwanz und Ehrlich") die Behauptung aufstellte, dass im Bundestag die Dating-App Grindr (laut Bild vergleichbar mit "Tinder, richtet sich aber hauptsächlich an homosexuelle Männer") vermeintlich breit genutzt würde. Ein diesbezüglicher Bild-Artikel zitiert ihn mit den Worten: "Ich war überrascht darüber, wie hoch die Einschlagdichte bei Grindr ist im Bundestag".
Laut vorliegenden Statistiken sollen sich geschätzt 7,5 Prozent der Deutschen als sogenannt "LGBTQ" bezeichnen. Dies würde ungefähr um die sechs Millionen Menschen bedeuten.
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