Bei Übungen mit dem Schützenpanzer Puma, der im kommenden Kalenderjahr der schnellen Eingreiftruppe der NATO zur Verfügung gestellt werden soll, ist die Bundeswehr auf schwerwiegende technische Schwierigkeiten gestoßen. Dies berichtet das Nachrichtenmagazin Der Spiegel unter Berufung auf einen der Zeitschrift vorliegenden Brief des Kommandeurs der 10. Panzerdivision, Generalmajor Ruprecht von Butler, an die Führung des Heeres und das Bundesverteidigungsministerium. Demnach seien nach einer Übung mit 18 hochmodernen Puma-Schützenpanzern kein einziger mehr einsatzfähig gewesen, heißt es in dem Bericht, der am Samstag veröffentlicht wurde.
Das von Krauss-Maffei Wegmann und der Rheinmetall Landsysteme GmbH entwickelte Gefechtsfahrzeug hatte in der deutschen Presse zuvor schon als sogenannter Pannenpanzer Schlagzeilen gemacht. Von Butler schrieb in seinem Brief an das Verteidigungsministerium, dass dem Militär der Ruf der Unzuverlässigkeit des Pumas zwar bekannt gewesen sei, die technischen Probleme jedoch "noch nie so häufig" aufgetreten seien wie bei dem jüngsten Test. So soll sich die Einsatzbereitschaft von insgesamt 18 Schützenpanzern während der achttägigen Übung so weit verschlechtert haben, dass sie völlig unbrauchbar wurden, was von Butler als "Totalausfall" bezeichnete. Dabei seien die Systeme während des Manövers nur auf Schießbahnen in der Norddeutschen Tiefebene bewegt und dort "nicht übermäßig beansprucht" worden.
Laut dem General sei es bei einem Panzer beispielsweise zu einem Kabelbrand in der Fahrerkabine gekommen, während bei mindestens zwei weiteren Panzern Defekte am Turm auftraten. Die letzten beiden noch einsatzbereiten Pumas seien "am gestrigen Schießtag nach anderthalb Stunden mit Turmdefekten" auch noch ausgefallen, schrieb von Butler. Die neuen Pannen sollen dabei überwiegend bei Gefechtsfahrzeugen aufgetreten sein, mit der sich die Panzergrenadierbrigade 37 ab dem neuen Jahr ursprünglich an der NATO-Speerspitze, der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF), hätte beteiligen sollen.
Bei dem anstehenden Einsatz soll deshalb nun nicht wie ursprünglich geplant der Puma, sondern stattdessen das schon vor Jahrzehnten eingeführte Gefechtsfahrzeug Marder zum Einsatz kommen, wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Montag erklärte. "Wir waren nach den vorangegangenen Übungen noch recht zuversichtlich, weil der 'Puma' sich gut geschlagen hatte. Und nun kommt dieser ungewöhnlich hohe Ausfall", begründete er die Entscheidung.
Weshalb es bei dem Puma plötzlich zu einer Vielzahl technischer Probleme kam, ist unklar. Nach Einschätzung der betroffenen Kompanie sei deshalb nun davon auszugehen, dass deren volle Einsatzbereitschaft erst wieder in drei bis vier Monaten hergestellt werden könne, schrieb der General laut Spiegel. Dies werde aber "trotz aller guten Vorbereitungen zum Lotteriespiel". Auch deshalb sorgte der Brief im deutschen Verteidigungsministerium für Wirbel. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) erfuhr demnach während ihrer Afrika-Reise von dem Problem. Am Montag soll bei einem Krisentreffen im Verteidigungsministerium über die technischen Mängel beraten werden.
Etwaige Behauptungen, wonach die Bundeswehr nicht in der Lage sei, verteidigungspolitische Aufgaben zu erfüllen, wies Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung indes entschieden zurück. Er betonte, dass die Streitkräfte im Gegensatz zu den vergangenen dreißig Jahren wieder in der Lage seien, einen Angriff auf das Territorium Deutschlands oder eines seiner Verbündeten abzuwehren. Eine Ansicht, die auch Eberhard Zorn, der Generalinspekteur der Bundeswehr, teilt. Dieser schrieb am Sonntag auf Twitter:
"Die Verpflichtungen gegenüber der NATO werden wir ab dem 1. Januar 2023 erfüllen."
Dank seines stark abgeschirmten Kabinenraums bietet der Puma seiner Besatzung einen sehr guten modularen Schutz gegen Minen, Panzerabwehrsysteme und behelfsmäßige Spreng- und Brandvorrichtungen (Improvised Explosive Device – IEDs). Er kann mit dem Transportflugzeug Airbus A400M transportiert werden und ist auch in unwegsamem Gelände wendig. Ebenso ist er deutlich moderner als sein Vorläufer Marder, der noch während des Kalten Krieges eingeführt worden war. Der unbemannte Turm des Puma verfügt als Hauptbewaffnung über eine stabilisierte Kanone im Kaliber 30 Millimeter, eine koaxiale Sekundärbewaffnung und beherbergt darüber hinaus das Waffensystem MELLS. Damit kann er – im Gegensatz zum Marder – auch während der Fahrt zielsicher schießen.
Ein weiteres Augenmerk liegt auf der verbesserten Kommunikationsfähigkeit des Pumas. Überdies wird dem Schützenpanzer von den Herstellern die Fähigkeit bescheinigt, seine Führungsqualitäten bei vernetzten Operationen bei extremen Wetterbedingungen und unzureichender Infrastruktur beibehalten zu können. Ermöglicht wird dies durch den Einsatz von Schnittstellen für das Führungs- und Informationssystem, das Verbündeten-/Feindzielerfassungssystem sowie das System Infanterist der Zukunft (IdZ).
Das IdZ wird derzeit von der Firma EADS für das deutsche Heer entwickelt und gilt als eines der fortschrittlichsten Systeme zur digitalen Optimierung von Soldaten. Die Technologie liefert Soldaten ein aktuelles taktisches Bild, ermöglicht verdeckte und stille Kommunikation und bietet Navigationshilfe.
Deutschland unterhält eine Flotte von 350 Puma-Schützenpanzern. Tatsächlich einsatzbereit seien davon nach Angaben des Verteidigungsministeriums derzeit tatsächlich aber lediglich 150. Ursprüngliche Pläne des Verteidigungsministeriums sahen den Kauf weitere Puma vor, die zum Teil die älteren Marder-Modelle hätten ersetzen sollen. Angesichts der jüngsten Pannenserie hat Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) den Nachkauf nun jedoch vorerst ausgesetzt. "Bevor sich das Fahrzeug nicht als stabil erweist, wird es kein 2. Los geben. Die Kritik aus dem Parlament ist vollkommen berechtigt", erklärte die SPD-Politikerin am Montag nach einem Krisentreffen in Berlin. Die neuerlichen Ausfälle des Schützenpanzers seien ein herber Rückschlag:
"Unsere Truppe muss sich darauf verlassen können, dass Waffensysteme auch im Gefecht robust und standfest sind. Und die NATO kann sich weiter auf unsere Pflichterfüllung bei der VJTF verlassen. Wir haben den Schützenpanzer Marder bereits bei den Vorbereitungen eingeplant und das hat sich als klug erwiesen."
Generalinspekteur Zorn und Rüstungsstaatssekretär Benedikt Zimmer hatten Lambrecht zuvor über die genauen Mängel informiert. In einer ersten Bilanz hat die Bundeswehr nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa demnach ein uneinheitliches Schadensbild festgestellt, das von abgenutzten Zahnkränzen bis hin zu Problemen mit der Elektronik reicht.
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