Der Bundestag hat am Mittwoch grünes Licht für eine Reihe von Beschaffungsprojekten im Verteidigungsbereich gegeben, darunter auch für den Kauf von 35 hochmodernen F-35-Tarnkappen-Jets des US-Herstellers Lockheed Martin. Das US-Verteidigungsministerium hatte der Bundesregierung die Maschinen zuvor zu einem Kaufpreis von fast zehn Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Die Unterzeichnung der Annahmeerklärung markiert nun den Abschluss der jahrelangen Bemühungen Berlins, Ersatz für die alternde Tornado-Flotte der Luftwaffe zu finden.
Im Gegensatz zu den sich nunmehr seit fast 40 Jahren in Betrieb befindlichen Tornados, zählen die Maschinen vom Typ F-35 zu den modernsten Tarnkappen-Jets der Welt. So reflektiert das Flugzeug wegen seiner speziellen Form und Außenbeschichtung beispielsweise nur wenig Radarstrahlung und ist für das gegnerische Radar deshalb nahezu unsichtbar. Die ursprünglichen Pläne der Bundesregierung sahen als Ersatz für den Tornado den Kauf amerikanischer F-18-Jets für das 33. Luftgeschwader vor. Diesen fehlt jedoch zurzeit noch die für den Einsatz von Atombomben benötigte Zertifizierung, die bei der F-35 bereits erfolgt ist.
Denn der moderne Tarnkappen-Jet ist hauptsächlich als neues Atombombenträgersystem gedacht. So dient der Kauf der Flugzeuge letztlich dem Zweck, auch weiterhin eine zentrale NATO-Bündnisverpflichtung gewährleisten zu können: die nukleare Teilhabe, mit der hierzulande das Luftwaffengeschwader 33 betraut ist. Im Falle einer entsprechenden Notsituation hat das Geschwader die Aufgabe, die im rheinland-pfälzischen Büchel gelagerten amerikanischen Atombomben des Typs B61-4 zu transportieren und über dem anvisierten Zielort abzuwerfen.
Die F-35 zählt jedoch nicht nur zu den modernsten, teuersten und ambitioniertesten Rüstungsprojekten des US-Militärs, sondern auch zu einem der fehleranfälligsten: Die Tarnkappen-Jets fielen in der Vergangenheit bereits mehrfach wegen schwerwiegender Probleme auf. Von Lockheed Martin ausgeliefert wurden seit Beginn der Produktion im Jahr 2001 insgesamt etwa 750 F-35, davon die meisten an das US-Militär. Allerdings kam es zwischenzeitlich immer wieder zu Kostenexplosionen und Lieferverzögerungen. Und obwohl die F-35 bei den US-Streitkräften bereits seit über zehn Jahren im Einsatz ist, kränkelt das Flugzeug weiterhin an zahlreichen Problemen und Mängeln, die durch die regelmäßigen offiziellen Berichte unterschiedlicher US-Stellen und auch durch die Arbeit zivilgesellschaftlicher Projekte belegt sind.
So musste bei den US-Streitkräften zuletzt zum Beispiel fast die Hälfte der Flieger wegen technischer Probleme am Boden bleiben. Verantwortlich dafür waren Schwierigkeiten mit den Schleudersitzen. Der Schleudersitz-Hersteller hatte zuvor Qualitätsmängel bei den in den Sitzen verbauten Kartuschen gemeldet. Der Fehler wurde laut dem Sitz-Hersteller Martin-Baker bereits im April bei der Routineinspektion einer F-35 der US-Luftwaffe entdeckt. Da das US-Militär diesen zunächst jedoch als Einzelfall betrachtete, wurde nicht sofort gehandelt. Erst im Laufe der Untersuchungen stellte sich heraus, dass das Problem auf einen Produktionsfehler zurückzuführen ist – und folglich nahezu alle Maschinen betraf.
Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch, dass es sich bei allen bislang produzierten und ausgelieferten F-35 (circa 750 Stück), um Modelle aus der sogenannten "Anfangsproduktion" handelt, die noch nicht alle Anforderungen an ein vollständig ausgereiftes Flugzeug erfüllen. So neigt das Triebwerk des Jets beispielsweise zum Überhitzen und muss deshalb häufiger gewartet oder ausgetauscht werden, heißt es in einem Bericht des US-Rechnungshofes. Dieser hatte deshalb davor gewarnt, dass 2030 bis zu 43 Prozent der Flugzeuge flugunfähig sein könnten, "sofern nicht drastisch gegengesteuert wird." Aus den Dokumenten geht zudem hervor, dass die sogenannte Verfügbarkeit der Tarnkappenbomber-Flotten im Schnitt bei weniger als 40 Prozent gelegen habe – im Zeitraum 2014 bis 2021. Der Standard für andere Flotten liegt zwischen 75 und 80 Prozent.
Zuletzt hatte die F-35 laut einem Gutachten der Nichtregierungsorganisation "Project on Government Oversight" (POGO) außerdem 826 Mängel aufgewiesen. Sechs davon seien demnach so schwerwiegend, dass sie sogar zum Absturz des Tarnkappenjets führen könnten. Wie POGO unter Berufung auf einen Bericht des Pentagons schrieb, standen im September 2021 deshalb mehr als 50 F-35 im Hangar – und ein Mangel an Ersatzteile soll die Probleme noch zusätzlich vergrößert haben. In dem Pentagon-Bericht soll es diesbezüglich heißen, dass der "Mangel an Ersatzteilbeständen und die begrenzten Reparaturkapazitäten auf Komponenten-Ebene zu den Engpässen bei der Ersatzteilversorgung beitragen."
Doch nicht nur die Häufigkeit der F-35-Ausfälle soll sich demnach negativ auf die Gesamtbilanz des Flugzeugs auswirken. Sondern auch die Dauer der häufigen Reparaturen. Wartungsmitarbeiter stellten laut dem POGO-Bericht nämlich fest, dass die Reparaturen des Tarnkappen-Jets zumeist mehr als doppelt so lange dauern, wie von Lockheed Martin ursprünglich vorgesehen. Dabei seien die Triebwerke der F-35, die Kabinenhaube und die Tarnkappenbeschichtung nur einige der Komponenten, die als Hauptursache für die langwierigen Reparaturen genannt wurden.
Überdies seien im Jahr 2021 neue Mängel in den Bereichen Waffen, Sensorfusion, Kommunikation und Navigation, Cybersicherheit sowie Zielerfassung festgestellt worden, wie POGO weiter berichtete. Von den Mängeln sollen demnach auch "besonders sensible Bereiche" betroffen sein. Darunter auch die Software, die eigentlich die Kompatibilität mit bestimmten Freifall-Atombomben ermöglichen soll. Eine weitere besondere Fähigkeit der F35-Flotte soll die digitale Vernetzung aller Jets sein, was sie offenbar jedoch auch anfälliger für Cyberattacken macht. So hätten Cybersecurity-Tests diverse Schwachstellen aufgedeckt, heißt es in dem POGO-Gutachten.
Folglich könnte die nun beschlossene Anschaffung der F-35-Atombomber für die Bundesregierung letztlich zu einem sicherheitstechnischen, finanziellen und politischen Fiasko werden. Davor warnte im Frühjahr auch schon das Bundesverteidigungsministerium, wie aus einem vertraulichen Schreiben an den Haushaltsausschuss des Bundestages hervorgeht, das der Nachrichtenagentur AFP vorlag. Bedenken, die der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, offenkundig nicht teilt. Stattdessen betonte er bei einer gestrigen Pressekonferenz, dass erste deutsche Piloten bereits 2026 in den USA an dem Kampfjet ausgebildet werden sollen. 2027 würden die ersten Flugzeuge dann nach Deutschland verlegt. Mit dem Ziel, 2028 die erste Einsatzbereitschaft zu erklären.
Unter den Abgeordneten hatten die Warnungen des Verteidigungsministeriums zu möglichen Risiken und Kostensteigerungen zumindest zeitweise für Irritationen gesorgt. Dies betraf etwa den erforderlichen Umbau des Fliegerhorsts Büchel, hohe Sicherheitsanforderungen des US-Verkäufers und mögliche technische Probleme bei der Zulassung der Kampfjets für den Flugbetrieb. Deshalb verlangte der Parlamentsausschuss:
"Eine Umsetzung der Beschaffung der Flugfahrzeuge vom Typ F-35A im Zeit- und Kostenplan ist für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr von großer Bedeutung und ist folglich einzuhalten. Das Ministerium ist aufgefordert, eine zeitgerechte Zulassung der F-35A für den deutschen Luftraum sicherzustellen."
Doch nicht nur das Bundesverteidigungsministerium sieht die Anschaffung der fehleranfälligen Tarnkappen-Jets kritisch. Auch die Umweltorganisation Greenpeace sprach sich entschieden gegen den Kauf der 35 F-35 Jets aus. Auf ihrer Internetseite kritisierte die Organisation:
"Die Regierung will zehn Milliarden an Steuergeldern verschwenden, nur um im Ernstfall von deutschem Boden aus einen Atomwaffeneinsatz starten zu können. Damit beteiligt sich Deutschland an der fatalen atomaren Aufrüstungsspirale."
Doch die schärfste Kritik an der F-35 kommt nicht aus Deutschland, sondern aus den USA selbst. So attestierte der frühere Marinekorps-Offizier und Journalist Dan Grazier dem Flugzeug 2019 zum Beispiel einen "Mangel an Fortschritten in fast allen Bereichen". Und mit seiner Kritik steht der Veteran bei weitem nicht alleine da. Während der für die Beschaffung zuständige Vize-Chef der US-Luftwaffe im April 2021 die Tauglichkeit der F-35 für High-Tech-Kriegsszenarien infrage stellte, bezeichnete der frühere US-Verteidigungsminister Christopher Miller die F-35 Ende 2020 gar als "Schrotthaufen" und "Monster, erschaffen vom Pentagon".
Der Erwerb der Kampfjets gilt als eines der teuersten Beschaffungsprojekte in der Geschichte der Bundeswehr. Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz hatte kurz nach Beginn des Ukraine-Krieges einen Zusammenhang zwischen der Kaufentscheidung und den Differenzen des Westens mit Russland hergestellt:
"Auf Putins Aggression kann es aus meiner Sicht nur eine Antwort geben – und das ist Geschlossenheit in der NATO und glaubwürdige Abschreckung.
Die Anschaffung der Jets wird die Fähigkeit stärken, unser Bündnis, wenn es sein muss, auch zu verteidigen."
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