Laut jüngsten Angaben des Bundeswehrverbands fehlt der Truppe Munition im Wert von 20 bis 30 Milliarden Euro. Im Rahmen eines sogenannten Munitionsgipfels trafen sich zu einem Krisengespräch Ende November Regierungsvertreter und Rüstungsindustrie im Kanzleramt in Berlin. Vonseiten der Regierung war Jens Plötner, außen- und sicherheitspolitischer Berater des Bundeskanzlers, anwesend. Weitere Teilnehmer waren die Staatssekretäre Benedikt Zimmer (ein Generalleutnant a. D. des Heeres der Bundeswehr und ehemaliger Leiter der Abteilung Ausrüstung im Verteidigungsministerium), Sven Giegold von den Grünen (Wirtschaft) sowie auch das Finanzministerium und hohe Mitarbeiter des Auswärtiges Amtes.
Das Magazin Der Spiegel berichtete zu den anvisierten Gipfelzielen, dass "Rüstungsbosse dringend dazu plädierten, mit dem Verteidigungsministerium sogenannte Rahmenverträge für die Herstellung von Munition einzugehen". Ein anwesender Industrievertreter habe gegenüber dem Spiegel argumentiert, dass solche Verträge "die nötige Sicherheit für Investitionen in Fertigungsanlagen geben" würden.
Gut 14 Tage später heißt es in Medienberichten, dass das milliardenschwere Rüstungsunternehmen Rheinmetall aus Düsseldorf seine "Munitionsherstellung in Deutschland ausbauen" wird. Laut dem Mannheimer Morgen lauten dazu die Pläne:
"Rheinmetall baut in Deutschland eine umfangreiche neue Munitionsfertigung mit dem Ziel einer unabhängigen Versorgung der Bundeswehr auf. Die Anlagen für sogenannte Mittelkalibermunition sollten im Januar fertig sein, bestätigte das Rüstungsunternehmen auf Anfrage. Zuvor hatte es in Berlin politische Verärgerung über das Schweizer Veto gegen Munitionslieferungen aus Deutschland an die Ukraine gegeben."
Als Schwerpunkt-Produktionsziel der neuen Fertigungsanlage werden die Kaliber 20-35 Millimeter hergestellt. Das Unternehmen sehe es als seine Aufgabe an, "die Munitionsversorgung in Deutschland wieder prinzipiell unabhängig von ausländischen Fertigungsstätten aufzustellen", so ein Sprecher von Rheinmetall gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Er verwies zudem laut dem Mannheimer Morgen "auf erheblichen Nachholbedarf bei Munition in Deutschland und Lücken, die durch die Unterstützung der Ukraine entstanden sind. Sie seien gemäß den Vorgaben der NATO zu füllen". Deutschland will in den kommenden Jahren insgesamt mehr als 20 Milliarden Euro für Munition ausgeben, darunter auch Raketen und Artilleriemunition.
Bereits im Juli sei durch die Leistung der neuen Anlage die Auslieferung einer ersten Charge von Gepard-Munition möglich – diese in einer theoretischen Größenordnung von "bis zu 300.000 Schuss für die Ukraine, wenn die Bundesregierung nun einen entsprechenden Auftrag erteilt", so Unternehmensaussagen. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, teilte am Donnerstag der dpa zu der Ankündigung des Rüstungsunternehmens mit:
"Ich bin sehr erleichtert darüber, dass die Industrie so schnell reagiert hat. In Zukunft wird verstärkt Munition, die wir dringend benötigen, in Deutschland hergestellt. Angesichts der sicherheitspolitischen Lage ist es von immenser Bedeutung, dass Deutschland gemeinsam mit den NATO-Partnern bei der Herstellung von Munition unabhängiger wird."
Strack-Zimmermann wird regelmäßig ein Interessenkonflikt vorgeworfen, da die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag unter anderem auch aktives Mitglied im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik sowie beim Förderkreis Deutsches Heer ist. Diesem Förderkreis gehören sowohl Einzelpersonen als auch Unternehmen – darunter auch sechs Rüstungssparten von Rheinmetall – als Mitglieder an, wie Telepolis berichtet.
Laut der Pressemitteilung auf der Webseite des Unternehmens vom 8. Dezember erfolgte jüngst ein "Millionenauftrag der Bundeswehr". Dazu heißt es:
"Die Bundeswehr hat Rheinmetall einen Rahmenvertrag über die Lieferung von über 600.000 Schuss Mittelkalibermunition für den Schützenpanzer Puma erteilt. Insgesamt soll Munition für rund 576 Millionen EUR beschafft werden (...) Rheinmetall ist ein wesentlicher Lieferant der Bundeswehr für Gefechtsmunition."
Mit rund 25.000 Mitarbeitern an 133 Standorten und Produktionsstätten weltweit erwirtschaftete laut Eigenauskunft von Rheinmetall das Unternehmen im Jahr 2021 einen Umsatz von 5,7 Milliarden Euro. Mitte November gab Rheinmetall bekannt, dass das Unternehmen durch den Kauf des spanischen Expal Systems S.A., Madrid "einen der weltweit renommiertesten Munitionshersteller" übernommen hat. Wo genau die deutschen Fertigungsanlagen sich im Bau befinden, ist noch nicht bekannt.
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